50 plus Massnahmen: Mehr als Marketing?

Kuno Ledergerber

Seit vielen Jahren wird das Thema 50 plus auf dem Arbeitsmarkt erörtert. Am weitaus häufigsten wird darüber diskutiert, wie die Generation 50 plus, vor allem die Langzeitarbeitslosen, wieder in den Arbeitsmarkt integriert werden können. Zusätzlich erforscht die Wissenschaft schon seit Jahrzehnten, wie sich die Fähigkeiten im Alter verändern und welche Auswirkungen daraus für die Leistungsfähigkeit abgeleitet werden können. Die Perspektive der Unternehmen, welche ältere Mitarbeiter beschäftigen und auch entlassen, wird allerdings sehr viel weniger eingenommen. Ich möchte mich deshalb in diesem Blog-Artikel mit der Frage auseinandersetzen: Welches Interesse haben die Unternehmen, im Speziellen die Grossunternehmen, am Thema 50 plus überhaupt und welche Massnahmen setzen sie um?

Dazu folgende Thesen zu 50 plus

Nach der Auswertung diverser Workshops mit Unternehmen komme ich zum Schluss, dass für die meisten Grossunternehmen die Frage 50 plus eine sehr untergeordnete Bedeutung hat. Die Erkenntnisse können in einigen, durchaus provokativen Thesen wie folgt zusammengefasst werden:

  • Strategien (Weshalb, Was) fehlen weitgehend. Der Umgang mit 50 plus zeigt sich in operativen Massnahmen – Frühpensionierungen, Weiterbildung, Bogenkarriere!
  • Das Thema wird an HR delegiert, weil der politische Druck zunimmt. Für das Top-Management ist der Faktor Arbeit ausschliesslich ein Kostenfaktor.
  • Die kurzfristigen wirtschaftlichen Ziele lassen sich auch ohne 50 plus erreichen – trotz Fachkräftemangel.
  • Die Frühpensionierungen haben zum Ziel, die Flexibilisierung der Workforce voranzutreiben.
  • Der betriebswirtschaftliche Fokus steht im Mittelpunkt. Volkswirtschaftliche und gesellschaftspolitische Rahmenbedingungen und Auswirkungen werden vernachlässigt/ausgeblendet.

Weshalb aber treiben einzelne Grossunternehmen Frühpensionierungen voran, wenn sie gleichzeitig durchaus beeindruckende Massnahmen wie Bogenkarrieren, Weiterbildungen und interne Beratungen anbieten, um die Mitarbeitenden 50 plus im Unternehmen zu halten? Stehen die Frühpensionierungsprogramme wirklich im Widerspruch zu den übrigen Massnahmen?

50 plus als Kostenfaktor

Die Antwortet lautet: Nein. Denn der primäre Zweck einer Unternehmung ist es, wettbewerbsfähig zu bleiben! Kurzfristig gibt es offenbar keinen unmittelbaren Leidensdruck. Deshalb ist es auch möglich, trotz Fachkräftemangel auf die Kompetenzen und Erfahrungen der älteren Mitarbeiter zu verzichten. Sie sind offensichtlich vor allem ein Kostenfaktor und verhindern mittelfristig den angestrebten Umbau der Workforce. Die Frühpensionierungen werden damit begründet, dass der im Zusammenhang mit der Digitalisierung notwendige Skill Shift nur durch die Verjüngung der Workforce erreicht werden kann. Aus kurzfristiger betriebswirtschaftlicher Sicht ist dieses Verhalten durchaus nachvollziehbar. Damit dieses Vorgehen intern und extern nicht zu stark kritisiert wird, braucht es aber offensichtlich weitere Massnahmen, die als Argumente gegen Kritiker der Frühpensionierungen und Entlassungen vorgebracht werden können.

Marketing versus gesellschaftliche Herausforderung

Die operativen Massnahmen der HR Abteilungen dienen kurzfristig alleine dazu, die Öffentlichkeit und die Mitarbeiter darüber informieren zu können, dass Angebote für 50 plus zur Verfügung gestellt werden. Es handelt sich oft um interne und externe Marketing-Aktionen, die auf den Employer Brand einzahlen sollen. Aus gesellschaftspolitischer Perspektive kann natürlich zu Recht argumentiert werden, dass grosse soziale Probleme auf uns zukommen werden, wenn immer mehr ältere Menschen keine Arbeit mehr finden. Für Unternehmen, nüchtern betrachtet, wird das allerdings erst dann zu einer Bedrohung, wenn Märkte zusammenbrechen oder die Finanzierung der Sozialversicherungen nicht mehr sichergestellt werden kann. Die in diesem Zusammenhang von Arbeitnehmervertretungen geforderten Massnahmen wie bspw. Kündigungsschutz für ältere Mitarbeiter sind eher Forderungen aus dem zu Ende gehenden Industriezeitalter. Sie werden das Problem kaum lösen und genauso wenig zur Aufrechterhaltung der Wettbewerbsfähigkeit beitragen. Auch hier könnte man zum Schluss kommen, dass es sich um Marketing-Massnahmen handelt.

Erfolgreiche Unternehmen haben eine Strategie

Erfolgreiche, weitsichtige Unternehmen setzen hingegen auf eine langfristig ausgerichtete Strategie. Die Aufrechterhaltung der Wettbewerbsfähigkeit ist stark davon abhängig, wie der prognostizierte Skill Shift bewältigt werden kann. Die klassischen Berufsprofile und die damit verbundenen Abschlüsse, sind sowohl für Arbeitnehmer, als auch für Unternehmen kein Garant mehr wettbewerbsfähig zu bleiben. Deshalb wird das Alter der Mitarbeitenden sehr schnell durch die Frage der fehlenden Kompetenzen ersetzt werden. Diverse Studien zeigen auf, welche Fähigkeiten für die Zukunft wichtig sein werden: Human skills such as creativity, originality and initiative, critical thinking, persuasion and negotiation will likewise retain or increase their value, as will attention to detail, resilience, flexibility and complex problem-solving. Emotional intelligence, leadership and social influence as well as service orientation are… (WEF. Future of Jobs 2018). Die Herausforderungen der Digitalisierung erfordern nebst kognitiven und sozialen Fähigkeiten auch sogenannte Passion skills! Die „Leidenschaft“ oder die Frage „wer für was und weshalb brennt“, wird immer wichtiger werden. Die Fähigkeiten Initiative zu ergreifen, Verantwortung zu übernehmen, Erfahrungen einzubringen mit dem Ziel komplexe Probleme und herausfordernde Veränderungen meistern zu können, ist keine Frage des Alters!

Fazit

Die kurzfristigen Massnahmen für 50 plus in Unternehmen einzelner Branchen sind weitgehend Marketing-Aktionen, die auf den Employer Brand einzahlen sollen. Die Frühpensionierungen sind durchaus gewollt, weil dadurch der Umbau der Workforce vorangetrieben werden kann. Erfolgreiche Unternehmen beschäftigen sich demgegenüber mit der langfristigen Sicherstellung der Kompetenzen innerhalb des Unternehmens und diese Herausforderung hat wenig mit dem Lebensalter der Mitarbeiter zu tun!

 


1 Kommentar

  • Sehr gute Punkte. Stimme voll zu.

    Wir wissen aufgrund von Deep und Big Data-Analysen in den Datenpools von Hogan Assessments, dass sich die Persönlichkeit von Personen unterschiedlicher demografischer Variablen viel mehr ähneln, als dass sie sich unterscheiden.

    Organisationen, die “Fachkräftemangel” oder “War for Talent” beklagen, haben die große Chance Ihre Talent-Pools erheblich zu vergrößern, in dem sie Frauen, Mitarbeitern in Teilzeit, Personen mit Migrationshintergrund und eben älteren Mitarbeiter bei Stellenbesetzungen systematisch berücksichtigen. Dafür ist aber natürlich mehr nötig, als gutes Personalmarketing.


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