Die Plattform Laufbahndiagnostik kombiniert Psychologie mit Informationstechnologie. Sie bietet Laufbahnberatern und ihren Klienten die Möglichkeit einer schnellen Auswertung der wichtigsten Fragebogen zur Persönlichkeit. Bis heute haben mehr als 10‘000 Personen die Plattform genutzt.
von Markus Graf, wissenschaftlicher Assistent, Berufs-, Studien- & Laufbahnberatung
Der Einzug von Informationstechnologien macht auch vor der Psychologie nicht Halt. Statistikprogramme und Textverarbeitung waren über einen langen Zeitraum die einzigen Berührungspunkte von Psychologie und Informatik. Heutzutage kommen aber immer mehr spezialisierte Informatikanwendungen zum Einsatz. So verschwindet beispielsweise der Fragebogen, der mit Papier und Bleistift ausgefüllt wird. Heute werden Fragebogen vermehrt online oder über Testsysteme grosser Testverlage erhoben.
Das Projekt „Plattform Laufbahndiagnostik“
Alles begann vor rund dreieinhalb Jahren. Ich sah mich gerade nach einem neuen Projekt um, als Marc Schreiber, der Leiter der Berufs-, Studien- & Laufbahnberatung am IAP, mit einer neuen Idee auf mich zukam. Die Kunden hatten den Wunsch, nach dem Ausfüllen eines Fragebogens, automatisch ein Profil präsentiert zu bekommen. Diese Idee klang simpel. Es musste doch möglich sein, Online-Fragebogen zu erstellen, deren Resultate anschliessend als Profil dargestellt werden konnten. Erste Recherchen liefen aber ins Leere. Zwar gab es diverse existierende Lösungen mit deren Hilfe man Online-Umfragen durchführen konnte, doch verfügten diese nicht über die nötigen Funktionalitäten für ein fertiges Profil. Wir mussten feststellen, dass für das Bedürfnis unserer Kunden noch keine Lösung existierte. So mussten wir eben selbst eine Lösung erfinden. Als Software-Entwickler und Psychologiestudent konnte ich die Brücke zwischen der Informationstechnologie und der Psychologie schlagen. Ich begann, die nötigen Anwendungen selbst zu programmieren. Die Ressourcen waren knapp und die erste Version, die online ging, war abenteuerlich und experimentell. Doch die Plattform wurde von Anfang an rege genutzt, und immer mehr Fragebogen kamen hinzu.
Wenn die Datenanalyse zur Programmierung wird
Schon bald wurde klar, dass die Plattform nicht nur den Beratungsprozess vereinfachte, sondern auch für die Forschung interessante Daten lieferte. Der Fragebogen zur Erfassung der Karriereorientierungen wurde schon zu Beginn mit der Absicht implementiert, diese Daten auch aktiv auszuwerten. Doch die Analyse eines Fragebogens ist die eine Sache. Die Reproduzierbarkeit und die Handhabung von grossen Datenmengen ist eine Andere. Die Fragebogen auf der Plattform Laufbahndiagnostik wurden seit ihrer Entstehung über 25’000 mal beantwortet. Alleine das Exportieren solcher Datenmengen wurde zur Herausforderung und musste optimiert werden. Um die Daten kontinuierlich auszuwerten wurden standardisierte Skripte entwickelt mit deren Hilfe die Daten jederzeit exportiert und analysiert werden können. Der Psychologe wurde zum Programmierer – und umgekehrt. Die erste Version lehrte uns, dass der Einsatz zu starrer Technologie Einschränkungen mit sich bringt und Chancen verbaut. Zusätzlich stellte sich schnell die Frage nach dem Datenschutz. Viele Anbieter speichern ihre Daten auf irgendwelchen internationalen Servern. Persönliche psychologische Daten haben dort nichts zu suchen. Deshalb war es uns wichtig, die Daten auf regionalen Systemen unter Schweizer Gesetzen zu betreiben. All dies waren Gründe, die Entwicklung der Plattform in der eigenen Hand zu behalten und weiter voran zu treiben.
Forschung und Anwendung gehen Hand in Hand
Aus der ersten, eher experimentell anmutenden Version, ist mittlerweile ein integrales Werkzeug für Beratung, Weiterbildung und Forschung geworden. Da die ursprüngliche Technologie den Anforderungen schon bald nicht mehr gerecht wurde, entschieden wir uns vor zwei Jahren, die komplette Plattform von Grund auf nochmals neu zu programmieren. Mittlerweile stehen auf der Plattform Laufbahndiagnostik 12 Fragebogen zur Verfügung. Sie behandeln Themen wie Persönlichkeit, Motive und Interessen einer Person. Die daraus resultierenden Profile werden mit einer Beschreibung der im Fragebogen enthaltenen Dimensionen ausgegeben. Dadurch wird die Interpretation der Resultate erleichtert. Seit Kurzem sind auch die statistischen Kennwerte öffentlich zugänglich. Die daraus generierten Daten, fliessen wiederum aktiv in die Entwicklung neuer Instrumente ein. So sind einerseits Inhalte für Kongressbeiträge und Publikationen entstanden. Andererseits kommt die Plattform auch exemplarisch in der Aus- und Weiterbildung zur Anwendung. Studierende und angehende Beratungspersonen können die entwickelten Instrumente testen und studieren. Durch die so entstehende Symbiose zwischen Anwendung und Forschung profitiert unter dem Strich jeder, denn die Plattform ist aufgrund ihres Forschungsnutzens kostenlos zugänglich und damit für jeden nutzbar. Mehr als 10‘000 Personen haben die Plattform bis heute für ihre Weiterentwicklung eingesetzt.
Wie funktioniert die Plattform Laufbahndiagnostik?
Will jemand beispielsweise mehr über seine beruflichen Werthaltungen oder Persönlichkeit erfahren, kann er oder sie sich auf der Plattform registrieren und den Fragebogen zur Erfassung der Karriereorientierungen oder einen der Fragebogen zur Erfassung der Persönlichkeit bearbeiten. Die Fragebogen bauen auf Multiple-Choice-Antworten auf und beinhalten Fragen wie etwa „Ich strebe nach Aufgaben, bei welchen ich mein Expertenwissen einsetzen kann“ oder „Andere beschreiben mich manchmal als unkonventionell“. Direkt im Anschluss wird ein individuelles Profil mit Erklärung präsentiert. Anhand dieses Profils kann man sich beispielsweise mit seiner beruflichen Laufbahn auseinandersetzen. Um Fehlinterpretationen zu meiden und die Auswertung möglichst zielgerichtet einzusetzen, empfehlen wir aber, die Profile mit einer ausgewiesenen Fachperson zu besprechen. Weitere Informationen finden Sie unter www.laufbahndiagnostik.psychologie.zhaw.ch.
Zum Autor:
Markus Graf ist wissenschaftlicher Assistent am IAP Institut für Angewandte Psychologie der ZHAW. Nach der Ausbildung zum Systemtechniker begann er als Software-Entwickler zu arbeiten. 2012 entwarf er die Plattform Laufbahndiagnostik, die er seither konstant weiterentwickelt. Berufsbegleitend studiert er Psychologie an der Universität Zürich.