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Maschinelle Übersetzung in der Schule – IUED@school zeigt, wie’s geht

Künstliche Intelligenz ist in aller Munde und verbreitet sich rasend schnell. Auch für Lehrer:innen wird es immer schwieriger, echt von künstlich zu unterscheiden und in der Schule einen konstruktiven Umgang mit KI zu finden. Im Rahmen des Projekts IUED@school besuchen Expert:innen des IUED Institut für Übersetzen und Dolmetschen der ZHAW Mittelschulen und zeigen Schüler:innen und Lehrpersonen, worauf sie beim Einsatz von KI und maschineller Übersetzung achten müssen. Moira Savoca, Studentin des Bachelor Mehrsprachige Kommunikation und Mitglied der Studi-Redaktion, hat Mattia Turra zu einem Workshop am Gymnasium Friedberg in Gossau begleitet. Spoileralarm: KI kann heute bereits Texte «uf Schwyzerdüütsch» übersetzen.

Autorin:  Moira Savoca, Studentin Bachelor Mehrsprachige Kommunikation und Mitglied der Studi-Redaktion*

Die Zugfahrt von Winterthur nach Gossau führt uns vorbei an der idyllischer Thurgauer und Sankt Galler Landschaft, die sich geküsst von der strahlenden Morgensonne von ihrer allerbesten Seite zeigt. Unweit vom Bahnhof Gossau befindet sich ein kleines, aber feines Gymnasium: das Gymnasium Friedberg.  

Auf dem Schulplatz wird Mattia Turra, Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur Mensch-Maschine-Kommunikation, von Andrea Bogensperger herzlich begrüsst. Sie ist eine unübersehbar aufgestellte Person mit wallenden, grosszügigen haselnussbraunen Merida-Locken und einem breiten, sympathischen Lächeln. Sie ist die Prorektorin des Gymnasiums und Französisch-Lehrerin. In dieser Funktion wird sie tagtäglich mit KI-generierten Texten und Übersetzungen konfrontiert. Entsprechend ist es ihr ein Anliegen, bei den Schüler:innen einen verantwortungsbewussten Umgang mit KI zu fördern. Frau Bogensberger führt uns durch das Hauptgebäude zum Schulzimmer, um es für die Präsentation vorzubereiten und um die technischen Voraussetzungen zu testen. PC angeschlossen, Internetzugang bereit, die Präsi läuft, ein kurzes Abstimmungsgespräch. Danach geniessen wir vor dem (An)Sturm gemeinsam noch einen Kaffee.

KI und maschinelle Übersetzung am Gymnasium Friedberg

Pünktlich um 9.00 Uhr kommen die Schüler:innen ins Schulzimmer. Andrea Bogensperger stellt uns auf Französisch vor. Die Schüler:innen haben Jahrgang 2006 oder 2007. Sie sind also 15 bis 16 Jahre alt und gehören zur Generation Z: Die Generation, die quasi mit dem Smartphone in der Hand geboren ist und zu den Digital Natives gehört.

Mattia steht vorn in gewohnt engagierter Manier. Er begrüsst die Klasse mit seinem unverwechselbaren italienischen Charme und gibt einen Überblick zum Thema. Er ist solche Präsentationen und den Umgang mit jungen Erwachsenen gewohnt. Die Schüler:innen werden mit Fragen und Mitmachaufgaben zur Interaktion aufgefordert. Dabei teilt sich das Publikum auf in die Tuschelfraktion, das Schweigen des Friedbergs und mutig aktive Teilnehmer:innen. Als die Lehrerin jedoch andeutet, dass sich sicherlich alle schon KI für Schulaufgaben zu Nutze gemacht haben, herrscht plötzlich Totenstille. In meinem Kopf kann ich die Grillen zirpen hören und ich kann nicht anders, als mit den ertappten Schüler:innen mitzufühlen.

Ich stelle mir vor, wie ich als Jugendliche in diesem Klassenzimmer gesessen wäre und Mattia zugehört hätte. Bestimmt hätte ich als Gen Z-Gymi-Schülerin auch auf KI zurückgegriffen. Es gehört zur menschlichen Natur, Neues auszuprobieren, der Versuchung nachzugeben und sich das Leben zu vereinfachen, denke ich. Genau deswegen ist es wichtig, einen bewussten Umgang mit der KI zu entwickeln und ihn nicht kategorisch zu verbieten, denn das wäre utopisch und kontraproduktiv.

Was KI-basierte neuronale maschinelle Übersetzung (NMT) heute schon kann

Mattia beginnt seine Präsentation mit einem eindrücklichen Beispiel eines KI-generierten Videos des Unternehmens HeyGen, das KI-Tools für die Videosynchronisierung anbietet. Darin spricht ein junger Mann in mehreren Sprachen, aber nur scheinbar.  Er wurde nämlich nur in einer Sprache aufgenommen. Alles andere macht das Tool. Die KI produziert die verbale Übersetzung in mehrere Sprachen und synchronisiert grafisch die dazugehörigen Lippenbewegungen. So kann ein Video mit sprechenden Personen in acht verschiedenen Sprachen wiedergegeben werden. Die Schüler:innen hören Mattia fasziniert zu.

Ein Upload – und schon spricht die Person im Video eine andere Sprache. ©ZEIT ONLINE

Danach folgt die Geschichte der maschinellen Übersetzung. Bereits in den 50er-Jahren beschäftigt sich das Unternehmen IBM mit der einfachen automatischen Wort-für-Wort-Übersetzung. Heute sind wir bei einer (vermeintlich!) nahezu fehlerfreien neuronalen maschinellen Übersetzung angekommen.

Neuronale maschinelle Übersetzung einfach erklärt

Die neuronale Übersetzung basiert auf Algorithmen und ist so konzipiert, dass sie das sprachliche Äquivalent eines Satzes, d.h. die Übersetzung, aufgrund riesiger Sammlungen von Datensätzen (Korpora) generiert. Sie funktioniert nach wie vor auf Satzebene (d.h. nicht satzübergreifend) und ist beim Abfragen von einzelnen Begriffen noch immer mit einem klassischen Wörterbuch bzw. den entsprechenden Online-Tools wie pons.com & Co. unterlegt. Dadurch fehlt ihr der Satzkontext zur Berechnung der richtigen Übersetzung. Entsprechend entstehen bei Übersetzungen von etwa Schloss (Burg oder Türschloss) bzw. Bank (Finanzinstitut oder Sitzbank) noch immer Verwechslungen.

Was menschliche Übersetzer:innen können, maschinelle aber nicht

Auch wenn die KI-gestützten Übersetzungen aufgrund der riesigen Datenmengen oft recht gut sind, fehlt ihnen gegenüber menschlichen Übersetzungen jedoch einiges. Dem Computer fehlen menschliche Kompetenzen wie Kreativität, Interpretationsfähigkeit und Sprachgefühl und er kennt auch den Kontext einer Kultur bzw. eines Landes nicht. Das heisst, er kann eine Übersetzung nicht lokalisieren.

Bilinguale und multilinguale Menschen stellen ausserdem fest, dass neuronale maschinelle Übersetzer durchaus nicht in allen Sprachen eine hochwertige oder korrekte Übersetzung generieren. Auch das wurzelt in der Datengrundlage, die für gute Qualität nicht in allen Sprachen breit genug ist.

Des Weiteren sind die neuronalen Übersetzer noch immer von sozialen Stereotypen geprägt, die durch die mathematische Verteilung in den Korpora entstehen. So wird der geschlechtsneutrale englische Ausdruck «the lovely blond surgeon» beispielsweise auf Französisch in «la belle chirurgienne blonde» (also «die hübsche, blonde Chirurgin») übersetzt, und das, weil die Wörter «hübsch» und «blond» in den Korpora statistisch häufiger für weibliche Personen verwendet werden.

KI-basierte Übersetzungen sind von sozialen Stereotypen geprägt.

Und umgekehrt wird auf Deutsch die weibliche «Chirurgin» mit dem männlichen französischen Pendant «chirurgien» übersetzt, weil statistisch mehr Texte von männlichen Chirurgen handeln. Immerhin werden heute auch antistereotypische Alternativen angeboten, aber diese müssen die Nutzer:innen selbst auswählen.

Statistische Häufigkeiten können zu fehlerhaften Übersetzungen führen.

Neuronale maschinelle Übersetzer sind grossartige Helfer, aber wir müssen ihre Tücken kennen

Professionelle menschliche Übersetzer:innen kennen die Tücken neuronaler Übersetzer und wissen sie bewusst zu umgehen. So sind sie grossartige Helfer im Übersetzungsbusiness. Aber auch als Laien sollten wir uns ein paar Gedanken machen, bevor wir maschinelle Übersetzung benutzen, nicht zuletzt aus Gründen der Privatsphäre, des Umweltbewusstseins und wegen Plagiatsrisiken. Denn, was viele nicht wissen: Neuronale Übersetzer speichern die zu übersetzenden Texte als Trainingsdaten, ohne die Qualität der Texte zu prüfen oder den Datenschutz zu berücksichtigen. Und der entstehende Energieverbrauch ist bei Onlinediensten äusserst beachtlich und ausgesprochen umweltschädlich. Des Weiteren können die Texte, auf denen die Übersetzungen basieren, urheberrechtlich geschützt sein. Wenn wir eine maschinell erstellte Übersetzung nutzen, besteht also die reelle Gefahr, dass wir uns des Plagiats schuldig machen.

Highlights für die Schüler:innen: Maschinelle Übersetzung «uf Schwyzerdütsch»

Als Zückerchen zum Schluss teilt Mattia mit der Schülerschaft die Homepage Textshuttle.com. Die Schweizer Firma bietet KI-basierte maschinelle Übersetzungen an – in einer Beta-Version sogar «uf Schwyzerdütsch»! 😊 Die Schüler:innen dürfen die Tools ausprobieren und haben ganz offensichtlich Spass daran.

Schüler:innen am Gymnasium Friedberg im IUED@school-Workshop zur maschinellen Übersetzung.

Bei der Frage, was die Schüler:innen am meisten beeindruckt hat, ist denn auch der Schweizerdeutsch-Übersetzer zuoberst im Ranking, dicht gefolgt von den falschen Übersetzungen, von denen ich ein Beispiel hier anführen möchte:

So wurde das deutsche Nomen Zug bis vor Kurzem von DeepL auf Französisch mit dem Verb former (ausbilden) übersetzt. Warum? DeepL basiert auf Englisch und hat somit Zug zuerst in train übersetzt, das 1. «Zug» und 2. «ausbilden» bedeuten kann. Für die Übersetzung ins Französische wurde dann dummerweise die falsche Bedeutung gewählt, was zur Übersetzung former geführt hat. Dieser Fehler wurde in der Zwischenzeit korrigiert.

Übersetzung über eine Relais-Sprache kann überraschende falsche Übersetzungen hervorbringen (hier bei DeepL).

Die falschen Übersetzungen können zustande kommen, weil neuronale Übersetzer den Text oft nicht direkt von einer in die andere Sprache übertragen, sondern zunächst über Englisch «kehren», d.h. Englisch als sogenannte «Relaissprache» nutzen, und erst danach in die gewünschte Zielsprache übersetzen.

Maschinelle Übersetzung im Bachelor Mehrsprachige Kommunikation

Mir hat der IUED@school-Einsatz ungemein Spass gemacht und ich hätte mir gewünscht, ich hätte als Gymi-Schülerin selbst so eine Einführung erleben dürfen. Im Bachelor Mehrsprachige Kommunikation lernen wir Studierende professionell mit neuronaler maschineller Übersetzung und KI-generierten Texten zu arbeiten und wir werden geschult, wie wir KI am besten nutzen können. Die rapide Entwicklung dieser Tools jedoch erfordert, dass die Nutzer:innen bereits früher für die Herausforderungen von KI-Tools sensibilisiert werden, denn ein gekonnter Umgang mit diesen Tools gehört einfach zum Alltag. Umso wichtiger ist es, dass die Nutzer:innen wissen, was sie tun und worauf sie achten sollen. KI zu verbieten ist keine nachhaltige Lösung, Hand in Hand mit ihr zu gehen ist der konstruktivere Weg.

Mehr zu IUED@school

IUED@school ist ein kostenfreies Angebot für Berufsmittelschulen und Kantonsschulen. Unter dem Namen IUED@school führt das IUED Institut für Übersetzen und Dolmetschen der ZHAW Schüler:innen (ab 15 Jahren) und Lehrpersonen in die Sprachtechnologien der Zukunft ein. Denn, die Welt der Sprachen wird durch Künstliche Intelligenz noch faszinierender.

Angeboten werden Workshops Themen wie:

  • Maschinelle Übersetzung und warum wir trotzdem noch Fremdsprachen lernen
  • Übersetzen und Skills, die es für funktionierende Kommunikation zwischen Kulturen braucht
  • Untertitelung von Filmen
  • Audiodeskription, die aus Bildern Worte macht
  • Dolmetschen: Hexerei oder Handwerk?
  • Anforderungen an die menschliche Kreativität beim Schreiben und Übersetzen sowie
  • Automatische Textgenerierung: Chancen und Risiken (Workshop für Lehrpersonen)

Wir freuen uns auf Ihre Kontaktaufnahme!


* In der Studi-Redaktion produzieren Studierende im Bachelorstudiengang Kommunikation multimediale Beiträge für die Kommunikationskanäle des Departements Angewandte Linguistik der ZHAW. Sie sind in dieser Rolle Teil des departementalen Kommunikationsteams, bringen erworbene Kompetenzen aus dem Studium ein und lernen dabei die Redaktionsabläufe in einem Coporate Newsroom kennen.


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