Wer sich in Zürich mit nachhaltigen Startups im Bereich Klima und Kreislaufwirtschaft oder mit Social Entrepreneurs beschäftigt, wird früher oder später auf Laurène Descamps treffen. Seit über vier Jahren ist sie beim Impact Hub Zürich beschäftigt und war 2022 bei der Forbes 30 under 30 aufgelistet. Im Interview erzählt sie, wie sich junge Menschen fürs Klima einsetzen können und wieso sie das Masterstudium in Umwelt und Natürliche Ressourcen an der ZHAW abgebrochen hat.
Du bist schon seit langem in verschiedensten Klimaschutz-Projekten aktiv. Was würdest du einer jungen Studentin raten, die neu anfangen will, sich für den Klimaschutz einzusetzen?
Laurène Descamps: Zu Beginn war ich von den Herausforderungen im Klimabereich überwältigt. Ich würde empfehlen, mit etwas Kleinem zu beginnen, z. B. an einem Klimastreik oder an einem Event zur Klimakrise teilzunehmen. Es gibt so viele Angebote und damit so viele Möglichkeiten, sich mit Gleichgesinnten zu vernetzen. Wenn du dich mit Menschen umgibst, die sich für dasselbe einsetzen, findest du genug Dinge, mit denen du starten kannst. Und dann entwickelt sich das Engagement wie ein rollender Schneeball, es wächst immer weiter.
«Ich finde Motivation in dem Druck, den ich spüre, die Klimakrise zu bekämpfen. Es ist kein Sprint, sondern ein Staffellauf mit vielen anderen Menschen.»
Laurène Descamps
Wie du erwähnt hast, kann die Klimakrise überwältigend wirken und Angst machen. Wie motivierst du dich und wie gehst du damit um?
Ich denke, ich habe das Glück, von Natur aus eine enthusiastische Person zu sein. Ich denke nicht, dass man von allen erwarten kann, dass sie ihre ganze Energie ihrem Engagement widmen. Es ist wichtig, dass man auf sich selbst aufpasst und schaut, wie viel man überhaupt geben kann. Auch ich suche immer wieder Auszeiten, verbringe viel Zeit in der Natur und in den Bergen. Aber ich finde auch Motivation in dem Druck, den ich spüre, die Klimakrise zu bekämpfen. Es ist kein Sprint, sondern ein Staffellauf, den ich bewältigen möchte. Ich werde diesen Lauf nur mit Hilfe von vielen anderen Menschen mein Leben lang machen können. Und es soll ja auch Spass machen. Aber ich lese immer wieder Berichte und sehe, wie dringend die Thematik ist, was mir immer wieder einen Schub gibt.
Nicht nur in Nachhaltigkeitsbereichen bist du bekannt, du wurdest auch ausgezeichnet als Digital Shaper in den Jahren 2020-2022. Du findest aber, dass wir nicht immer komplexere und schnellere Technologien für die Nachhaltige Entwicklung benötigen. Was braucht es denn deiner Meinung nach?
Ich bin dankbar, aber auch überrascht, dass ich als Digital Shaper ausgezeichnet wurde. Meine Haltung gegenüber Technologien kommuniziere ich offen: Wir können nicht all unsere Probleme mit neuen Technologien lösen. Dieser Technologie-Lösungs-Ansatz ist meines Erachtens ein Grund dafür, dass wir überhaupt in der Klimakrise gelandet sind. Mit Technologien werden oft nur Symptome bekämpft, ohne das zugrunde liegende Problem anzugehen. Um eine gerechte Zukunft zu schaffen, müssen wir unsere Gesellschaft komplett neu organisieren. Das geht weit über Technologien hinaus und umfasst auch Werthaltungen und Änderungen in unserem Handeln. Es geht darum, diese Werthaltungen auf allen Ebenen zu verbreiten. Wir wissen, was wir erreichen müssen, zum Beispiel eine Reduktion der jährlichen CO2-Emissionen auf zwei Tonnen pro Person. Wir müssen soziale Innovationen vorantreiben, anstatt uns ausschliesslich auf technologische Innovationen zu konzentrieren.
«Mit Technologien werden oft nur Symptome bekämpft, ohne das zugrunde liegende Problem anzugehen»
Laurène Descamps
Du hast dein Teilzeitstudium an der ZHAW nach vier Semestern abgebrochen. Lag es an der fehlenden Zeit mit all den anderen Projekten?
Das war ein Punkt. Ich habe bemerkt, dass meine Wochen und Wochenenden vor dem Laptop meine Lebensfreude beeinträchtigen und ich nicht genug Energie hatte, um mich zu erholen. Wir alle haben nur 24 Stunden am Tag, und es ist wichtig, Prioritäten zu setzen. Ich hatte kaum Zeit, mich stark genug in die Themen des Studiums zu vertiefen. Daher habe ich mich für meine Arbeit entschieden, mit der ich direkt etwas bewegen kann.
Trotzdem habe ich im Studium viel gelernt. Ich verstehe Begrifflichkeiten und komplexe Zusammenhänge besser, beispielsweise in der Ökobilanzierung oder in Diskussionen zu Label-Thematiken. Ich fand es spannend neue Kontakte zu knüpfen und hatte auch die Gelegenheit, ein Forschungsprojekt zu entwickeln, um in das lokale Foodsystem von Wädenswil einzutauchen.
Wie siehst du die Rolle der ZHAW, sich zu engagieren und der Gesellschaft bei der Transformation zu einer klimagerechten Zukunft zu helfen?
Als angewandte Hochschule sind interessante Partnerschaften mit Startups möglich, die Unterstützung bei kleineren und grösseren Themen benötigen. Es wäre schön, wenn sie in Klimathemen noch stärker als Schnittstelle zwischen der Wissenschaft und den Pionier:innen aus Wirtschaft, Gemeinden und Gesellschaft agieren würde. Eine Fachhochschule wie die ZHAW hat viele Hebel, auch indem sie Themen an die Studierenden bringt, um mit ihnen als Multiplikator:innen Klimaziele zu erreichen.
Interview: Nico Frommherz, Titelbild: ©Jasmin Frei
Die Blogserie «humans4sustainability@ZHAW» stellt Studierende und Mitarbeitende der ZHAW vor, die sich persönlich für nachhaltige Entwicklung engagieren.
Du hast einen Vorschlag? Dann schreib uns: sustainable@zhaw.ch