von Prof. Dr. Nicole Rosenberger, Professorin für Organisationskommunikation und Management, und Markus Niederhäuser, Leiter Weiterbildung, beide am IAM
Die Kieser Training AG ist vor allem die Geschichte eines Mannes, der konsequent seinen Weg ging. Vor 50 Jahren gründete Werner Kieser sein erstes Kraftstudio und baute in Folge die Kieser Training AG zu einem internationalen Franchise-Unternehmen aus. Im Jubiläumsjahr haben nun er und seine Frau die Firma an den derzeitigen CEO sowie an ein VR-Mitglied verkauft. Der Gründer bleibt aber dem Unternehmen als Mentor und Ideengeber erhalten, seine Frau Dr. med. Gabriela Kieser als VR-Präsidentin. Die Konsequenz, mit der das Unternehmen Kieser über die Jahrzehnte an seiner Unternehmenspolitik festhielt, ist einmalig. Was bedeutet der Verkauf für die Unternehmensidentität und die Kommunikation?
Zuerst kurz zum «Kieser-Prinzip»: das Krafttraining erfolgt an teilweise selbst entwickelten Maschinen unter professioneller Anleitung, idealerweise zweimal pro Woche, der Trainierende geht dabei an seine Belastungsgrenze. «Der Mensch wächst am Widerstand», ist ein Lieblingssatz von Werner Kieser. Die Kraftstudios sind asketisch eingerichtet, keine Musik, keine Bar mit Drinks und keine Wellness-Angebote. Konzentration aufs Wesentliche also. «In der Kirche gibt es auch keine Saftbar», gab Kieser einmal einem Journalisten zu Protokoll.
Wer – mit wenigen Abweichungen – eine solche Philosophie über 50 Jahre durchzieht, muss sehr überzeugt sein von seinen Ideen. Und sollte damit umgehen können, dass er je nach Zeitgeist und Modetrend die eine oder andere Community gegen sich aufbringt. Werner Kieser gelang es im Laufe der Jahre, sein Prinzip über ein Franchise-System auf über 140 Studios in fünf Ländern auf zwei Kontinenten auszudehnen.
Basis des Erfolgs bildete dabei die konsequente Umsetzung der Unternehmenspolitik in die Identitätselemente Leistungsangebot, Verhalten der Mitarbeiter, Symbole und Kommunikation. In einem Franchise-System stehen dabei dem Franchisegeber nur wenige Instrumente zur direkten Durchsetzung seiner Vorgaben zur Verfügung, ist der Franchisenehmer doch ein selbstständiger Unternehmer und nur durch einen Vertrag an das Unternehmen gebunden. Kieser hat dieses Problem mit ausführlichen Handbüchern gelöst, in denen technische, administrative und kommunikative Standards beschrieben werden. Diese bilden einen integralen Bestandteil des Franchisevertrags, deren Einhaltung akribisch überprüft wird. Dadurch ist es dem Unternehmen Kieser Training AG gelungen, eine starke Unternehmensidentität aufzubauen, die bei den Zielgruppen klare Vorstellungsbilder hervorruft.
Der nun erfolgte Besitzerwechsel muss nicht zwingend grössere Konsequenzen auf die Identität und die Kommunikation des Unternehmens haben. Werner Kieser verstand sich schon immer als oberster Botschafter seiner Firma und dies wird er vorerst wohl auch bleiben. Er kann dem Unternehmen in den nächsten Jahren dank seiner hohen Bekanntheit wertvolle Dienste leisten, zum Beispiel mit Interview-Auftritten in renommierten Medien. Günstiger ist öffentliche Aufmerksamkeit nicht zu haben.
Grössere Veränderungen wären nur bei zwei Szenarien denkbar: Erstens dann, wenn die neuen Besitzer die Unternehmenspolitik stärker verändern, die Firma zum Beispiel in Richtung aktueller Lifestyle anpassen wollten. Dies wird zumindest kurzfristig kaum eintreten, haben sich die neuen Besitzer doch Kontinuität auf die Fahnen geschrieben. Auch das VR-Präsidium von Kiesers Ehefrau dürfte ein Festhalten am bisherigen Kurs fördern.
Zweitens – und dies ist irgendwann absehbar – wird der inzwischen 76-jährige Werner Kieser seine Rolle als Mentor und Botschafter ganz abgeben. Dieses Vakuum müsste in diesem Fall wieder gefüllt werden. Naheliegend wäre es dann, auf die einzigartige und authentische Figur Werner Kieser und die von ihm geprägte Unternehmensgeschichte zu setzen und daraus einen Mythos zu entwickeln.
Die Autoren haben das Fallbeispiel Kieser Training AG auf ihrer Website zum identitätsorientierten Kommunikationsmanagement ausführlich beschrieben. Der Casebeschrieb basiert auf einem Leitfadeninterview mit Werner Kieser und einer Analyse einzelner Kommunikationsmittel und Führungsinstrumente der Kieser Training AG.
Die soeben erschiene Zweitauflage des Fachbuchs «Unternehmenspolitik, Identität und Kommunikation: Modell – Prozesse – Fallbeispiele» enthält acht ausführliche Fallbeispiele zur Konzeption und Umsetzung identitätsorientierter Kommunikation der Unternehmen ABB, Sonova, PwC, Dyson Schweiz, Kubo und Trigema sowie der beiden Non-Profit-Organisationen SOS-Kinderdorf und Zoo Zürich.
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