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Wissen, was Kommunikation bewegt

Ein Blog der ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften

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Besuch einer Weltmarke

Posted on 13. November 2018 by Redaktion

Zu den globalen Unternehmen, die von der Schweiz aus operieren, gehört auch ABB. Fast 150 000 Mitarbeitende arbeiten in 100 Ländern für den Technologiekonzern. Dessen Börsenwert ist in den letzten Jahren gestiegen. Die Zentrale in Baden sorgte aber auch anderweitig für Schlagzeilen: Sie war verantwortlich für ein Vorzeigeprojekt für Unternehmenskommunikation. Das im Sommer 2018 in Zürich veranstaltete Wettrennen mit Elektromobilen („ABB Formula E“) setzte Medienkanäle unter Strom und zog die Massen auf die Strassen. 

von Prof. Dr. Peter Stücheli-Herlach, Professor für Organisationskommunikation und Öffentlichkeit am IAM und Jury-Präsident des Swiss Award Corporate Communications

Das Projekt und das dafür verantwortliche Team haben mit dem Swiss Award Corporate Communications 2018 und dem European Excellence Award 2017 schon renommierte Preise abgeräumt. Eine der Protagonistinnen des Projekts, Patricia Schmidt (Corporate Communications for Brand Transformation & Migration), war zu Besuch bei den über 140 neuen Bachelor-Studierenden des ersten Semesters. Was sie zu erzählen hatte, liess Studierende wie Dozierende hellhörig werden. Denn ihre Story vermittelte drei packende Erkenntnisse aus der und über die Praxis. Sie ist ein lebendiger Beweis für die zentrale Bedeutung der sprachlichen Vermittlung strategischer Organisationskommunikation, welche auch in den IAM-Angeboten zur Aus- und Weiterbildung im Zentrum steht.

Spitzen der OK-Praxis bei Studierenden, von links: Birgitta Borghoff (IAM, Moderation), Judith Lauber (pr suisse, Präsidentin), Patricia Schmidt (ABB), Daniel Bieri (Swiss Award Corporate Communication).

Erste wichtige Erkenntnis: Die ABB-Führung denkt die Unternehmensprozesse massgeblich auch von der Marke – und damit von Erzählungen, Messages und ihren Medien – her. Markenentwicklung ist einer von vier strategischen Schwerpunkten des Konzerns. Und wird konsequent umgesetzt – bis hin zur Entwicklung einer eigenen Schrift. Der Tatbeweis, dass Kommunikation für Organisationen von grundlegender Bedeutung ist, könnte eindrücklicher nicht sein.

Zweite wichtige Einsicht: Die Marke ist nicht nur ein positionierendes Versprechen, nicht nur ein Erscheinungsbild oder Slogan. Sie ist all das zusammen, verbunden mit Unternehmensstrukturen, -prozessen und
-leistungen, und all das gebündelt in Geschichten. Der Wandel von einer industrialisierten hin zu einer digital vernetzten und nachhaltigen Wertschöpfung ist der Plot der ABB-Markenstory. Und diese ist mit dem E-Autorennen (dem ersten seit Jahrzehnten in Zürich) sowie damit verknüpften Aktivitäten on- und offline 
wirkungsvoll erzählt worden.

Die dritte wichtige Einsicht: Wenn eine Markenstory zum Kern des „Kommunikationshaushalts“ einer Organisation wird, also die verschiedenen Prozesse, Erzählungen, Messages, Medien und Arenen miteinander zu verknüpfen in der Lage ist, dann entwickeln sich positive Rückkoppelungen wiederum auf andere Unternehmensprozesse. Patricia Schmidt erwähnte die Bedeutung, welche die Rekrutierung oder auch die Meinungen der „Kunden von Kunden“ auf die Akquisition heute besitzen. Kommunikationsqualität, Markenwert und Unternehmensgewinne hängen eben aufs Engste miteinander zusammen.

Am IAM entspann sich zwischen der jungen ABB-Vertreterin und den Studieneinsteigenden eine lebhafte Diskussion (Moderation: Birgitta Borghoff, IAM). Gerahmt wurde sie durch den Auftritt des Organisators des Swiss Award Corporate Communication, Daniel Bieri, und der neuen Präsidentin des Trägerverbands „pr suisse“, Judith Lauber: Sie vermittelte den Studierenden, welchen direkten Nutzen einzelne Aktivitäten des Verbands wie der Branchen-Newsletter, die Stelleninserate oder die Qualitätsdebatten für Karrieren haben können.


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PR in einer agonalen Welt

Posted on 25. Mai 2018 by Redaktion

Wir entkommen ihr nicht. Wo wir auch tätig sind, ist sie offensichtlich: Die agonale Verfassung unserer Welt. Darunter verstehen wir die Tatsache, dass es zu jeder Meinung eine Gegenmeinung, zu jedem Fakt einen kritischen «Check», zu jedem Vorschlag einen begründbaren Einwand gibt.

von Prof. Dr. Peter Stücheli-Herlach und Fabienne Bünzli*

Unsere Welt ist ein gigantischer Wettstreit. Die Demokratie eine ewige Debatte. Die Wissenschaft ein institutionalisiertes Werweissen. Ja, so weit ist es gekommen mit dieser Aufklärung, da sind wir gelandet in dieser schönen neuen, in dieser «postmodernen» Welt (Lyotard; Holtzhausen / Zerfass).

Eine gute Nachricht ist das für Streitlustige: Was wir wissen, das eignen wir uns in Auseinandersetzungen an. Diese entwickeln sich überall und jederzeit: An der Aktualität («bad news», «good news» oder «fake news» aus Washington?), im Fernsehen (Demokratie oder Propaganda bei Jonas Projer?), oder gar zu Hause beim Nachtessen (ist fortschrittlich oder rückständig, wer mehr private Eigenverantwortung fordert?).

Eine schlimme Nachricht aber kann es für den Alltag sein: Zu schnell ist eine gute Idee schlechtgeredet. Und die Person, die Initiative ergreift, steht schon in der Kritik, bevor sie einen Tatbeweis erbringen kann.

Organisationskommunikation – also die Wissenschaft und die Kunst arbeitsteiliger Wertschöpfung – bleibt davon nicht unberührt. Was ist eine gute Strategie in pluralistischen Kundenmärkten? Wie wäre eine Umstrukturierung Mitarbeitenden zu vermitteln, die je ganz unterschiedliche Interessen verfolgen? Wofür genau brauchen wir den zentralen Corporate Newsroom, wo doch «micro-targeting» von Messages und Diversität das Gebot der Stunde sind?

Agonalität ist Alltag geworden. Die Einheits- und Integrationsphantasien von «Corporate Communications» stehen auf dem Prüfstand des digitalisierten Meinungsmarkts (Christen / Cornelissen). Die Arbeitsfelder – gerade in der Schweiz – sind mehrsprachig und multikulturell (bei Migros und Coop, bei Banken und Versicherungen). Der Berufsverband («pr suisse») pflegt den Föderalismus, die Unternehmensverbände und Weiterbildungen stellen sich dem internationalen Wettbewerb. Und der Computer sowie das ihn nährende Internet: Sie rechnen diesen ganzen Widerstreit in Echtzeit auf und zeigen ihn auf dem Bildschirm, auch zu Hause.

Vielfalt und Widerstreit als Markenzeichen: Werbung der Bundeswehr.

Agonalität auch in der Wissenschaft

Die Wissenschaft selber bietet dabei kein Bild von Klarheit und Orientierung, sondern eines von agonal operierenden «Schulen», von zersplitterten Forschungs-«Communities» und Theoriewelten. «Strategische Kommunikation», «Corporate Communication», «PR», «Stakeholder-Kommunikation» und «Business Communication»: Das sind nur fünf der zahlreichen Labels, an deren fröhliches Gedeihen sich gewöhnen sollte, wer nach Wahrheit im modernen Organisationsleben sucht.

Doch wissenschaftliche Forschung hat in dieser agonalen Welt nicht ausgedient – ganz im Gegenteil. Sie bleibt die wohl einzige Hoffnung auf wirklichen Fortschritt der Erkenntnis. Sie prüft und wägt, sie verwirft oder begründet, sie experimentiert und verfeinert, was erfolgreiche Organisationskommunikation sein könnte – nach dem Wettbewerbsprinzip der Logik und der Gründlichkeit. Spitzensport des Intellekts, sozusagen.

Das Angebot der SGKM-Fachgruppe Organisationskommunikation / PR

Die Fachgruppe Organisationskommunikation / PR hat an der heurigen Jahrestagung der Schweizerischen Gesellschaft für Kommunikations- und Medienwissenschaften (SGKM) in Lugano ein Treffen und ein Fach-Panel abgehalten. Dabei ging es um die Orientierung des Fachs in dieser agonalen Welt. Und es ging darum, ein Angebot an Mitglieder und Interessierte zu formulieren, um die vielfältige, aber gemeinsame Sache in den nächsten Jahren vorwärts zu bringen.

Colette Schneider Stingelin (ZHAW) und Kristina Pelikan (TU Berlin / Swiss Tropical and Public Health Institute, Basel) umrissen dabei sehr anschaulich die Herausforderungen, denen begegnet, wer im Wirrwarr internationalisierter Projekte stringente «Konzepte» für die interne Kommunikation entwickeln und umsetzen möchte.

Die Fachgruppe beschloss einerseits, Panels an künftigen Jahrestagungen abzuhalten. Versierte Stimmen sollen die Organisationskommunikation in ihrer Vielfalt neben jenen aus dem Journalismus oder der digitalen Kommunikation zur Geltung bringen.

Sie fasste anderseits den Vorsatz, sich regelmässig auch intern auszutauschen. Dabei stehen weniger die Ergebnisse der Forschung im Zentrum. Vielmehr sollen empirische und theoretische Zugänge sowie Fragen der Methode zur Diskussion kommen: Es geht also nicht darum, wer «besser» ist. Es geht darum, wie jede(r) Einzelne noch besser werden kann – in ihrer bzw. in seiner eigenen Position im Wettstreit um das robuste Wissen. Eigene Forschung soll also nicht – wie oft an Workshops oder Tagungen – «verteidigt» werden müssen, sondern in ihrem eigenen Zugang positioniert und entlang der noch offenen, der brennenden – der eigenen! – Fragen geschärft werden. Ein Labor für OK- und PR-Forschung, ein Freundschaftsspiel zu Trainingszwecken, einen akademischen «Baustellenbesuch», so könnte man das nennen. Der Mut, auch Halbfertiges zur Diskussion zu stellen, würde dabei durch Feedbacks belohnt. Agonalität würde für einmal als «Heimspiel» inszeniert: also vor wohlwollendem Publikum.

Wer sich dafür interessiert, melde sich direkt bei der Fachgruppe (stue@zhaw.ch). Wer für die Fachgruppe eine andere Perspektive bevorzugt, tue genau dies erst recht (stue@zhaw.ch)! Lasst uns die agonale Organisationskommunikation auch wirklich leben.


* Prof. Dr. Peter Stücheli-Herlach ist Professor für Organisationskommunikation am IAM und Sprecher der Fachgruppe OK / PR der Schweizerischen Gesellschaft für Kommunikations- und Medienwissenschaft (SGKM); Fabienne Bünzli, M.A. UZH, ist Doktorandin für strategische Kommunikation an der Universität St. Gallen und Mitglied der Fachgruppe.


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PR auf Hochtouren – dank tiefem Tunnel

Posted on 10. November 2017 by harz

Wie beste Praxis am IAM Schule macht

von Peter Stücheli-Herlach, Jury-Präsident des Swiss Award Corporate Communications und Professor am IAM

Der Gotthard ist für die Schweiz ein Mythos. Er erzählt vom jahrhundertelangen Ringen um die Überwindung des Alpenübergangs von Nord nach Süd. Seit letztem Jahr ist der Mythos um eine Legende reicher. Die Eröffnung des neuen Eisenbahntunnels an der Basis des Bergs („NEAT“), des längsten seiner Art in der ganzen Welt, schrieb Geschichte. Und diese ist nun auch zu einem Meilenstein in der Schweizer Kommunikations- und PR-Geschichte („Public Relations“) geworden. Das Projekt „Gottardo 2016“ der SBB und ihrer Partner war mit einem Budget von über 12 Mio. Fr. geradezu gigantisch gross. Und mit dem Hauptpreis des Swiss Award Corporate Communication, den es diesen Herbst (nebst zahlreichen anderen Auszeichnungen) erhielt, ist bestätigt: Es war auch gigantisch gut.

Anfang November waren die SBB und die Organisatoren des Swiss Award Corporate Communications am IAM Institut für Angewandte Medienwissenschaft der ZHAW zu Gast. Das Spitzentreffen fand im Rahmen der Einführungsvorlesung Organisationskommunikation und Öffentlichkeit (Prof. Dr. Peter Stücheli-Herlach) unter Leitung von Birgitta Borghoff (wissenschaftliche Mitarbeiterin) statt. Den Studierenden bot sich die Gelegenheit, „best practice“ der strategischen Organisationskommunikation vom Feinsten kennen zu lernen – und das aus erster Hand.

Stelldichein vor Nachwuchsleuten, von links: Birgitta Borghoff (IAM, Moderation), Rudolf Blankschön (SBB), Peter Eberhard (pr suisse) und Daniel Bieri (Swiss Award Corporate Communications).

Rudolf Blankschön, Leiter Markenführung und -erlebnis bei den SBB, präsentierte die „Gottardo“-Kommunikation. Sie lief entlang einer so genannten „Perlenkette“ von Teilkampagnen, Einzelmassnahmen, Events und Ausstellungen während dreier Jahre. Eindrücklich ist dabei nicht nur die Managementleistung zur Koordination verschiedener Auftraggeber und Partner. Eindrücklich ist auch, wie Medien konvergent orchestriert worden sind, um eine einzige Geschichte in unzähligen Variationen mit ganz unterschiedlichen  Dialoggruppen zu teilen. Es ist die Geschichte einer schweizerischen Meisterleistung in Sachen technologischer Präzision, politischem Mut und öffentlicher Kommunikation. Dafür stand das eigens kreierte, rot gefärbte und quadratförmige Logo mit einem modernen Zug, der gerade aus einem Tunnel hervorsticht. Von Beginn weg war es das Ziel, Öffentlichkeit zu schaffen, betonte Blankschön. Nicht Verkauf und Zufriedenheit mit einzelnen Produkten, sondern Bekanntheit und Reputation seien im Vordergrund gestanden. Dass diese Positionierung im Diskurs auch gelungen ist, zeigten zum einen die vielfältigen Inszenierungen der Geschichte als strategische „Sinnformel“ über drei dramaturgische Etappen, aber auch die gelungenen Übersetzungen in unterschiedliche Aufgabenfelder und Arenen hinein. Schliesslich zeigten auch die Ergebnisse von Imageumfragen, dass das Projekt als voller Erfolg gewertet werden kann.

Die Studierenden am IAM diskutieren anhand des Paradebeispiels nun drei Fragen, die als Schlüssel für die Qualifikation zu einer reflektierten Praxis der Organisationskommunikation gelten können. Diese Fragen zielen auf die Leistung von Organisationskommunikation für die Gesellschaft (1), auf das reflektierte Vorgehen von Profis dieses Faches (2) und darauf, wie die Beteiligung sehr vieler Personen und Organisationen an dieser Art der Wertschöpfung koordiniert, strukturiert und integriert werden kann (3).

In der Einführungsvorlesung bis zum Ende des Semesters wird „Gottardo“ immer wieder als typisches Beispiel für Professionalität gelten können. Dafür also, dass Organisationskommunikation ein Prozess der Wertschöpfung ist, also Nutzen für die Beteiligten stiften muss. Dafür, dass Profis einerseits klug planen, anderseits aber auch gekonnt improvisieren müssen, was in Kombination die Praxis des „Designens“ von Organisationskommunikation ausmacht. Und dafür schliesslich, dass der Nutzen, den Kommunikation erzeugt, immer ein Gemeinschaftswerk ganz vieler Beteiligter ist. Blankschön nannte das vor Studierenden das Prinzip der „Co-Creation„.

Rudolf Blankschön, SBB-Projektleiter, erläutert das Jahrhundertprojekt (Screenshot des Award-Films, www.award-cc.com/de/gallery).

Das Spitzentreffen liess noch anderweitig tief blicken. Zugegen waren nämlich auch einer der Organisatoren des Awards,  Daniel Bieri, der aufzeigte, wie der Swiss Award Corporate Communication in den letzten Jahren Massstäbe gesetzt hat; wie er dazu beitragen konnte, dass die Branche vom „reinen Marketing-Denken“ wegkommt und für eine Welt fit wird, in der digitale Medien herkömmliche Grenzen zwischen Berufsdomänen verwischt haben. Und weitere Branchenprominenz war ebenfalls vor Ort. Der Präsident des Dachverbandes „pr suisse„, Peter Eberhard, führte den Nachwuchsleuten vor Augen, wie unübersichtlich die Branche in den letzten Jahren geworden ist, und wie wichtig es deshalb ist, sich auf die Kernfunktionen des Berufs zu besinnen: Professionelle Organisationskommunikation mehrt die Werte der Verständigung und des Vertrauens. Und sie tut es mit ethischen Standards wie dem Wahrheitsgebot und der Transparenz, die jenen des Journalismus in nichts nachstehen.


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Identitätsmanagement im Holacracy-Unternehmen

Posted on 27. Oktober 2017 by harz

Reputationsmanagement ist Identitätsmanagement: Seit Jahren untersuchen wir an der ZHAW, wie es Unternehmen gelingt, ihre Reputation über die Arbeit an der eigenen Identität positiv mitzugestalten. Diesmal galt unser Interesse dem Web-Applikationsentwickler Liip, einem Unternehmen, das sich dem gerade sehr angesagten Holacracy-Modell verschrieben hat. Wie funktioniert Identitätsmanagement in einem Unternehmen mit hoher Selbstbestimmung der Mitarbeitenden?

von Prof. Dr. Nicole Rosenberger, Professorin für Organisationskommunikation und Management, und Markus Niederhäuser, Leiter Weiterbildung, beide am IAM

Klassische Unternehmen führen topdown: Entscheide werden zentral getroffen und von oben nach unten durch- und umgesetzt. Die fortschreitende digitale Transformation, aber auch die sich im Arbeitsmarkt etablierenden Generationen Y und Z mit anderen, neuen Ansprüchen und Werten verlangen von den Unternehmen ein Umdenken. Das Organisationsmodell Holacracy ist eine mögliche Antwort auf diese beiden Herausforderungen. Grosse Unternehmen wie Swisscom oder Oerlikon experimentieren derzeit mit dem Modell. In der von Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Vieldeutigkeit geprägten digitalen Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft, der sogenannten VUCA-Welt, müssen Unternehmen agiler, innovativer und kundenzentrierter werden. Neue Organisationsmodelle sollen dies ermöglichen. Nicht zuletzt sind sie aber auch ein starkes Signal an den Arbeitsmarkt: Wir sind veränderungswillig und damit zukunftsfähig. Neben grossen Traditionsunternehmen setzen aber auch schnell gewachsene Start-Ups wie beispielsweise Freitag oder Liip auf die neue Organisationsform.

Mitarbeitende im Zentrum
Liip ist ein schweizweit tätiges Unternehmen für Web-Applikationsentwicklung mit rund 150 Mitarbeitenden an fünf Standorten. Seit 2016 setzt Liip auf das Organisations- und Managementmodell Holacracy. Trotz Dezentralisierung von Autorität und Entscheidungen und hoher Selbstbestimmung der Mitarbeitenden gelingt es Liip, eine klar konturierte Unternehmensidentität zu formen. Wie?

Gerhard Andrey, einer der Gründer und Partner von Liip.

Im Experteninterview mit Gerhard Andrey, einem der Gründer und Partner von Liip, und dem Marketingverantwortlichen Philipp Egli, wird deutlich: Zentraler Bezugspunkt für alle Liip-Mitarbeitenden sind die Mission und die Werte der Firma. Eine formulierte Strategie existiert nicht. Damit stehen nicht Business-Pläne, sondern die Menschen im Mittelpunkt: Wenn sich alle an den definierten Werten ausrichten, dann kann auch der Unternehmenszweck erfüllt werden: glückliche Mitarbeitende, glückliche Kunden, gesunde Finanzen.

Entscheidungen mit Umkehr der Beweislast
Holakratisch organisierte Unternehmen arbeiten mit Kreisen (Circles) und Rollen (Roles), die selbstbestimmt handeln können. So auch bei Liip: Jeder Kreis und jede Rolle hat einen Zweck (Purpose), Verantwortlichkeiten (Accountabilities), Domains und Policies. Diese Eckwerte sind detailliert dokumentiert und für alle Mitarbeitenden transparent einsehbar.

Der vielleicht wichtigste Unterschied zwischen holakratisch und traditionell geführten Organisationen liegt an der Art und Weise, wie Entscheidungen gefällt werden. Bei Liip kann jeder Mitarbeitende einen Veränderungsvorschlag in seinen Kreis einbringen. Sei es, dass er eine neue gute Idee hat oder dass er mit einem Vorgang nicht einverstanden ist bzw. – holakratisch ausgedrückt – sich in einem Spannungszustand befindet («Tension»). Der Mitarbeitende muss nicht wie in klassischen Unternehmen beweisen, dass seine Idee grossen Nutzen und Mehrwert schafft. Es gilt die Umkehr der Beweislast: wenn niemand beweisen kann, dass der Vorschlag dem Unternehmen schadet, dann wird er umgesetzt. Dieser Entscheidungsmechanismus führt zu vielen und raschen Veränderungen an der Organisationsbasis. Dadurch verändert sich die Identität von Liip laufend, ohne dass Top-down-Prozesse initiiert werden müssen. 


Über Mission und Werte reden
Liip verfügt zur Zeit nicht über ein verschriftlichtes Kommunikationskonzept. Die grundlegende Kommunikationsstrategie besteht im Verbreiten der Corporate Story, des Identitätskerns von Liip. Die Mission, die Werte und neu auch das Managementmodell Holacracy formen sich zu einer Liip-Story, die grosse mediale Aufmerksamkeit geniesst. Storyteller sind die sogenannten Evangelisten («Liip Teal and Agile Evangelist»), vornehmlich Gründungsmitglieder des Unternehmens, die Vorträge halten und Interviews geben.

Wie schafft es Liip, bei aller Dezentralität und Autonomie der einzelnen Rollen und Kreise, gegen aussen ein konsistentes Bild zu vermitteln? Durch den konsequenten Bezug aller Identitätsdimensionen (Leistungsangebot, Verhalten, Symbole und Kommunikation) auf die Mission und die Werte des Unternehmens spiegelt sich in jedem Kreis und sogar in jeder Rolle die ganze Organisation. Jeder Kreis stellt so etwas wie ein kleines Unternehmen dar, mit der DNA der Gesamtorganisation imprägniert. Dies erlaubt eine Skalierung der bestehenden Leistungsangebote in grösserem Stil, ohne die Identität des Unternehmens zu verwässern.

Hier geht es zur vollständigen Fallstudie von Liip und weiteren Fallbeschreibungen.  


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  • Offen, schnell und dialogisch
  • Vom Gründer zum Mentor
  • Mit Geschichten Identität prägen und Vertrauen fördern

Offen, schnell und dialogisch

Posted on 28. Juni 2017 by harz

Die Digitalisierung erfordert einen neuen Kommunikationsstil. Ein Auszug des Interviews mit Prof. Dr. Nicole Rosenberger, Professorin für Organisationskommunikation und Management am IAM, von persorama*.

Was ist Ihre Beobachtung als Medienwissenschaftlerin: Ist die Lust der Unternehmen auf Transparenz mit Social Media, digitaler Transformation, Big Data & Co. gestiegen?
Die Lust auf Transparenz nicht. Aber ich würde sagen das Bewusstsein ist gestiegen, dass Intransparenz heute sehr viel rascher skandalisiert wird als früher. Hingegen verspüren die Unternehmen sehr viel mehr Begeisterung, wenn es darum geht, dank Social Media und Big Data vertiefte Einblicke in Verhalten und Bedürfnisse von Kunden und Usern zu gewinnen. Zugleich sind sie hier aber auch wieder in Bezug auf Transparenz gefordert: Wie geht das Unternehmen mit den vielen gesammelten Daten um, wozu werden sie verwendet? Dies sind Fragen, auf die ein Unternehmen gefasst sein sollte. Oder noch besser: Das Unternehmen vermittelt pro-aktiv, zu welchem Umgang es sich selber verpflichtet.

Wie spielt hier das Thema Werte hinein?
Welche Werte ein Unternehmen über Führung vorlebt, ist in Bezug auf das Thema Transparenz ganz zentral. Denn abgesehen von Organisationen aus dem öffentlichen Sektor, die dem Öffentlichkeitsprinzip unterstellt sind, kann es nie im Interesse eines Unternehmens oder einer Non-Profit-Organisation sein, wirklich alle Fakten, Zahlen und strategischen Entscheidungen offenzulegen. Denn sie stehen im Wettbewerb um Kunden und Geldgeber. Deshalb sprechen wir von der organisationspolitisch sinnvollen «funktionalen Transparenz», dank der Chancen genutzt und Risiken minimiert werden. Unter Druck, in einer Krise, wird ein Unternehmen deshalb sehr viel mehr offenlegen müssen als in Zeiten, in denen es ein hohes Vertrauen geniesst.

Welche Art der Kommunikation macht mit Blick auf mehr Transparenz Sinn?
Kommunikation sollte erstens offen sein, das heisst, dass Unternehmen beispielsweise gemachte Fehler eingestehen müssen. Zweitens muss Kommunikation schnell sein. Dazu werden in der Praxis heute viele Kommunikationsabteilungen in Richtung Newsroom entwickelt. Drittens hat Kommunikation dialogisch zu sein. Hier spielt unter anderem der Einsatz von Social Media eine wichtige Rolle.

Prof. Dr. Nicole Rosenberger

Welche Risiken sehen Sie?
Offene, schnelle und dialogische Kommunikation birgt die Gefahr einer inhaltlichen Verzettelung. Deshalb ist es heute noch viel wichtiger als früher, dass ein Unternehmen eine langfristig ausgerichtete Positionierungs- und Kommunikationsstrategie entwickelt und umsetzt. Unsere Forschung zeigt, dass Kommunikation dann am meisten Wirkung erzeugt, wenn sie direkt mit Mission, Werten und Strategie des Unternehmens verknüpft ist und gut mit Human Resources, Marketing und Branding abgestimmt ist. In dem an meiner Professur entwickelten Modell des identitätsorientierten Kommunikationsmanagements sind die diesbezüglichen Prozesse und Handlungsfelder erfasst und beschrieben.

Was kann Kommunikation im Unternehmen generell leisten in Bezug auf Glaubwürdigkeit und Transparenz?
Kommunikation kann zum einen – entsprechend des oben angesprochenen Modells des identitätsorientierten Kommunikationsmanagements – immer wieder prüfen, inwiefern die definierten und kommunizierten Positionierungselemente von den Stakeholdern auch effektiv als gelebt erfahren werden. Klaffen definierte und kommunizierte Identität auseinander, dann kommt es in der Kommunikationsarena zu Kritik. Hier ist es die Aufgabe des Kommunikationsmanagements, mittels Monitoring solche Kritik frühzeitig zu erfassen und ins Unternehmen einzuspeisen. Allenfalls muss die Kommunikation verändert werden, oder es sind grundsätzliche strategische Diskussionen über allfällige organisationsinterne Anpassungen im Unternehmen zu führen. Transparente Kommunikation heisst nicht nur kontinuierlich zu kommunizieren, sondern auch Werte, Ziele, strategische Eckpunkte und erzielte Ergebnissse zu vermitteln. Wer transparent kommuniziert, der stellt positive und negative Aspekte dar und ist der Wahrheit verpflichtet. Transparente Kommunikation heisst aber auch, sachlich, präzise und verständlich zu kommunizieren.

Wo sehen Sie im HR wichtige Handlungsfelder für die Zukunft, bezogen auf die Kommunikation?
Am wichtigsten ist, dass HR sich eng mit der Kommunikationsabteilung abstimmt und die eigenen Bedürfnisse einbringt. Generell hat HR zwei unterschiedliche «Kommunikationsmärkte» zu bearbeiten: das Unternehmen gegen aussen als attraktiven Arbeitgeber zu positionieren (Employer Branding) und gegen innen dieses «Markenversprechen» gegenüber Mitarbeitenden zu halten und entsprechend zu kommunizieren. 

Macht es Sinn, in der Organisation die gesamte interne Kommunikation bei HR anzusiedeln?
Es macht sicherlich keinen Sinn, die interne Kommunikation von der externen Kommunikation zu trennen. Interne und externe Kommunikation sollten im gleichen Bereich angesiedelt sein. Und dies aus drei Gründen: Erstens muss ein Unternehmen im Zeitalter von Social Media und Transparenz damit rechnen, dass alles, was intern kommuniziert wird, auch extern verbreitet werden könnte. Interne Kommunikation ist deshalb letztlich auch externe Kommunikation. Zweitens ist es so, dass sich Mitarbeitende nicht nur über die interne Kommunikation über das Unternehmen informieren. Sie nutzen dazu auch externe Quellen: sprich sie lesen Zeitung, sind auf sozialen Plattformen unterwegs und konsultieren vielleicht auch den Jahresbericht oder das Kundenmagazin. Deshalb wirkt externe Kommunikation immer auch nach innen. Wichtig ist deshalb, dass interne und externe Kommunikation nicht als zwei vollständig unabhängige Bereiche gesehen und entsprechend isoliert voneinander organisiert werden. Und drittens ist es aus Sicht des oben angesprochenen identitätsorientierten Kommunikationsmanagements absolut zentral, dass sich interne und externe Kommunikation als wesentliche Gestalter der Unternehmensidentität verstehen. Und diese Identität sollte – um glaubwürdig zu sein – in wesentlichen Punkten konsistent sein.

*Das ganze Interview findet sich in der aktuellen Ausgabe des Magazins für Schweizerische Gesellschaft für Human Resources Management persorama (Nr. 2 Sommer 2017)


Mehr von Prof. Dr. Nicole Rosenberger im IAM-Blog:

  • Vom Gründer zum Mentor: Identitätsmanagement bei Kieser Training
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Mehr zum Thema:

  • Das Modell des identitätsorientierten Kommunikationsmanagements
  • Buch: «Unternehmenspolitik, Identität und Kommunikation» mit Fallbeispielen aus der Praxis von Prof. Dr. Nicole Rosenberger und Markus Niederhäuser

 

In der Welthauptstadt des Energiediskurses

Posted on 19. Juni 2017 by harz
von Prof. Dr. Peter Stücheli-Herlach, Professor für Organisationskommunikation und Öffentlichkeit und Natalie Schwarz, wissenschaftliche Assistentin, beide am IAM

So etwas gibt es selten: Während der Laufzeit eines dreijährigen Forschungsprojektes, findet eine Weltausstellung zum gleichen Thema statt. Genau das ist uns passiert. Kurz nachdem unser Projekt „Energiediskurse in der Schweiz“ seine Startphase hinter sich gebracht hatte, ist in Astana, der Hauptstadt von Kasachstan, die Expo 2017 eröffnet worden. Gewidmet ist sie dem Thema „Future Energy“.

Die Präsenz der akademischen Austauschorganisation „swissnex“ vor Ort und die Initiative von SwissUniversites sowie eines engagierten ZHAW-Teams bot uns eine einmalige Chance: Als Diskursforscher flogen wir nach Kasachstan, in die vorübergehende Welthauptstadt des Energiediskurses. Dort stellten wir erste Auszüge aus unseren Energiediskurs-Analysen zur Diskussion, sowohl am UNO-Forum für Nachhaltige Entwicklung, wie auch an einem internationalen Seminar an der örtlichen kasachischen Nasarbajev-Universität.

Und die Reise zeigt: Den Energiediskurs zu analysieren, ist heute ein lohnendes, aber auch nötiges Unterfangen. Dies aus zwei Gründen.

Erstens plädierten fast alle Kolleginnen und Kollegen der Schweizer Delegation am Beispiel von „Smart Cities“ für die Integration unterschiedlicher technologischer, wirtschaftlicher, rechtlicher und politisch-administrativer Zugänge, um die nachhaltige Entwicklung voranzubringen. Diese Integration sollte, so eine besonders prägnante Forderung, durch eine „intelligente Vernetzung“ (Vicente Carabias-Hütter, ZHAW) von Entscheidungsträgern aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft geleistet werden. Nichts ist naheliegender, als sprachliche Strukturen dieser Vernetzung zu untersuchen, und dabei den Voraussetzungen und Erfolgsbedingungen des energiepolitischen Wandels auf die Spur zu kommen! Welche Themen sind es, die Anspruchsgruppen interessieren? Wie bewerten und argumentieren sie ihre Positionen und die gemeinsamen Handlungsperspektiven? Genau solchen Fragen gehen wir mithilfe unseres Textkorpus nach (Swiss-Applied-Linguistics-Energy Discourses-Corpus).

Mit Diskursanalyse an einem Workshop der UNO: Ein Teil der SwissUniversities-Delegation mit Gast Reiner Keller (hinten, zweiter von rechts) und dem Leiter des Swiss Pavilion an der Expo 2017, Philipp Roesle (hinten, Mitte). (Bild Peter Marty)

Zweitens findet auf dem Expo-Gelände in Astana, eingerahmt durch Monumentalbauten der postsowjetischen Republik, ein eigentliches Festival des Energiediskurses statt. Auch die Schweiz ist mit einem Pavillon vertreten. Dutzende anderer Länder, internationaler Organisationen und Konzerne inszenieren ihre Energiestrategien in den buntesten Farben, schrillsten Tönen und eindrücklichsten Worten. Alles scheint da Richtung Nachhaltigkeit, Erneuerbarkeit, Effizienz und glückliche Zukunft zu gehen. Kinder spielen, Eltern entspannen sich inmitten der flimmernden Installationen und Videoshows; es ist ein eigentliches Festival des Energiediskurses. In Zusammenarbeit mit dem Kollegen Andrej Filchenko der Nazarbajev-Universität in Astana werden wir diese strategisch inszenierte Diskurslandschaft beispielhaft dokumentieren und kritisch reflektieren. So werden wir anschauliche „Show Cases“ für die Methoden und Erkenntnisse der Analyse des Energiediskurses mit nach Hause bringen.

Mit auf der Reise war Reiner Keller, der Begründer der wissenssoziologischen Diskursanalyse, dessen Arbeiten mit zu den Grundlagen für das Projekt „Energiediskurse“ gehören. Herzlichen Dank, Reiner und Andrej – und an das ganze Energiediskurse-Team für die Vorbereitung und Unterstützung zu Hause!

Flagge zeigen, einmal anders: Fassadenansicht des Swiss Pavilion an der Expo 2017 in Kasachstan. (Bild Peter Marty).


Mehr Blog-Beiträge von Prof. Dr. Peter Stücheli-Herlach:

  • Es begann in der PR-Praxis
  • Unternehmenskommunikation, die lebt
  • Dialog über ein Kerngeschäft – kobenet
  • Botschaften verbinden

Vom Gründer zum Mentor: Identitätsmanagement bei Kieser Training

Posted on 30. Mai 2017 by harz
von Prof. Dr. Nicole Rosenberger, Professorin für Organisationskommunikation und Management, und Markus Niederhäuser, Leiter Weiterbildung, beide am IAM

Die Kieser Training AG ist vor allem die Geschichte eines Mannes, der konsequent seinen Weg ging. Vor 50 Jahren gründete Werner Kieser sein erstes Kraftstudio und baute in Folge die Kieser Training AG zu einem internationalen Franchise-Unternehmen aus. Im Jubiläumsjahr haben nun er und seine Frau die Firma an den derzeitigen CEO sowie an ein VR-Mitglied verkauft. Der Gründer bleibt aber dem Unternehmen als Mentor und Ideengeber erhalten, seine Frau Dr. med. Gabriela Kieser als VR-Präsidentin. Die Konsequenz, mit der das Unternehmen Kieser über die Jahrzehnte an seiner Unternehmenspolitik festhielt, ist einmalig. Was bedeutet der Verkauf für die Unternehmensidentität und die Kommunikation?

Zuerst kurz zum «Kieser-Prinzip»: das Krafttraining erfolgt an teilweise selbst entwickelten Maschinen unter professioneller Anleitung, idealerweise zweimal pro Woche, der Trainierende geht dabei an seine Belastungsgrenze. «Der Mensch wächst am Widerstand», ist ein Lieblingssatz von Werner Kieser. Die Kraftstudios sind asketisch eingerichtet, keine Musik, keine Bar mit Drinks und keine Wellness-Angebote. Konzentration aufs Wesentliche also. «In der Kirche gibt es auch keine Saftbar», gab Kieser einmal einem Journalisten zu Protokoll.

Wer – mit wenigen Abweichungen – eine solche Philosophie über 50 Jahre durchzieht, muss sehr überzeugt sein von seinen Ideen. Und sollte damit umgehen können, dass er je nach Zeitgeist und Modetrend die eine oder andere Community gegen sich aufbringt. Werner Kieser gelang es im Laufe der Jahre, sein Prinzip über ein Franchise-System auf über 140 Studios in fünf Ländern auf zwei Kontinenten auszudehnen.

Basis des Erfolgs bildete dabei die konsequente Umsetzung der Unternehmenspolitik in die Identitätselemente Leistungsangebot, Verhalten der Mitarbeiter, Symbole und Kommunikation. In einem Franchise-System stehen dabei dem Franchisegeber nur wenige Instrumente zur direkten Durchsetzung seiner Vorgaben zur Verfügung, ist der Franchisenehmer doch ein selbstständiger Unternehmer und nur durch einen Vertrag an das Unternehmen gebunden. Kieser hat dieses Problem mit ausführlichen Handbüchern gelöst, in denen technische, administrative und kommunikative Standards beschrieben werden. Diese bilden einen integralen Bestandteil des Franchisevertrags, deren Einhaltung akribisch überprüft wird. Dadurch ist es dem Unternehmen Kieser Training AG gelungen, eine starke Unternehmensidentität aufzubauen, die bei den Zielgruppen klare Vorstellungsbilder hervorruft.

Der nun erfolgte Besitzerwechsel muss nicht zwingend grössere Konsequenzen auf die Identität und die Kommunikation des Unternehmens haben. Werner Kieser verstand sich schon immer als oberster Botschafter seiner Firma und dies wird er vorerst wohl auch bleiben. Er kann dem Unternehmen in den nächsten Jahren dank seiner hohen Bekanntheit wertvolle Dienste leisten, zum Beispiel mit Interview-Auftritten in renommierten Medien. Günstiger ist öffentliche Aufmerksamkeit nicht zu haben.

Grössere Veränderungen wären nur bei zwei Szenarien denkbar: Erstens dann, wenn die neuen Besitzer die Unternehmenspolitik stärker verändern, die Firma zum Beispiel in Richtung aktueller Lifestyle anpassen wollten. Dies wird zumindest kurzfristig kaum eintreten, haben sich die neuen Besitzer doch Kontinuität auf die Fahnen geschrieben. Auch das VR-Präsidium von Kiesers Ehefrau dürfte ein Festhalten am bisherigen Kurs fördern.

Zweitens – und dies ist irgendwann absehbar – wird der inzwischen 76-jährige Werner Kieser seine Rolle als Mentor und Botschafter ganz abgeben. Dieses Vakuum müsste in diesem Fall wieder gefüllt werden. Naheliegend wäre es dann, auf die einzigartige und authentische Figur Werner Kieser und die von ihm geprägte Unternehmensgeschichte zu setzen und daraus einen Mythos zu entwickeln.   


Die Autoren haben das Fallbeispiel Kieser Training AG auf ihrer Website zum identitätsorientierten Kommunikationsmanagement ausführlich beschrieben. Der Casebeschrieb basiert auf einem Leitfadeninterview mit Werner Kieser und einer Analyse einzelner Kommunikationsmittel und Führungsinstrumente der Kieser Training AG.

Die soeben erschiene Zweitauflage des Fachbuchs «Unternehmenspolitik, Identität und Kommunikation: Modell – Prozesse – Fallbeispiele» enthält acht ausführliche Fallbeispiele zur Konzeption und Umsetzung identitätsorientierter Kommunikation der Unternehmen ABB, Sonova, PwC, Dyson Schweiz, Kubo und Trigema sowie der beiden Non-Profit-Organisationen SOS-Kinderdorf und Zoo Zürich.


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Mehr Blogbeiträge von Markus Niederhäuser

  • Von Pionieren, Skeptikern und Ahnungslosen

 

Es begann in der PR-Praxis: Jubiläum der wissenschaftlichen Fachgruppe in Hannover

Posted on 16. November 2016 by harz
von Prof. Dr. Peter Stücheli-Herlach, Professor für Organisationskommunikation und Öffentlichkeit am IAM

Die Wissenschaft in ihrem Verhältnis zur Praxis: Das war zwar nicht das erklärte Hauptthema der Tagung von Anfang November zum 25-jährigen Jubiläum der Fachgruppe PR/Organisationskommunikation der Deutschen Gesellschaft für Publizistik und Kommunikationswissenschaft (DGPuK) in Hannover. Der Titel lautete vielmehr „Zwischen Herkunft und Zukunft“. Doch das Thema gab Anlass für verschiedene Reflexionen und Diskussionen über das Verhältnis von PR-Theorie und PR-Praxis. Ich selber war mit einem Referat über „Die Zukunft der PR nach dem ‚practice turn'“ (s. Programm) nach Hannover gefahren – und es zeigte sich, dass ich damit gut an einen Diskussionsstrang anknüpfen konnte, der die ganze Tagung durchzog.

So zeigte der ehemalige IAM-Professor (2004-2009) und Mitgründer der Fachgruppe, Peter Szyszka, wie Erforschung und Professionalisierung der PR in der Nachkriegszeit massgeblich durch Carl Hundhausen, den Öffentlichkeitsarbeiter des Krupp-Konzerns, vorangetrieben wurden. Olaf Hoffjann von der Ostfalia Hochschule wies scharfsinnig darauf hin, dass es eine grosse Herausforderung sei, den Praxisbezug der PR-Wissenschaft weiter zu entwickeln: Sowohl die Distanz als auch die Nähe zur Praxis bergen je besondere Risiken für die wissenschaftliche Forschung, was beispielsweise die Qualität, die Reputation oder auch die Vernetzung anbelangt. Der inzwischen auch in Salzburg tätige Schweizer Kollege Mark Eisenegger präsentierte zusammen mit Peter Winkler, Swaran Sandhu und Kerstin Thummes interessante Überlegungen zu „blinden Flecken“ eines Vierteljahrhunderts der PR-Forschung. Dazu zählt er die öffentliche, gesellschaftliche Kommunikation „über“ Organisationen (neben der Kommunikation „von“ und „in“ ihnen). Durch die Moralisierung der Social Media, aber auch durch Schlüsselereignisse wie die Finanz- und Migrationskrise hätten sich die Voraussetzungen für professionelle Öffentlichkeitsarbeit in den letzten Jahren gravierend verändert.

Ich selber argumentierte in meinem Referat, dass der notwendige Praxisbezug von PR-Forschung nicht durch Anbiederung an die Praxis, sondern durch eine reflektierte Theorie gerahmt werden müsse – genau das nämlich ist mit dem „practice turn“ gemeint. Wir sollten also nicht nur über die professionelle Praxis reden, sondern scharf und kritisch über sie nachdenken. Die Fallstudie zum Message Design der EU-Botschaften in der Schweiz, die ich im Referat in ersten Auszügen präsentierte, ist eine Studie nicht nur über die Praxis. Wir forschen auch direkt mit einem Praktiker zusammen, nämlich mit Stephan Libiszewski, dem Politischen Berater der offiziellen EU-Delegation in Bern. Das ist nicht gerade ein methodologischer Mainstream … Aber etliche Kolleginnen und Kollegen zeigten sich sehr interessiert, besonders auch an unserem Fokus auf die sprachliche Praxis des PR-Berufs. Hierzu haben wir gerade kürzlich selber eine Tagung ausgeschrieben, für die wir auf zahlreiche interessante Eingaben hoffen.

Interessant war die Sofarunde in Hannover zusammen mit den Gründern der DGPuK-Fachgruppe. Dort sassen neben Peter Szyszka auch Michael Kunczik („Geschichte der Öffentlichkeitsarbeit in Deutschland“), Barbara Baerns („Öffentlichkeitsarbeit oder Journalismus?“) und Günter Bentele (Mitherausgeber des „Handbuchs der PR“). Alle gaben sie Einblick in  ihren Werdegang, der bei allen ebenfalls durch praktische Tätigkeiten der Öffentlichkeitsarbeit geprägt war. Für mich eindrücklich war, wie Barbara Baerns schilderte, wie es zu den legendären Studien über die Wirkungen von PR auf den Journalismus kam: Sie habe einfach das beforscht, was sie aus ihrer Kommunikationspraxis an Fragen mitgenommen habe. Sich für die Praxis zu engagieren, ist offenbar kein schlechter Anfang von PR-Forschung. Aber auch kein leichter – vielmehr der Beginn eines anspruchsvollen, aber lohnenden Wegs.

Bildlegende: Sofarunde zur Erinnerung an die Gründung der Fachgruppe PR/OK vor 25 Jahren: Günter Bentele, Peter Szyszka, Michael Kunczik und Barbara Baerns (von links).

Mini-Migros: Wie der orange Riese spielend um Vertrauen wirbt

Posted on 12. September 2016 by harz
von Prof. Dr. Nicole Rosenberger und Nadine Klopfenstein, Forschungsteam Organisationskommunikation und Management am IAM.

Es war immer Samstagvormittags. Wir sind mit dem Auto hingefahren. Meist waren alle Parkplätze besetzt, so dass die Eltern einige Runden drehen mussten, bis sie einparken konnten. Im Laden ging es dann immer zuerst zum Brot, dann zum Gemüse, schliesslich zu den Nudeln und am Ende kam die Fleischtheke. Da gab‘s dann ein „Wursträdli“. Und wir waren zufrieden. Einkaufen war für „Migros-Kinder“ ein prägendes Kindheitserlebnis. Was früher ein Abenteuerausflug war, empfinden wir heute als stressig: Der Verkehr, die Menschenmassen, die quengelnden Kinder. Lieber kurz und schmerzlos einkaufen lautet deshalb die Devise – und wir lassen den eigenen Nachwuchs zu Hause oder shoppen online. Das stellt den Detailhändler vor ein Problem: Wie sollen Kinder heute eine nachhaltige Bindung zur Ladenkette aufbauen können, um sich später der nächsten M-Kunden-Generation zugehörig zu fühlen?

Die Migros lässt sich dazu so einiges einfallen. So sind die Sammelaktionen (von Nanomania über  Stickermania zu Farmmania), die Migros seit Jahren für unseren Nachwuchs durchführt, nichts anderes als ein Versuch, sich in der kindlichen Gedankenwelt einen fixen Platz zu ergattern. Der pädagogische Wert der zu sammelnden Objekte ist dabei allerdings sehr unterschiedlich. Nun scheint Migros im Werben um die Gunst der Kinder mit der neuen Spiel-Aktion „Mini-Migros“ noch einen Schritt weiter zu gehen. Mit der Miniatur-Ausgabe einer Migros-Filiale tourt der orange Riese derzeit durch Schweizer Einkaufszentren und bietet Kindern einen riesigen „Verkäuferli-Laden“.

 

Die Kinder können darin wie im echten Geschäft einkaufen, in verschiedene Rollen schlüpfen und die Abläufe des Detailhändlers vom Regaleinräumen bis zur Entsorgung spielerisch kennenlernen. Damit verwandelt die „Mini-Migros“ nicht nur eine gewöhnliche Verkaufsfläche in einen Spielplatz und will Eltern anlocken, sondern bietet den Kindern Raum, im fiktiven Spiel das Einkaufsverhalten der Erwachsenen nachzuahmen. Das Modell vermittelt das Funktionieren eines modernen Ladens und bringt den Kunden in spe gleichzeitig – quasi als Nebenprodukt – die Migros-Identität näher. Dies hat aus kommunikativer Sicht eine doppelte Wirkung: Zum einen lernen die Kinder im Spiel, was für Migros typisch ist. Zum andern verschmelzen Migros-Welt und persönliche Welt der Kinder miteinander. Dies schafft Nähe und Vertrautheit.

Aus unserer Forschung im Bereich Organisationskommunikation und Management am IAM wissen wir, dass Nähe und Vertrautheit wichtige Voraussetzungen für Vertrauensbildung sind. Und Vertrauen wiederum ist die Basis für eine stabile Kundenbindung. Vertrauen setzt aber auch voraus, dass Stakeholder eine  eindeutige Vorstellung von einem Unternehmen entwickeln können. Dazu braucht es eine klar differenzierende Unternehmensidentität und eine Kommunikation, die diese anschaulich vermittelt.

Beides gelingt der Migros. So pflegt der orange Riese seit seiner Gründung eine spezifische und konsistente Identität. Kern dieser Identität ist der Bezug des Unternehmens zur Lebenswelt der Konsumentinnen und Konsumenten. Aus diesem Grund engagiert sich die Migros nicht nur für unternehmensrelevante Themen, sondern versucht auch den Alltagsbedürfnissen der Kunden Rechnung zu tragen. Sei dies durch die Förderung eines nachhaltigen Umgangs mit der Umwelt (Generation M) oder die Pflege von Gemeinschaft und Kultur (Kulturprozent). Diese Strategie der Migros, sich in der Gesellschaft zu verankern, zeigt sich auch in der Unternehmenskommunikation, die Alltagsthemen aufnimmt (Migros-Magazin) und den Konsumenten eine Plattform zur Verfügung stellt, um sich über Migros auszutauschen (Migipedia). Dabei wird immer wieder auf andere Weise die gleiche Corporate Story erzählt: Die Migros baut Brücken, ursprünglich vom Produzenten zum Konsumenten, heute vom Unternehmen zur Lebenswelt der Konsumenten.

Die Brücke zu einer neuen Generation von „Migros-Kindern“ baut der orange Riese strategisch geschickt mit dem Einrichten von Spiel-Filialen. Dabei muss er sich auch der Kritik aussetzen, das freie Spiel von Kindern womöglich für seine eigenen Unternehmensziele zu missbrauchen und den Konsumenten-Nachwuchs mit zweifelhaften Mitteln zu akquirieren. Kommunikationsstrategisch betrachtet ist die Marketing-Aktion effektiv. Denn während die Kinder einfach „Verkäuferlis“ spielen und so das Verhalten ihrer Eltern imitieren, verknüpfen sie ihre positiven Eindrücke mit dem Detailhändler. Und aus der „Mini-Migros“ wird wieder „mini Migros“ – meine Migros.


Buchtipp zum Thema:

Interesse daran, mehr über das Zusammenwirken von Identität, strategischem Public Storytelling und Vertrauen in der Unternehmenskommunikation zu erfahren? Die aktualisierte und erweiterte Auflage des bewährten Fachbuches „Unternehmenspolitik, Identität und Kommunikation – Modell, Prozesse, Fallbeispiele“ von Prof. Dr. Nicole Rosenberger und Markus Niederhäuser erscheint demnächst.


Weiterführende Links:

  • Mini-Migros – der grösste Verkäuferliladen der Schweiz
  • Mit Geschichten Identität prägen und Vertrauen fördern, Blogbeitrag vom 12. Mai 2014

Botschaften verbinden

Posted on 13. Juni 2014 by stue

Antrittsvorlesungen sind ein schönes Ritual. Sie unterliegen Regeln, die dem Antretenden nicht nur Aufmerksamkeit verschaffen, sondern ihm auch respektvolle Schonung gönnen: Auf eine Peer-Review oder Rezension des Anlasses wird ja höflicherweise verzichtet. Die gleichen Regeln sind indes ein wichtiger Grund für steigendes Lampenfieber: Die Vorlesung sollte den Amtsantritt ja legitimieren helfen – ganz aus eigener Kraft, sozusagen.

Prof. Dr. Peter Stücheli-Herlach

Prof. Dr. Peter Stücheli-Herlach

Ich durfte mich dem Ritual am 15. Mai 2014 unterziehen – und dabei über mein Lieblingsthema referieren, nämlich über „Message Design“. So fundiert wie nötig, aber so verständlich wie möglich redete ich über die Bedeutung von Botschaften in einer vernetzten, medialisierten Öffentlichkeit. Und darüber, welchen Kriterien diese Botschaften genügen müssen, um die Integrations-, Positionierungs- und Strukturierungsleistungen von Organisationen voranzubringen.
Danke nochmals herzlich allen, die dabei waren und dem Ereignis dadurch eine besondere Note verliehen haben. Gefreut habe ich mich beispielsweise über die Gäste aus unseren Projektpartnerschaften, unter anderen von der Allgemeinen Baugenossenschaft Zürich, von GentinettaScholten, vom Stadtblatt Bülach und vom Musikkollegium Winterthur. Dank auch an alle, die sich für die Vorlesung interessiert hatten, sich aber entschuldigen mussten.
Es kam ohnehin etwas anders, als man erwarten konnte – was auch bei den schönsten Ritualen vorkommen kann. Bemerkenswert beispielsweise, dass geschätzte Kollegen und Weggefährten wie Tinu Niederhauser oder Markus Spillmann von der NZZ, die nicht teilnehmen konnten, auf Facebook ihre eigenen Botschaften mit der Antrittsvorlesung zu verknüpfen wussten. So kam der Anlass noch zu seiner McLuhan-Referenz („The medium is the message“). Und zu einer kleinen Folienkritik.

Letzteres ermöglichte ein Schnappschuss des allzeit aufmerksamen Kollegen Vinzenz Wyss. Zur sozialmedial umstrittenen Folie lieferte gfs-Seniorleiter Lukas Golder den feinsinnigsten Kommentar: „Ein Flowchart – aber mehr Flow als Chart“. Das Wortspiel gefällt mir und trifft ins Schwarze. Botschaften werden erst im „Flow“ des Planens und Revidierens, Erprobens und Verbesserns, Redens und Schreibens anschlussfähig an den öffentlichen Diskurs. Richtig also: Unsere Forschungen versuchen der Aufforderung auf den Grund zu gehen, die der kommunikative Konstruktivismus gerade jüngst erneuert hat: Mach‘ Dir Deine Welt, sonst gibt es sie nicht.
An alle Tinus, Projektpartner und Social-Media-NutzerInnen dieser Welt: Natürlich war die Antrittsvorlesung nicht perfekt. Der Antretende selber weiss das selber nur zu gut. Er kennt die einschlägigen Vorbilder, an denen gemessen wird. Um nur zwei der Unerreichbarsten zu nennen: Luhmanns Antrittsvorlesung „Soziologische Aufklärung“ von 1967 und Michel Foucaults „L’ordre du discours“ von 1970 begründeten nichts weniger als wissenschaftliche Generationenprojekte. Wir begnügen uns inzwischen damit, das Beste von System- und Diskurstheorie für die Praxis nützlich zu machen. Die Frage steht im Zentrum: Wie markieren Organisationen den Unterschied, den sie durch ihre Strukturen, Mitglieder und Leistungen zu machen vermögen, auf attraktive Weise im öffentlich-medialen Diskurs? Unvergessen in der Reihe der Vorbilder auch Nikodemus Hergers tiefgründig-ironische „Anleitung zur Unprofessionalität in der Organisationskommunikation“ anhand von verbreiteten Phrasen über Öffentlichkeitsarbeit im Jahr 2004. Seither kann niemand mehr sagen, es sei „besser und billiger, wenn Medien berichten“, und sich damit vor der Mühe einer eigenen Message drücken.
Selbst wer gegen solche Vorbilder abfällt, fällt irgendwie auf. Und genau das habe ich offenbar mit meinem Schlüsselbeispiel in der Vorlesung geschafft. Kaum ein Tag seither, an dem ich nicht darauf angesprochen werde.

Hier nochmals für alle, die nicht dabei waren: Botschaften für Organisationen zu prägen, das ist wie Knotenknüpfen. Wir nehmen die Fäden aus dem Netzwerk öffentlicher Diskurse auf. Wir knüpfen neue Zusammenhänge, in erzählender und argumentierender Form. Und dann „drücken (wir) ab“ oder „ziehen (damit) los“, machen also aus den neu geformten Strängen etwas Verdichtetes, etwas Festes. Diese Botschaft ist dann wiederum Anziehungs- und Anknüpfungspunkt für andere. „Yes, we can!“ hiess es vor einigen Jahren aus den USA – es war eine der erfolgreichsten Botschaften der jüngeren Kommunikationsgeschichte. Das kannst Du auch, werde ich Studierenden und Projektpartnern zulächeln – nicht nur in akademischen Schonräumen und gern auch ohne begleitende Power Points.

Bis bald wieder am IAM!

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