Der Satz, für den ich den Job hier mache

von Thomas Gantenbein, Wissenschaftlicher Mitarbeiter IAM

“Warum ist so ein Lärm, tamisiech?” Nein, das ist nicht der Satz, für den ich den Job hier mache, nämlich vor einigen Studierenden zu stehen und ihnen etwas zu vermitteln, was wir am IAM für wichtig halten. Auch der Antwortsatz ist es nicht: “Wir haben Hunger!” Na und? Stillt Radau vielleicht den Hunger? Eben. Dann also zusammenreissen und Ruhe.

Nein, bestimmt nicht, für so was mache ich den Job nicht. In solchen Momenten finde ich ihn eher – ich formuliere es höflich – begrenzt befriedigend. In anderen Momenten hingegen finde ich ihn toll: Mit Kolleginnen und Kollegen über Kursinhalte diskutieren, die Veranstaltung planen, einprägsame Beispiele suchen, mit Studierenden über Texte streiten. Das alles finde ich toll, aber ich musste vier Jahre warten, bis ein Student endlich mal so nett war, den Satz zu sagen.

Thomas Gantenbein
Thomas Gantenbein hat lange auf diesen Satz gewartet.

Gefallen ist dieser Satz ganz am Ende des letzten Medienforschungsseminars. Die zwölf Studierenden sollten den eigenen Schreibprozess und den der anderen beobachten, sich gegenseitig Fragen zu diesen Prozessen stellen und schliesslich bei Leserinnen und Lesern erfragen, wie die Texte ankommen. Ein Kollege und ich haben ihnen ausserdem Feedback gegeben zum Text und, in Teilen, zum Schreibprozess. Ziel des Ganzen war es, den “Lebenszyklus” eines Textes möglichst ganzheitlich und systematisch zu untersuchen: Wie wird der Text hergestellt? Welche Qualitäten hat er? Was fängt das Publikum mit dem Text an? Und wie hängen die Antworten auf diese Fragen miteinander zusammen?

Viele Fragen … und keine einfachen, finde ich. “Ich bin erstaunt, wie wenig Probleme es gab”, habe ich deshalb den Studierenden am Ende des Seminars gesagt. Gelächter der Studierenden. Schon klar, eigentlich müsste ich überzeugt sein, dass es gut läuft. Bin ich aber nicht. Dafür bin ich zu wenig Hellseher oder Grössenwahnsinniger. Vielleicht lag es an der Gruppenzusammensetzung, dass viele der befürchteten Probleme gar nicht erst aufgetreten sind. Und vielleicht habe ich den Studierenden im ersten Absatz Unrecht getan und ich unterschätze die Wirkung von Hunger – und seines Ausbleibens: Eine Gruppe von sechs Leuten im Seminar hatte nämlich den Deal, dass etwas Süsses mitbringen muss, wer mal in einer Veranstaltung fehlt. Brownies als didaktisches Mittel. Muss ich mir merken.

Meinem Ego zuliebe sage ich mir jetzt aber einfach, dass auch Inhalt und Form etwas dazu beigetragen hatten, dass also am Ende des Seminars ein Student sagte: “Da haben wir im ganzen ersten Jahr von Progressionsanalyse und so gesprochen – und jetzt im dritten Semester habe ich es wirklich verstanden.” Leider hatte ich kein Aufnahmegerät laufen in diesem Moment. Und was bleibt, wenn das Aufnahmegerät einen wichtigen Moment nicht festgehalten hat? Richtig: Ab ins Tagebuch damit. Obwohl: So einen ledergebundenen Wälzer samt Schloss kaufen, für durchschnittlich 0,25 Einträge pro Jahr … nein, vielleicht doch lieber nicht. Aber wie wär’s mit dem elektronischen Tagebuch vom IAM? Gute Idee. Oder?

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