Gut beraten – aber wie?

Nach welchen Kriterien wird in der Laufbahnberatung ein gutes Ergebnis bemessen? Und noch wichtiger: Wie wird gute Qualität sichergestellt?

Von Barbara Moser, Beraterin und Dozentin am IAP Institut für Angewandte Psychologie

Wenn ich im Laden um die Ecke mit dem Camenbert meinen Lieblingskäse kaufe, so weiss ich ziemlich sicher, was mich erwartet. Ich kenne den Geschmack, die Konsistenz und das typische Aussehen. Mit anderen Worten: Die Qualität ist sichergestellt. Wie aber verhält es sich, wenn meine Klienten eine Dienstleistung wie eine Laufbahnberatung einkaufen?

Eine wichtige Frage, die jedoch gar nicht so leicht zu beantworten ist. Grund dafür ist, dass das «Produkt» der Laufbahnberatung besondere Merkmale aufweist, die es deutlich von einem Produkt wie dem Camenbert unterscheidet: Während bei einer Käsesorte ein Rezept oder definierter Herstellungsprozess dafür sorgt, dass ein immer gleiches Produkt entsteht, ist das in der Beratung entstehende Produkt auf den jeweiligen Menschen zugeschnitten – also immer einzigartig, individuell und kaum zu standardisieren. Die Beratung ist ein komplexes Zusammenspiel von zwei Individuen. Dabei stellt die Interaktion zwischen mir als Beraterin und einer Klientin oder einem Klienten den entscheidenden Erfolgsfaktor dar. Die Klientin oder der Klient wird dabei immer auch zum «Co-Produzenten» des gemeinsamen Endprodukts. Beraten ist stets Beziehungsarbeit und dafür gibt es kein Rezept. Eine Folge davon: Das Ergebnis oder der Erfolg sind letztlich nicht vorhersagbar – oder zeichnen sich erst mit zeitlicher Verzögerung ab. Hinzukommt, dass viele Faktoren ausserhalb der Beratung ebenfalls einen Einfluss darauf haben, ob ein gesetztes Laufbahnziel wie eine neue Stelle erreicht werden kann. Ich denke hier zum Beispiel an die Wirtschaftslage, die spezifische Arbeitsmarktsituation oder unvorhergesehene Lebensereignisse. All dies erschwert das Festlegen von überprüfbaren Qualitätskriterien.

Qualitätsprüfung ist möglich

Für mich als Beraterin wäre ein einfacher Schluss zur eingangs gestellten Frage: «Ich gebe mir Mühe – den Rest überlasse ich dem Zufall.» Doch so einfach machen wir es uns nicht. Die stetige Überprüfung der eigenen Beratungsqualität ist eine Pflicht jeder Beratungsperson, und sie ist keineswegs ein Ding der Unmöglichkeit. Aus der Literatur der Beratungs- und Therapie-Forschung sowie aus der Beratungspraxis lassen sich einige Werkzeuge und Massstäbe für eine gute Beratung ausmachen. Diese werden häufig in Input, Prozess und Output-Kriterien unterteilt. Zum Input zählen etwa die spezifische fachliche Qualifikation der Beratungsperson, ihre kontinuierliche Fortbildung oder die Ausstattung ihres Büros. Beim Prozess ist der eigentliche Beratungsprozess angesprochen. Aus der Forschung ist bekannt, dass eine vertrauensvolle und tragfähige Beziehung, in welcher sich der Klient akzeptiert und aufgehoben fühlt, die Basis für eine gute Zusammenarbeit ist. Für mich als Beraterin bedeutet dies: Ich begegne meinen Klienten wertschätzend, ohne Vorbehalte, mit echtem Interesse und meiner ganzen Aufmerksamkeit. Trotz aller Bemühungen ist es von Anfang an wichtig, dass Beraterin und Klient darauf achten, ob die Chemie zwischen ihnen wirklich stimmt. Zentral ist überdies eine sorgfältige Auftrags- und Zielklärung, denn diese bestimmt die Reichweite der Beratung: Auf welche Fragen oder Anliegen soll nach Antworten gesucht werden? Für welche bin ich allenfalls auch nicht die passende Ansprechperson? Weiter werden die Arbeits- und Lebenssituation des Klienten erkundet, wobei aktuelle Bedürfnisse und Ziele, aber auch Kompetenzen, Ressourcen, Interessen und allfällige Stolpersteine identifiziert werden. Schliesslich geht es darum, den Klienten beim Entwickeln von konkreten Lösungsalternativen zu unterstützen. Zum Schluss einer Beratung wird gemeinsam mit dem Klienten im Gespräch evaluiert, inwiefern er – oder sie – das gesetzte Beratungsziel erreichen konnte. Regelmässige Fallbesprechungen im Team, in der Einzel- und Gruppensupervision oder die Analyse von Video-Sequenzen aus Beratungen stellen dabei wichtige Instrumente für mich als Beraterin dar, um mein Handeln während des Beratungsprozesses zu reflektieren und gegebenenfalls anzupassen.

Mit guten Instrumenten Veränderungen verfolgen

Was ist nun aber mit dem eigentlichen Output einer Laufbahnberatung? In unserer Abteilung Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung am IAP versuchen wir seit gut drei Jahren, diesen Output oder die Wirkung standardisiert zu erfassen. Hierzu setzen wir ergänzend zur Überprüfung der Prozessqualität einen Fragebogen ein, der von den Psychologen Hansjörg Künzli und Stephan Toggweiler an der ZHAW entwickelt wurde. Mit diesem Fragebogen kann ich als Beraterin im Sinne eines Monitorings verfolgen, ob es in Dimensionen wie Wohlbefinden, Zielklarheit, Entscheidungssicherheit oder Vertrauen in Entwicklungsperspektiven im Laufe der Beratung zu Veränderungen und im besten Fall natürlich zu einem Zuwachs kommt. Ein Zuwachs gilt als Hinweis darauf, dass die Klientin oder der Klient einem Entscheid näher gekommen ist, der für sie oder ihn stimmig ist. Konkret laden wir unsere Klienten schon im Vorfeld der Beratung ein, nach Abschluss der Beratung sowie drei Monate danach einen kurzen Fragebogen auszufüllen. Auf diese Weise erhalten wir als Beratungspersonen nicht nur Rückmeldung dazu, wie zufrieden Klienten mit der Beratung waren, sondern sehen auf einen Blick, ob es in einer oder mehrerer der Zieldimensionen zu einem Zuwachs und damit zu einer positiven Veränderung kam.

Einen klaren Fokus setzen

Ich erinnere mich an einen jungen Mann, der im Fragebogen vor der Beratung einen hohen Wert im Bereich Informiertheit aufwies, jedoch deutlich tiefere Werte in den Dimensionen Entscheidungssicherheit und Zielklarheit erreichte. Im Gespräch bestätigte er, dass er sich bereits eingehend über Weiterbildungen informiert habe, sich aber noch nicht sicher sei, welche ihm wirklich entsprechen würde. Dank des Einbezugs dieses ersten Fragebogens konnte er sein Ziel mehr Sicherheit in der beruflichen Entscheidung konkreter formulieren. So legten wir in der Beratung den Fokus von Anfang an auf die Klärung seiner Motive, Interessen und Kompetenzen. Waren diese erst einmal identifiziert und benannt, fiel es ihm leichter, konkrete berufliche Ziele zu formulieren und die gesammelten Weiterbildungsideen entsprechend zu priorisieren. Am Ende des letzten Beratungstermins äusserte er sich zufrieden, und diese Zufriedenheit wurde auch im Abschlussfragebogen durch deutliche Zunahmen im Bereich Entscheidungssicherheit und Zielklarheit sichtbar.

Und was heisst das jetzt mit Blick auf den Camenbert? Wirklich sichergehen, dass eine Beratung für meine Klientinnen und Klienten zum gewünschten Ergebnis führt, kann ich nicht. Aber ich kenne die richtigen Zutaten, weiss, was ich während des Herstellungsprozesses beachten sollte und habe professionelle Instrumente zur Hand, mit denen ich den Prozess überprüfen kann. Ich muss die Beratung also nicht dem Zufall überlassen. Im Gegenteil: Die Chancen stehen gut, dass daraus kein Käse wird.


Zur Autorin
Barbara Moser arbeitet als Beraterin und Dozentin am IAP Institut für Angewandte Psychologie. Sie begleitet junge Erwachsene bei der Berufs- und Studienwahl sowie der beruflichen Laufbahnplanung. Ein weiterer Arbeitsschwerpunkt bildet Qualitätsmanagement in der Weiterbildung und Beratung. Barbara Moser studierte Psychologie an der Universität Zürich und spezialisierte sich berufsbegleitend auf Beratungs- und Laufbahnpsychologie.


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert