Wie man Grenzen zwischen Privat- und Arbeitsleben ziehen kann und warum es das nicht immer braucht.
Text: Birgit Werkmann-Karcher
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An selbst gewählten Orten, zu selbst bestimmten Zeiten, arbeiten zu können, gilt als eine Errungenschaft der Arbeitswelt 4.0. Viele Erwerbstätige haben darauf gehofft, dass auch ihr Betrieb bald das Arbeiten im Homeoffice und damit mehr Flexibilität ermöglichen würde. Nun sind innerhalb kürzester Zeit Teleheimarbeitsplätze in enormem Ausmass entstanden. Das Office ist in der Wohnung untergebracht, neben Kindern, Tisch und Bett. Wir müssen nicht mehr zwingend aus dem Haus, um zur Arbeit zu gehen; ja wir müssen uns dafür nicht einmal mehr passend anziehen, und eigentlich könnte man doch auch den ganzen Tag im Bett sitzen bleiben.
Was geschehen ist, ist das Verschwinden von äusserlichen Grenzen zwischen Lebensbereichen, die man verkürzt auf «Arbeit» versus «privat» reduzieren kann. Üblicherweise signalisieren uns Räume: «du bist jetzt im Modus Arbeit», und «jetzt bist du im Modus privat». Diesen Signalcharakter haben wir im Dauer-Homeoffice nicht mehr. Arbeit und Privatleben verschmelzen.
Der einzige Ausweg ist, die Grenzen selbst neu zu setzen. Doch zuerst sollte man herausfinden, ob man überhaupt das Bedürfnis danach hat.
Segmentierer oder Integrierer
Nicht jeder Mensch braucht das gleiche Mass an Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben. Ob Sie zu denjenigen gehören, die gerne eine klare Trennung zwischen beiden Lebensbereichen haben, können Sie anhand folgender Fragen beantworten:
- Wie wichtig ist es mir bisher gewesen, dass meine Arbeit ausschliesslich ausserhalb meiner Wohnung stattfindet?
- Habe ich bisher Arbeit mit nach Hause gebracht?
- Habe ich je Arbeitskollegen zu mir nach Hause oder Familienmitglieder zum Arbeitsort gebracht?
- Verwende ich identische Taschen / Rucksäcke / Schlüsselbunde / Gebrauchsutensilien (wie Kaffeebecher) für Arbeit und privat?
- Trage ich in beiden Lebensbereichen die gleichen Kleidungsstücke?
Wenn Sie die erste Frage mit «sehr» und die folgenden Fragen mit «Nein» beantwortet haben, entsprechen Sie eher der Beschreibung eines Segmentierers, also einer Person, die beide Lebensbereiche strikt getrennt hält.
Daneben gibt es Mischtypen, die in manchen Themen segmentieren und in anderen nicht. Sogenannte Integrierer brauchen weniger bis keine Trennung zwischen beiden Bereichen, um sich wohl zu fühlen. Wer sich eher zu den Integrierern zählt, dürfte ein geringeres Bedürfnis haben, die folgenden Strategien umzusetzen. Für Separierer können sie eine Hilfe sein, innerhalb der eigenen vier Wände klare Kanten zwischen die Bereiche zu setzen. Selbst wenn es auf wenigen Quadratmetern geschehen muss.
Raumstrategien: Überlegen Sie sich, an welchem Platz Sie arbeiten und welcher Raum für Nicht-Arbeit steht. Wenn der Arbeitsplatz der Küchentisch ist, an dem zwischendurch gegessen wird, ist es wichtig, alle Symbole der Arbeit (Laptop, Unterlagen, Stifte, Kabel, alles!) abzuräumen und dort, wo die Arbeit liegen darf, zu verstauen.
Zeitstrategien: Planen Sie Ihren Arbeitstag zeitlich durch und halten Sie sich so gut als möglich daran. Setzen Sie sich Ziele für die einzelnen Tage. Wenn Sie weniger Arbeit haben, planen Sie eine Verkürzung oder freie Blockzeiten ein.
Erreichbarkeit: Vereinbaren Sie mit der Chefin oder dem Chef und dem Team die Erreichbarkeiten im Dauer-Homeoffice.
Übergangsrituale: Überlegen Sie sich, was Ihnen helfen könnte, den Privatmodus zu verlassen und sich in den Arbeitsmodus zu versetzen: Kleidung, Getränke, sich von der Familie ins Homeoffice verabschieden, Joggen vor Beginn oder nach Abschluss der Arbeit usw. Suchen Sie sich Ihr Übergangsritual.
Birgit Werkmann-Karcher ist Beraterin und Dozentin am IAP Institut für Angewandte Psychologie und Studienleiterin u.a. des MAS Human Resources Management und DAS Personalpsychologie.