Studiengangleitung des Bachelorstudiengangs Sprachliche Integration Oliver Winkler und Marina Petkova

Sprachliche Integration hautnah miterlebt

Seit vergangenem Jahr leiten Marina Petkova und Oliver Winkler gemeinsam den neuen Bachelorstudiengang Sprachliche Integration an der ZHAW. Im Interview erzählen die beiden unter anderem, was ‘Sprachliche Integration’ für sie persönlich bedeutet, wie Sprache(n) unsere individuellen Sichtweisen beeinflussen und was sie sich für die nahe Zukunft des neuen Bachelorstudiengangs wünschen.

von Stefanie Krüsi, Kommunikationsverantwortliche ILC Institut of Language Competence

Welchen Bezug habt ihr zum Thema Sprachliche Integration?

Marina Petkova: Die sprachliche Integration ist Teil meiner Biografie. Ich bin in Bulgarien aufgewachsen und kenne das Gefühl des ‘Ausgeschlossen-Seins’, wenn man die Sprache nicht spricht. Ich kenne aber auch die Freude der Zugehörigkeit, die ich jetzt empfinde, da ich Dialekt und Standardsprache spreche und mit dem komplexen sprachlichen Arrangement der Deutschschweiz vertraut bin. (Sprachlich) integriert zu sein, bedeutet, sich als Teil einer Gemeinschaft zu fühlen, sich neu verwurzeln zu können, sich in seiner Umgebung wohl zu fühlen. Da ich es aus eigener Erfahrung kenne, möchte ich mich dafür einsetzen, damit es durch Fachkompetenz auch anderen Menschen ermöglicht wird.

Oliver Winkler: Ich habe keinen Migrationshintergrund, bin in einem kleinen Dorf in der Schweiz aufgewachsen und relativ früh in die Stadt gezogen. Das war für mich damals ein erster Kulturschock. Noch während des Studiums bin ich nach Finnland ausgewandert und habe dort acht Jahre gelebt. In Finnland habe ich viele gute, aber auch einige schwierige Momente bei der Integration in die Gesellschaft erlebt und auch hautnah erfahren, was es heisst, einer sehr kleinen Sprachminorität (Schwedisch) ‘anzugehören’. 

Würdet ihr selbst nochmals vor der Studienwahl stehen, für welche Studienrichtung würdet ihr euch entscheiden?

Winkler: Mein Interesse an Sprach(en), vor allem aber auch an Kommunikation und Gesprächsführung ist auch nach jahrelanger Beschäftigung mit dem Thema sehr gross. Es ist gut vorstellbar, dass ich wieder ein Sprachstudium in Angriff nehmen würde. Ich war immer auch interessiert an Fragestellungen der Psychologie. Gut möglich, dass es mich auch in diese Richtung ziehen würde.

Petkova: Die Sprache bleibt auch bei mir eine grosse Leidenschaft, ich würde kaum eine andere Studienrichtung wählen. Auch das Interesse für Geschichte, mein zweites Studienfach, bleibt bestehen. Beides sind Fächer, in denen es um Menschen und Kulturen geht, und die uns helfen, die Welt besser zu verstehen.

Warum braucht es Fachkräfte auf dem Gebiet der sprachlichen Integration?

Petkova/Winkler: Um an den gesellschaftlichen und politischen Entwicklungsprozessen teilzuhaben, in den Arbeitsmarkt einzusteigen oder sich darin zu entwickeln, braucht es gute sprachliche und kommunikative Kompetenzen. Diese werden nicht nur vom Gesetz her, sondern vor allem auch von Seiten der Unternehmen und der Industrie eingefordert. Damit Erwachsene in ihrer sprachlich-kommunikativen Entwicklung gefördert werden können, braucht es ein breites didaktisches und fachliches Wissen sowie Sozialkompetenz. In den Vorabklärungen zum Marktpotenzial unseres Studiengangs konnten wir aufzeigen, dass es an Fachkräften mit diesem Kompetenzprofil mangelt.

Welche Bedeutung hat Sprache in unserem mehrsprachigen Alltag? Wie beeinflussen Sprache(n) unsere individuellen Sichtweisen und Weltanschauungen?

Petkova/Winkler: Wer täglich zwei oder mehrere Sprachen spricht, hat sicher schon erlebt, dass sich die eine Sprache in einer Situation manchmal besser eignet als die andere. Die Wörter und Sätze sind keine Hülsen, sondern haben etwas mit Menschen, Geschichten, Erfahrungen, Erinnerungen und Emotionen zu tun. In verschiedenen Sprachen zu kommunizieren bedeutet auch, verschiedene Lebenswelten zu kennen und sich darin zurechtzufinden. Umgekehrt kann man sagen, dass mangelnde Kenntnisse der Sprache(n) die Teilhabe an einer Gesellschaft verhindern oder erschweren können. 

Hat die Corona-Krise die Berufsaussichten für Absolventen verändert?

Winkler: Leider befinden wir uns noch immer in Mitten der Pandemie. Welche gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Konsequenzen die Corona-Pandemie nach sich zieht, ist aktuell nur schwer abzuschätzen. In unserem Studiengang legen wir grossen Wert auf die Förderung des kritischen, kreativen, agilen sowie sozialen Denkens und Handelns. Das sind Kompetenzen, die unabhängig von aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen Kernkompetenzen in einer zunehmend digitalisierten und vielfältig vernetzten Gesellschaft sind.

Was hat eure Laufbahn als Studiengangleitung bisher geprägt?

Petkova: Der Fernunterricht bringt es mit sich, dass sich Studierende und Dozierende nicht treffen können. Dennoch haben wir uns gut darin arrangiert, die Kommunikation über digitale Kanäle fühlt sich bereits natürlich an. Gleichzeitig sind wir im Unterricht die meiste Zeit mit ausgeschalteter Kamera, um die Verbindung nicht zu sehr zu belasten. So sehen wir anstatt der Gesichter unserer Studierenden ihre Profilbilder, die ein buntes Sammelsurium von Motiven darstellen. So verbinde ich mit bestimmten Namen die Vorstellung von einer Comicfigur oder eines Sonnenuntergangs, von einer Katze oder von einem Hochhaus. 😉

Warum soll jemand Sprachliche Integration an der ZHAW studieren?

Petkova/Winkler: Mit diesem Studium entscheidet man sich für ein zukunftsorientiertes Berufsfeld, das spannende Tätigkeiten in verschiedenen Organisationen im In- und Ausland eröffnet. Zudem legt die Grundlage für eine sinnerfüllte Tätigkeit, da im Zentrum dieser Ausbildung der Mensch als Individuum in seiner individuellen sprachlich-kommunikativen Entwicklung steht. Wer sich gleichermassen für Menschen und Sprachen bzw. Kommunikation interessiert, findet im Studiengang viele spannende Themen und praktische Möglichkeiten, die eigenen Ideen und Visionen – sei dies im In- oder Ausland – zu verwirklichen.

Was wünscht ihr euch für die nahe Zukunft des Bachelorstudiengangs Sprachliche Integration und dessen Studierende?

Petkova/Winkler: Wir wünschen uns einen erfolgreichen Studiengang, der auch in Zukunft viele interessante und wissbegierige Menschen anzieht, die sich bei uns weiterentwickeln wollen. Auch wünschen wir uns, dass der Studiengang ein Forum ist für die kritische Auseinandersetzung mit verschiedenen, kontroversen politischen und gesellschaftlichen Sichtweisen. Für unsere Studierende wünschen wir uns, dass sie das Studium persönlich und beruflich weiterbringt und natürlich, dass sie ihre Ziele und Visionen umsetzen können.

Wie habt ihr das allererste Semester der Durchführung des Bachelor Sprachliche Integration erlebt? Welche drei Schlagworte kommen euch als erstes dazu in den Sinn?

Petkova/Winkler: Kommunikationsintensiv – lehrreich – dynamisch

Und noch eine Frage zum Abschluss: Welches Land möchtet ihr – nach Corona – bereisen und dessen Kultur kennenlernen?

Petkova: Ich würde gerne nach Italien und nach Griechenland reisen, beides Länder, die ich eigentlich bereits gut kenne. Mit beiden verbindet mich eine Art Heimatliebe, obwohl sie nicht meine ‘offizielle’ Heimat sind. Die Lebensfreude und Natürlichkeit, das kulturelle Erbe auf Schritt und Tritt, das einfache Leben fernab der Touristenpfade, die täglichen Rituale der Menschen… Ich freue mich auf die Zeit, in der ich dies alles wieder erleben darf.

Winkler: Ich würde gerne in die USA reisen und verschiedene Teile des Landes kennenlernen. Ich habe dort zwar keine persönlichen Kontakte, verfolge aber auf verschiedenen Kanälen die gegenwärtigen politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen. Auch landschaftlich interessiert mich das Land.


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1 Kommentar

  • Ein scheinbar kleines Detail, das mir aber beim Lesen deutschsprachiger Übersetzungen fremdsprachiger Bücher aufgefallen ist:

    Bekanntlich ist das Übersetzen von Redewendungen eine der schwierigsten Aufgaben, mit denen sich Übersetzerinnen und Übersetzer konfrontiert sehen. Meist versucht man, eine in der Zielsprache gebräuchliche Redewendung zu finden, die dem Inhalt der quellsprachlichen Redewendung so nahe wie möglich kommt.

    Weshalb aber nicht die Redewendung möglichst wörtlich von der Quell- in die Zielsprache übersetzen? Das Resultat mag ungewohnt klingen – das soll es auch, um uns wachzurütteln: He, dieser Text kommt ja aus einer andern Kultur! Der Sinn ist aber in den meisten Fällen ohne weiteres verständlich; wenn nicht, kann man die fremde Redewendung ja in einer Fußnote erläutern. Jedenfalls würde das die Sprachen und dadurch letztlich sogar die Kulturen … nein, nicht “verwässern”, sondern gegenseitig bereichern!

    Die Übersetzerinnen und Übersetzer sollen das doch einfach mal probieren; wer weiß, vielleicht fließt dieses Prinzip irgendwann sogar in die Ausbildung ein!


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