Linguistik-Praktikum mal anders

Fiona Makulik strebt eine Karriere in der Wissenschaft an. Die Studentin der Universität Greifswald steht kurz vor ihrem Masterabschluss mit einer letzten Haltestelle: dem Praktikum. Der Weg führt sie ans Institute of Language Competence. Hier absolviert die angehende Sprachwissenschaftlerin ein Praktikum in Digital Linguistics aus 1054 km Distanz. Ein Erfahrungsbericht über ein Online-Praktikum in der Wissenschaft.

von Fiona Makulik (Greifswald), ehemalige Praktikantin Digital Linguistics, Institute of Language Competence

Seit meinem Bachelorstudium in Germanistik und Philosophie, den ich in Bremen abschloss, wusste ich genau, dass ich Sprachwissenschaftlerin werden möchte. Ich war fasziniert von den Möglichkeiten, die wir durch unsere Fähigkeit zu sprechen, haben; Möglichkeiten, die wir ganz selbstverständlich Tag für Tag nutzen, um mit anderen zu interagieren. Da ich schon immer eine grosse Leidenschaft für die Wissenschaft hatte, war ich schnell angefixt. Ich wollte lernen, wie man systematisch beschreibt, was für mich so selbstverständlich war: die Sprache. Deshalb spezialisierte ich mich in meinem Masterstudium und entschied mich für die Vertiefung Sprache und Kommunikation. Ebenso war es mir stets wichtig, parallel dazu in der Praxis Erfahrungen zu sammeln. Deshalb war ich bemüht, Jobs für studentische Hilfskräfte zu ergattern und entsprechende Praktikumsplätze zu finden.

Ein Praktikum in Digital Linguistics aus 1054 km Distanz

Nachdem ich bereits eine Zusage für ein Praktikum an einer Universität in Deutschland im Bereich der Sprachwissenschaft hatte, musste dieses leider erst verschoben und schlussendlich auf Grund der Pandemie abgesagt werden. Ich war zugegeben etwas verzweifelt, denn wie sollte ich nun mein Studium abschliessen können? Ich sah nur noch eine Möglichkeit: Ich kontaktierte meinen ehemaligen Dozenten Philipp Dreesen, der unterdessen Professor für Digital Linguistics an der ZHAW ist. In Bremen, wo ich meinen Bachelor gemacht habe, war er einst mein Dozent und Vorgesetzter. Philipp war sofort von der Idee, dass ich ein Praktikum bei ihm machen sollte, begeistert. Innerhalb kürzester Zeit war alles geklärt und im September 2020 hatte ich bereits meinen ersten Arbeitstag, allerdings nicht vor Ort, sondern im Homeoffice. Es war schon etwas ungewöhnlich, dass ich das Team nie in Persona kennenlernen konnte oder dass ich nie vor Ort in Winterthur am Institute of Language Competence war. Während meines vierwöchigen Praktikums trennten mich nicht weniger als genau 1054 km von diesem Institut.

Fiona hat ihr Praktikum am ILC aus 1054km Distanz absolviert.

Um mir selbst die ungewöhnliche Situation etwas zu erleichtern, stellte ich mir vor, ich befinde mich in einer intensiven Prüfungsvorbereitung, denn daran bin ich gewohnt und auch das mache ich jeweils vom heimischen Schreibtisch aus. Und ja, das Praktikum war mindestens so intensiv wie eine Prüfungsphase. Es war aber eine sehr wertvolle Erfahrung. Die Aufgaben, wie zum Beispiel Akteure für das neue Covid-19 Korpus zusammenzusuchen, war vielfältig, das Team freundlich und respektvoll, die Gespräche ebenso amüsant wie interessant. Ich konnte also nicht nur viel lernen, wie zum Beispiel über das Zusammenspiel von Praxispartnern und Wissenschaft, sondern ich habe durch meine Laptopkamera und mein Mikrofon sehr spannende Menschen kennengelernt, welche herausragende Forschung im Bereich der Angewandten Linguistik als transdisziplinär orientierte Sprachwissenschaft betreiben und damit eine Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Gesellschaft entwickeln.

Neue Erfahrung als Dozentin für Diskurslinguistik

Zwei wichtige Sachen habe ich direkt zu Beginn gelernt: In der Schweiz duzt man sich, was für mich eher ungewöhnlich war. An deutschen Universitäten ist das Siezen allgegenwärtig. Obwohl ich vor meinem ersten Online-Meeting mit den neuen ArbeitskollegInnen nervös war, half mir die Du-Kultur, mich schnell als Teil des Teams zu fühlen. Zweitens kommt man nicht darum herum, Literatur zu recherchieren und zu lesen, wenn man in der Wissenschaft arbeitet, so dass ich auch während des Praktikums viel Zeit mit verschiedenen Büchern verbracht habe. Das hat sich gelohnt. Meine erste grosse Aufgabe war die Planung und Durchführung einer Lehrveranstaltung in der Rolle der Dozentin mit dem Thema «Einführung in die Diskurslinguistik». Ausserdem bekam ich den Auftrag, einen Workshop für das Team zum Thema «Qualitative Methoden der Analyse und Interpretation» zu erarbeiten. Dafür suchte ich mir die Themen Argumentations- und Frameanalyse aus, wozu ich ein Konzept entwarf und ein Programm für drei Stunden vorbereitete. Mein Highlight waren jedoch die Gespräche, die ich mit den Forschenden der Digital Linguistics führen konnte, sowie die Betreuung durch Philipp.

Fazit des Linguistik-Praktikums

Aus meiner Praktikumszeit am Institute of Language Competence im Fachbereich Digital Linguistics konnte ich definitiv vieles mitnehmen. Die guten Diskussionen mit meinen sehr interessanten ArbeitskollegInnen werde ich nicht mehr vergessen. Auch darüber, dass ich nicht immer von Anfang an alles wissen muss, bin ich mir bewusst geworden. Doch dass es überhaupt zu diesem Praktikum kam, habe ich wohl meinem Mut zu verdanken. Also denkt daran: Scheut euch nie, nachzufragen. Wenn ihr irgendwo praktische Erfahrungen sammeln möchtet, ist es der einfachste Weg, eine freundliche Mail zu verschicken und eure Situation zu schildern. Das Schlimmste, was passieren kann, ist eine freundliche Absage zu bekommen. Fragen lohnt sich also. Immer.


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