DER BERUF ALS FAMILIENSACHE

Gabriela von Arx hat vor vier Jahren an der ZHAW den Bachelor in Pflege gemacht. Ihre Brüder, die Zwillinge Lukas und Matthias von Arx, verfolgen nun das gleiche Ziel. Ein Gespräch über Familie, Studium und den Spitalalltag.

VON EVELINE RUTZ

Sie werden dereinst alle drei in der Pflege arbeiten. Ist Ihre Berufswahl familiär geprägt?
   Matthias von Arx: Ich habe nicht so stark darauf geachtet, was meine Geschwister machen. Der Zivildienst hat eine wichtigere Rolle gespielt. Dass ich schliesslich an die ZHAW gegangen bin, hat aber schon mit Lukas zu tun.
   Lukas von Arx: Bei mir war der Zivildienst ebenfalls entscheidend. Die Arbeit in einem Altersheim hat mein Interesse geweckt. Auf das Studium bin ich durch meine Schwester aufmerksam geworden.
   Gabriela von Arx: Durch all die Geschichten, die ich erzählt habe. Was für Geschichten? Gabriela von Arx: Lustige Erlebnisse mit Patienten, herausfordernde Situationen. Alle in unserer Familie sind im sozialen Bereich tätig. Dieses Interesse haben uns unsere Eltern, beides Lehrer, sicher mitgegeben.

Profitieren Sie von den Erfahrungen Ihrer Schwester?
   Matthias von Arx: Wenn wir zusammen sind, ist die Pflege sicher ein wichtiges Gesprächsthema. Wir diskutieren einzelne Fälle und reden in Fachbegriffen, so dass andere am Tisch mit der Zeit finden, «jetzt reicht es dann».

Gabriela von Arx

Und bezüglich ZHAW: Sagt sie Ihnen, welches die guten Dozierenden sind? Gibt sie Ihnen Prüfungen weiter?
   Gabriela von Arx: Habt ihr Prüfungen von mir?
   Lukas von Arx: Nein, von dir nicht. Aber ich habe einmal für eine Arbeit das gleiche Thema gewählt. (alle lachen)
   Gabriela von Arx: Wir sprechen wenig übers Studium. Wir tauschen uns eher über unseren Alltag aus und reden auch über Fehler, die uns oder Kollegen im Berufsalltag passieren.

Gibt es Unterschiede in der Art und Weise, wie Sie pflegen?
   Matthias von Arx: Ich denke schon. Ich habe nie mit meinen Geschwistern zusammengearbeitet. Aber nur schon in dem Team, mit dem ich bis vor kurzem als Nebenjob Nachtdienst geleistet habe, stellte ich grosse Unterschiede fest.
   Gabriela von Arx: In den vier Jahren, in denen ich am Unispital arbeite, habe ich mich verändert. Ich dachte zu Beginn, es müsse alles ganz korrekt nach Schule gemacht werden, damit es gut ist. Nun habe ich mehr Sicherheit und kann abschätzen, wo ich eigene Ideen einbringen oder Abstriche machen kann. Ich bin pragmatischer geworden.
   Lukas von Arx: Was meinst du damit?
   Gabriela von Arx: Ich denke etwa an medizinaltechnische Verrichtungen. Für diese gibt es zwar genaue Arbeitsabläufe und Richtlinien. Doch mit der Zeit merkt man, was man zwingend einhalten muss und wo man den Ablauf auch einmal ändern kann.
   Lukas von Arx: Die Erfahrung macht sicher viel aus. Das habe ich im Praktikum bei der Visite gemerkt. Anfangs wusste ich nicht genau, was ich sagen sollte. Mit der Zeit konnte ich mich stärker beteiligen. Bei der praktischen Arbeit habe ich mehr gelernt als in der Theorie.
  Gabriela von Arx: Es bleibt halt anders hängen.

Wie ist es, als Mann in einem Frauenberuf zu arbeiten?
   Lukas von Arx: Schwer zu sagen. Ich weiss ja nicht, wie es als Frau ist.
   Matthias von Arx: Ich werde entweder für einen Arzt gehalten oder als völlig inkompetent eingestuft. Dann werde ich gefragt: «Ist die Schwester nicht da?»
   Gabriela von Arx: Pflege wird immer noch als Tätigkeit wahrgenommen, die in erster Linie von Frauen ausgeübt wird. Das finde ich schade.
  Lukas von Arx: Als ich auf der Neonatologie arbeitete, ist oft nach einer Frau verlangt worden, wenn es ums Stillen ging. Dafür habe ich aber Verständnis.
   Matthias von Arx: Ich habe erlebt, dass muslimische Frauen sofort ihr Kopftuch anziehen, wenn ich ins Zimmer komme.
   Lukas von Arx: Das ist mir noch nie aufgefallen. Es kommt jedoch ab und zu vor, dass Frauen zum Duschen von einer Frau begleitet werden möchten.
   Matthias von Arx: Andererseits werden Männer überwiegend von Frauen gepflegt.

Kommt es vor, dass Patienten explizit von einem Mann betreut werden möchten?
  Lukas von Arx: Eigentlich nicht. Wenn ein Katheter gelegt werden muss, macht das ein Mann, sofern einer auf der Station ist. Zumindest theoretisch. An der ZHAW lernt man das Katheterisieren übrigens nur beim eigenen Geschlecht.
   Matthias von Arx: Das ist schade. In der Praxis kommt es vor, dass ich einer Frau einen Katheter legen muss. Gerade im Nachtdienst.

Würden Sie sich mehr Männer in Ihrem Beruf wünschen?
   Matthias von Arx: Auf jeden Fall. Auf unserer Station hat es drei Männer. Sie sind eine Bereicherung. Sie gehen die Arbeit lockerer und humorvoller an.
   Gabriela von Arx: Ich finde auch, dass Männer in unserem Beruf eine Bereicherung sind. Im Team entsteht eine andere Dynamik, von der alle profitieren.
   Lukas von Arx: Während meines Praktikums war ich auf der Neonatologie der einzige Mann. Vielleicht ist es ein Klischee, aber auf der Neonatologie gibt es mehr Zickereien als auf anderen Abteilungen. Das sagen die Pflegefachfrauen sogar selbst.
   Gabriela von Arx: Männer bringen Ruhe hinein. Kommt hinzu, dass unsere Arbeit oft körperlich anstrengend ist. Wenn wir einen Patienten umlagern müssen, sind wir froh, wenn ein Mann mithelfen kann.

Wird Ihre Arbeit genug anerkannt?
   Matthias von Arx: Die Patienten sind sehr dankbar. Das ist ein grosser Unterschied zu einem Kondukteur, der häufig angemotzt wird. Aber natürlich würde ich mir mehr Lohn wünschen. Immerhin haben wir eine grosse Verantwortung.
   Gabriela von Arx: Man kann von unserem Lohn gut leben. Wenn man 100 Prozent im Schichtdienst arbeitet, sind die Einbussen, die man im privaten Bereich macht, aber gross. Man kann sich nicht in einem Verein engagieren. An zwei Wochenenden pro Monat sind wir am Arbeiten. Das wird nicht genügend abgegolten. Die unregelmässigen Arbeitszeiten belasten zudem die Gesundheit. Man müsste 80 Prozent arbeiten können. Dafür wäre der heutige Lohn jedoch zu tief. Die Anerkennung ist von daher noch zu wenig da.
   Lukas von Arx: Andere, die im Gesundheitsbereich arbeiten und eine vergleichbare Ausbildung haben, verdienen mehr, Ergo- und Physiotherapeuten zum Beispiel.
   Gabriela von Arx: Unser Lohn steigt zudem nur begrenzt an. Das Berufsbild hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Wir haben zunehmend mit multimorbiden Patienten zu tun. Für deren Pflege braucht man viel Fachwissen. Wie zentral unsere Arbeit für den Behandlungserfolg ist, wird zu wenig gesehen. Viele denken immer noch, dass es vor allem auf den Arzt ankommt.

Welches sind aus Ihrer Sicht die drängendsten Probleme in der Pflege?
   Lukas von Arx: Sicher der Personalmangel.
   Gabriela von Arx: Und der Zeitdruck. Die Pflege muss immer mehr abdecken, aber die Zeit, die man zur Verfügung hat, bleibt gleich.
   Lukas von Arx: Vor allem für Gespräche fehlt die Zeit.

Werden sie nicht als wichtig erachtet?
   Gabriela von Arx: Man kann sich fragen, ob sie zu wenig Priorität haben. Es fällt jedenfalls am wenigsten auf, wenn sie weggelassen werden. //


GABRIELA VON ARX (27)
schloss 2014 das Bachelorstudium in Pflege an der ZHAW ab. Davor hatte sie in einem Altersheim eine Lehre zur Fachangestellten Gesundheit gemacht. Heute ist sie auf einer interdisziplinären Abteilung am Universitätsspital Zürich tätig.

LUKAS VON ARX (24)
wird in diesem Sommer an der ZHAW sein Bachelorstudium in Pflege beenden. Nach der Matura studierte er zuerst ein Semester Erdwissenschaften an der ETH und leistete darauf in einem Altersheim Zivildienst. So ist er mit dem Pflegeberuf in Kontakt gekommen.

MATTHIAS VON ARX (24)
studiert ebenfalls an der ZHAW Pflege. Er hat das Studium ein Jahr nach seinem Zwillingsbruder aufgenommen und wird 2019 abschliessen. Zurzeit absolviert er ein Praktikum am Universitätsspital Zürich. Nach dem Gymnasium studierte er für kurze Zeit an der ETH sowie an der Pädagogischen Hochschule Zürich. Im Zivildienst hat er erstmals in der Pflege gearbeitet.

«Vitamin G», Seite 30


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