Wer mit internationalen Ansprechpartnern arbeitet, kennt das: Abmachungen werden missverstanden, Verhandlungen laufen ins Leere oder müssen mehrfach neu aufgenommen werden. Speziell im chinesischen Markt können Kommunikationsschwierigkeiten zu frustrierenden und kostspieligen Verzögerungen führen.
Von Stefanie Neumann, Dozentin und Beraterin am IAP Institut für Angewandte Psychologie
Kommunikation ist eine Ebene, die grossen Einfluss auf Verhandlungen und Geschäftsabschlüsse hat. Gerade im westeuropäischen Raum geht man häufig davon aus, dass sich alle Beteiligten aufgrund einer offensichtlichen Zustimmung oder auch nicht expliziten Ablehnung während der Gespräche den Massnahmen gegenüber verpflichtet fühlen. Meine eigenen beruflichen und privaten Erfahrungen mit dem ostasiatischen Kulturkreis, vor allem mit China, zeigen jedoch eine andere Tendenz. Erwartete Handlungen, z.B. in Vertragsgesprächen mit chinesischen Partnern, folgen diesen Grundsätzen nicht wie erwartet. Im Gegenteil: Manchmal kam es zu unterschwelligem Widerstand bei den chinesischen Vertretern, während gleichzeitig von Schweizer Seite der Druck auf die Vertragspartner erhöht wurde. Ein Aspekt solcher Missverständnisse ist das kulturell unterschiedliche Kommunikationsverhalten beider Parteien.
Botschaften werden auf vielfältige Art vermittelt
Nach Hall (1990) ist eine „low context“-Kultur von einer direkten Kommunikationsweise geprägt. Hier wird versucht, alle notwendigen Elemente einer Botschaft sprachlich explizit auszudrücken. In einer Kultur mit „high context“ oder indirekter Kommunikation werden elementare Botschaften auch implizit, non-verbal und als Teil der Gesprächssituation vermittelt. Dabei finden sich Unterschiede auch in Tempo, Rhythmus und Synchronizität der Sprechweisen. All diese Komponenten haben erhebliches zusätzliches Gewicht für die Aussage. Meine Erfahrung hat mir gezeigt, dass z.B. von chinesischer Seite häufig Botschaften gesandt wurden, die zwar verbal nicht explizit zum Ausdruck gebracht wurden, sich aber aufgrund des „Nicht-Gesagten“ einem Partner dieses Kulturkreises mit dem Wissen um die bestehenden Rollen, Stati und Beziehungen zwischen den Sprechern erschlossen hätten. Hinzu kommen Informationsverluste, die sich aus dem Gebrauch von Englisch als Lingua Franca ergeben. Die im internationalen Geschäft oft übliche virtuelle Kommunikation über Telefon- oder Videokonferenzen erschwert das gegenseitige Verständnis zusätzlich.
Experten der Partnerkultur beiziehen
Ein Grossteil der Frustration bei Verhandlungen lässt sich vermeiden, wenn man einen Partner der Zielkultur an der Seite hat, der bei der Decodierung wie auch bei der kulturadäquaten Versendung der Botschaften unterstützt. Auch das Einberufen physischer Treffen mit allen Beteiligten, um den Bedürfnissen und Erwartungen von Vertretern kollektivistischer, „high context“-Kulturen begegnen zu können, ist eine hilfreiche Unterstützung. Grundsätzlich sollte man sich Vertretern eines anderen Kulturkreises sensibel annähern, mit einer wertfreien, respektvollen Grundhaltung. Durch Vorinformationen über kulturelle Gegebenheiten im Zielland, den offenen Austausch mit Partnern, die mit westlichen Verhaltensweisen – und damit auch einer direkteren Feedback-Kultur vertraut sind – wie auch dem fortwährenden Überprüfen der Wirkung des eigenen Handelns ist ein guter Grundstein für erfolgreiche Geschäfts- und private Beziehungen gelegt.
Ein weiterer Beitrag von Stefanie Neumann zur interkulturellen Kompetenz:
Die Kunst, den Geschäftspartner zu verstehen.
Zur Autorin
Stefanie Neumann ist Dozentin und Beraterin am IAP Institut für Angewandte Psychologie im Zentrum für Leadership, Coaching & Change Management. Ihre Schwerpunkte sind die Themen Kommunikation, Coaching, Teamentwicklung, Selbstmanagement, Begleitung von Veränderungsprozessen und interkulturelle Kompetenz. Bevor Stefanie Neumann ans IAP kam war sie 15 Jahre in der Finanzbranche tätig, davon fünf Jahre für die Region Ostasien und später als Führungsperson im Bereich der globalen Leadership- und Talententwicklung. Ihre Erfahrung bringt sie auch im Weiterbildungskurs Interkulturelle Kompetenz im Führungsalltag ein, der auf Deutsch und neu auch auf Englisch angeboten wird.
Interkulturelle Kompetenz im Führungsalltag
Im Weiterbildungskurs Interkulturelle Kompetenz im Führungsalltag – erfolgreich kommunizieren und kooperieren vertiefen die Teilnehmenden ihre interkulturelle Führungskompetenz anhand aktueller Forschungserkenntnisse und durch die Reflexion der eigenen Kultur. Sie erweitern damit ihr Handlungsrepertoire für eine effektive und angemessene Interaktion mit Partnern anderer Kulturkreise.
Weiterführende Literatur
Hall, Edward T., Hall, Mildred Reed (1990). Understanding cultural differences. Boston: Intercultural Press.
Hofstede, Geert (2001). Culture’s Consequences: Comparing Values, Behaviors, Institutions, and Organizations Across Nations. 2nd Edition, Thousand Oaks CA: Sage Publications.
Kammhuber, Stefan (2004). Interkulturelles Management. Schriften des MBA-Fernstudienprogrammes. Koblenz: ZFH.
Thomas, Alexander, Schroll-Machl, Sylvia, Kammhuber, Stefan, Kinast, Eva-Ulrike (Hg.) (2. Auflage 2005). Handbuch Interkulturelle Kommunikation und Kooperation: Band 1. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.