Lüge und Wahrheit im Management

Lüge und Wahrheit im Management

Prof. Dr. Mathias Schüz

Wie Deutschland „postfaktisch“ erklärte der Oxford Dictionary  „post-truth“ zum Wort des Jahres 2016. Anlass war die Wahlkampagne von Donald Trump. Fact-Checker wiesen alleine in einer seiner Wahlkampfreden 71 Lügen nach. Seine Wähler schreckte dies nicht ab.

Weltweiter Vertrauensverlust von CEOs

Verliert die Wahrheit auch im Geschäftsleben ihre Bedeutung, und entwickelt sich das Lügen zu einem weit verbreiteten Laster? Wenn man Edelmanns neuesten „Trust Barometer“ Glauben schenkt, ist im letzten Jahr weltweit das Vertrauen der Bevölkerung in die vier Schlüssel-Institutionen Regierung, Geschäft, Medien und NGOs stark zurückgegangen. Zum Beispiel fiel die Glaubwürdigkeit von CEOs um 12 Prozentpunkte auf 37%. Nur Regierungschefs schnitten mit 29% noch schlechter ab.

Tausch und Täuschung

Im Gegenzug sind in vielen Ethikkodizes von Firmen Integrität und Wahrhaftigkeit die am meisten gewünschten Tugenden. Das ist durchaus nachvollziehbar, denn jede geschäftliche Transaktion basiert auf Tausch, der nur dann akzeptabel ist, wenn beide Seiten sich als fair erweisen. Sonst wird der Tausch zur Täuschung. Je mehr sich allerdings ein Tausch als unfair erweist, weil einer der Tauschpartner den anderen bezüglich der Qualität der versprochenen Leistung belogen hat, desto mehr verliert er das Vertrauen des anderen. Mit dem Vertrauensverlust der Stakeholder steigen jedoch naturgemäss die Transaktionskosten. Denn dann müssen teure Anwälte oder Fact-Checker die Wahrhaftigkeit des Angebots detailliert prüfen. Wenn also Lügen zunehmend die Wahrheit im Management ersetzen, dürfte dies auf Grund des Vertrauensverlustes der betroffenen Stakeholder ökonomische Kosten verursachen.

Typische Lügen in der Chefetage

In vielen Chefetagen hat sich dies offenbar noch nicht herumgesprochen. Im Gegenteil! Gesundes Misstrauen ist angesagt. Denn Lügen sind dort nicht erst seit gestern omnipräsent. Wenn Chefs verlautbaren: „Bei uns ist der Mensch Mittelpunkt“ suggeriert dies den Respekt vor dessen Würde. Häufig meinen sie jedoch, dass er „Mittel ist, Punkt Ausrufezeichen“. Ähnlich die Aussage: „Wir wertschätzen unsere Mitarbeiter“, die eigentlich bedeutet: „Wir schätzen den Wert der Mitarbeiter für uns genau ab“. Eine ethisch verantwortungsvolle Führungskraft wird solche Doppelbödigkeiten vermeiden und im Klartext das zum Ausdruck bringen, was er eigentlich im Sinn hat, selbst wenn damit manchmal auch unangenehme Wahrheiten verbunden sind.

Kontext und Konsequenzen von Lüge und Wahrheit

Allerdings sollte sie immer auch prüfen, ob sie mit einer wahren Aussage Geschäftsgeheimnisse verlautbart, die besser nicht veröffentlicht worden wären. Dies musste nach vielen Jahren Gerichtsverhandlungen die Deutsche Bank zur Kenntnis nehmen. Dessen früherer CEO, Rolf Breuer, hatte einmal die Bonität seines Kunden, Leo Kirch, öffentlich in Frage gestellt. Dadurch alarmierte er die anderen Kreditgeber und beförderte auf diese Weise dessen Firma in den Bankrott. Dafür wurde die Bank kürzlich zu 900 Mio. Euro Schadenersatz an die Familie Kirch verurteilt. Auf diese Weise erwies sich eine wahrhaftige Aussage als eine der teuersten in der Geschichte.

Ergänzende Ethiken

Ethisches Verhalten ist also mehr als nur die starre Befolgung von vermeintlich einfachen Regeln wie „Du sollst nicht lügen“. Es bezieht die Konsequenzen genauso mit ein wie den Kontext. Auf diese Weise ergänzen sich Pflichten-, Nützlichkeits- und Tugendethik – auch im Management.


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert