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Wissen, was Kommunikation bewegt

Ein Blog der ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften

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“Vertrauen ist die neue Währung”

Posted on 27. Mai 2015 by Redaktion

Communities werden für Unternehmen weltweit immer wichtiger. Doch wie schaffe ich es, eine Community aufzubauen, welche der Firma auch den erhofften Nutzen bringt? Der letzte Event von Columni, der Ehemaligenorganisation des IAM, gab Antworten. 

von Andreas Engel, Redaktor Alumni ZHAW

Das Internet als Informations- und Dialogquelle ist aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Ob Google als Suchmaschine, YouTube als Unterhaltungsmedium oder Facebook zum Austausch mit Freunden und Bekanntschaften – die Online-Welt auf Smartphone, Tablet oder Notebook ist allgegenwärtig. Alleine 86 Prozent der Schweizer verkehren auf der Social Media Plattform Facebook, zwei Drittel davon agieren wöchentlich.

Zwei Arten von Social Media
Einer, der sich insbesondere im Bereich Community-Plattformen bestens auskennt, ist Dominik Wurzer. Seit rund drei Jahren arbeitet der gebürtige Österreicher bei Lithium, einem Social Software Anbieter, der unter anderem für Kunden wie Helsana, Migros oder Swisscom unternehmenseigene Community-Plattformen betreibt. Am Columni-Event “Community: bilden, steuern, moderieren” gewährt Wurzer exklusive Einblicke in seine Arbeit und erklärt den Teilnehmern die Besonderheiten von Communities.

“Grundsätzlich unterscheidet man bei Social Media zwischen sozialen Netzwerken wie Facebook und Online-Communities. Seit Anfang der 2000er Jahre werden soziale Netzwerke immer populärer, davon wollen natürlich auch Unternehmen profitieren”, sagt Wurzer. Dass sich News im Web so schnell verbreiten, ist dem sogenannten “Kleine-Welt-Phänomen” geschuldet. Im echten Leben kennt jeder jeden im sechsten Grad. Oder anders gesagt: über sechs Ecken. Bei Facebook sinkt die Zahl auf 4,74, bei Twitter gar auf 3,43. Mit der schnellen Verbreitung erhöht sich auch die Reichweite der News. Das wiederum hat eine sinkende Relevanz zur Folge.

Ein Unternehmen will beides: Reichweite und Relevanz
Dominik Wurzer erklärt dies am Beispiel der Migros. “Auf Facebook hat Migros 230 000 Likes. Wenn etwas postet wird, werden aber nur 5980 Personen oder 2,6 Prozent dieser Leute erreicht.” Deshalb nutzt Migros für tieferen Inhalt die unternehmenseigene Community-Plattform. “Migipedia zählt zwar “nur” 75 000 Mitglieder, der Inhalt erreicht dennoch rund dreimal mehr Leute als die Facebook-Posts.”

Dominik Wurzer

Dominik Wurzer

Dass Community-Plattformen für Unternehmen immer wichtiger werden, liegt auch am veränderten Entscheidungsverhalten der Kunden. Heute wollen wir schon vor dem Kauf eines Produktes wissen, welche Erfahrungen andere Kunden gemacht haben und ob sie das Produkt weiterempfehlen können. “Während sich die Wenigsten blind auf die Werbung verlassen, ist das Vertrauen in die Erfahrungen anderer Kunden deutlich höher. Deshalb kann man Vertrauen auch als eine Art neue Währung im Online-Bereich bezeichnen.” Und dieses Vertrauen soll auf Community-Plattformen zementiert werden. Mitglieder können Produkte mitentwickeln, sie bewerten und anderen Usern Fragen zu den Produkten beantworten. Aus einer One-Way- ist eine Two-Way-Kommunikation geworden.

“Die Community ist wie ein Café”
Doch wie schaffe ich es als Unternehmen, eine Community erfolgreich aufzubauen? “Es ist wie bei einem Café”, erklärt Wurzer. “Wir gehen dorthin, wo viele Leute sind.” Dazu lädt man zuerst diejenigen ein, die man kennt und die sich möglichst positiv über das Unternehmen äussern. Über Werbung wie beispielsweise spezielle Events sollen danach weitere Mitglieder gefunden werden und die Community wächst.

Ein authentischer Austausch der Mitglieder ist wichtig. Doch was tun, wenn Leute schlecht über das Unternehmen oder dessen Produkte diskutieren? “Faire und transparente Regeln sind in jeder Community wichtig. Dass sie eingehalten werden, dafür sorgt ein Moderator, der zwar nicht aktiv mitdiskutiert, aber im Notfall Verwarnungen aussprechen oder Kommentare entfernen kann.” Wichtig sei, dass Moderatoren oder auch Mitarbeiter stets als solche deklariert sind.

Schlüssel zum Erfolg: Die Superuser
Eine Besonderheit an Communities ist die 90-9-1-Regel. Diese besagt, dass 90 Prozent der Mitglieder die Diskussionen lediglich beobachten. 9 Prozent verteilen Likes und nur 1 Prozent der User kreieren die Inhalte – die sogenannten Superuser. So werden auf der Plattform der Swisscom zwar täglich tausende Posts geteilt, 40 Prozent davon aber von lediglich 25 Personen! Umso wichtiger ist deshalb die gezielte Förderung dieser Superuser, sagt Dominik Wurzer. “Man muss als Unternehmen versuchen, den Rahmen, in welchem eine Diskussion geführt werden soll, vorab festzulegen. Dabei hilft es, für qualitative Inhalte Punkte an die Nutzer zu vergeben und ihr Verhalten mit speziellen Aktionen zu belohnen und somit zu beeinflussen.” Denn auch in einer Community gilt: Vertrauen ist gut, Kontrolle, wenn auch nur zu einem gewissen Teil, ist besser.

Das IAM bietet seit 2015 einen neuen Zertifikatslehrgang an, den CAS Community Communication. Der Lehrgang richtet sich primär an Kommunikationsverantwortliche von Organisationen, die sich jenseits von Massenmedien und scheinbar kontrollierbaren Kommunikationsprozessen zunehmend mit "geschwätzigen" Gemeinschaften konfrontiert sehen. Gerade dort wo sich Organisationen entweder selbst als Kommunikationsgemeinschaften verstehen oder aber deren Fans, KundInnen, BürgerInnen, Gläubige, Mitarbeitende oder Mitglieder als Community kommunikativ steuern wollen, sollen soziale Netzwerke gestaltet und strategisch in die Gesamtkommunikation eingebunden werden – sowohl online wie auch offline. Der nächste Lehrgang startet im Januar 2016.
Weiterführende Links:
Von der Sehnsucht nach Gemeinschaft

Wie wir Praxisprobleme definieren und lösen – ein neuer Fokus fürs IAM live

Posted on 21. Mai 2015 by Redaktion
von Aleksandra Gnach, Dozentin und Kommunikationsverantwortliche IAM

“Für uns ist das IAM live eine wichtige und wertvolle Plattform, um Forschungsergebnisse in die Praxis zu bringen und um zu erfahren, was in den Berufsfeldern funktioniert und wirklich relevant ist” – das war mein Quote im Film zum IAM live 2012 und es ist immer noch meine Überzeugung, als Forscherin und als Kommunikationsverantwortliche des IAM.

Dass das IAM live als Brücke zwischen Theorie und Praxis funktioniert und geschätzt wird, zeigen die Rückmeldungen unserer Gäste.

Edith Hollenstein, IAM-Absolventin und Redaktionsleiterin bei persönlich, meinte: “Ich bin immer an einem Fachaustausch mit Menschen interessiert, die den gleichen beruflichen Hintergrund haben. Am IAM live kann ich Themen diskutieren, die die Medien-, Kommunikations- oder Werbebranche bewegen. Das ist für mich auch beruflich wichtig. Deshalb komme ich hierher.”

Frank Hänecke, Studienleiter am MAZ, meinte nach dem IAM live zum Thema journalismus.unverzichtbar: “Heute ist es gelungen, einen akademischen Zugang zu finden, einen unternehmerischen Zugang und auch einen sehr praktischen Redaktionszugang. Durch die Beiträge der ReferentInnen und in der Diskussion.”

Steffen Lukesch, Medien- und Kommunikationstrainer, schätzt den Networking-Teil des IAM live: “Es ist wie ein Klassentreffen hier, man sieht viele bekannte Gesichter und der soziale Aspekt ist mindestens so wichtig wie das, was in der Aula läuft.”

 

Das IAM live kommt an, und es entwickelt sich, wie alles am IAM. Nach der Jubiläumsausgabe vom letzten Jahr haben wir das Event-Konzept erneuert. Der Anlass soll unsere Kernkompetenzen noch deutlicher fassbar machen: Mit transdisziplinärer Forschung findet das IAM Lösungen für Praxisprobleme, die hohe Relevanz in Journalismus oder Kommunikation haben, indem es wissenschaftliches und praktisches Wissen verbindet. In transdisziplinären Forschungsprojekten wird der Forschungsgegenstand – ein Praxisproblem – gemeinsam definiert, von WissenschaftlerInnen verschiedener Disziplinen und AkteurInnen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Domänen wie Politik, Medien, Organisationskommunikation oder Verwaltung. Forschung wird dabei konzipiert als gemeinsamer Lernprozess zwischen Berufsfeldern und Wissenschaft.

Das diesjährige IAM live widmet sich am 18. Juni dem Thema “Informal Leadership”. Informal Leadership bedeutet: Das Sagen am Arbeitsplatz hat oft nicht, wer oben sitzt in der Hierarchie, sondern wer das stichhaltigere Argument vorbringt oder die einleuchtendere Geschichte zu erzählen weiss. Am IAM live zeigt Laura Delaloye, wie wir das erforschen, und Petra Jörg, wie zentral Informal Leadership in der Praxis ist. Laura Delaloye doktoriert am IAM und an der Uni Lausanne bei Daniel Perrin und Marcel Burger; Petra Jörg leitet das Rochester-Bern Executive Program und ist Beratungskundin des IAM.

Anmelden fürs IAM live kann man sich hier. Wir freuen uns auf Sie!

SRF-Projekt “Mint”: Von der Herausforderung, Jugendlichen die Wirtschaftswelt schmackhaft zu machen

Posted on 16. Mai 2015 by Redaktion

Viel Arbeit und viel Lernen. Das bedeutet ein Praktikum bei einem prämierten Webprojekt, das versucht Jugendlichen die Wirtschaftswelt näher zu bringen.

von Erik Hefti, Student JO13

“Wir müssen die Personen etwas fragen, bei denen die Antworten lustig sind und etwas mit Wirtschaft zu tun haben” schlug ich vor, als zwei Kolleginnen und ich in der ECO-Redaktion zusammen sassen. Wir hatten uns Gedanken über eine Umfrage gemacht, die wir am St. Galler Symposium durchführen wollten. Der Produzent hörte mit einem Ohr zu, verwarf sogleich die Hände und sagte beim Vorbeigehen “Träum weiter”. Hier liegt die Herausforderung meines Praktikums: Die 16- bis 20-Jährigen kommunizieren über Whatsapp und Instagram. Zudem konsumieren sie viele Unterhaltungsmedien. Wie begeistere ich also die Jugendlichen für Wirtschaftsthemen mit einem Projekt, das kein Budget hat?

Ein alter Ansatz, neu verpackt
“Mint” ist ein webexklusives Projekt für Jugendliche, das aus der Redaktion der SRF-Wirtschaftssendung ECO entstanden ist. Das Projekt läuft von Januar bis Juni. Der Ansatz, wie “Mint” versucht, Wirtschaftshemen für Jugendliche attraktiver zu gestalten, ist sehr alt. Man lässt Schüler mit erfahrenen Persönlichkeiten diskutieren, wie das bereits bei den alten Griechen üblich war. Wir filmen die Diskussionen, schneiden daraus mit poppiger Musik und dynamischen Schnitt Clips und stellen sie auf die “Mint”-Seite. Wir probieren aus, was funktioniert, und was nicht. Kurze Umfragen interessieren die Jugendlichen. Denn wenn Jugendliche sich selber in Medien sehen, schauen sie es sich auch gerne an.

Erik Hefti

Erik Hefti

Top CEOs machen mit
Ausgewählte Gymi-Klassen hatten bisher die Möglichkeit, die CEOs und Präsidenten der UBS, ABB, BKW, Nestlé sowie des FC-Basel zu fragen, was sie interessiert. Der Clou: Die CEOs haben keine Ahnung, was sie gefragt werden. Diese Events sind eine frische Erfahrung für alle Beteiligten, “Mint” eben. Der Begriff kommt aus dem Englischen und wird dort im Sinn von “ungebraucht”, “prägen” und “cool” verwendet.

SRF – das Zauberwort eröffnet viele Möglichkeiten
Sobald ich extern irgendwo anrufe und das Zauberwort “SRF” spreche, ist mir das andere Ende wohl gesonnen und fragt sogleich nach: “Also kommen wir dann ins Fernsehen?” Ich erkläre dann, dass “Mint” ein webexklusives Projekt ist und nur im Internet zu finden ist. Mit dem Zauberwort “SRF” kommt “Mint” auch an die grossen Namen der Wirtschaftswelt ran. Mancher CEO zeigt sich ja gerne jugendnah, wenn eine mediale Bühne geboten wird.

Bekanntheit ohne Budget und ohne grosse Verteiler erreichen
Einen Mailverteiler für alle Gymnasien und Kantonsschulen der Deutschschweiz zu erstellen dauerte etwa zwei Tage. Dies ist nur ein Beispiel, wie viel Platz, neben der redaktionellen Arbeit, die Werbung und Kommunikation von “Mint” einnimmt. Die Produktionskosten und Ressourcen werden von der ECO-Redaktion gedeckt. Über unsere Kooperationspartner “Virus” und “MySchool” sowie Instagram versuchen wir, unsere Zielgruppe zu erreichen. Ohne Budget, und ohne grosse Verteiler ist das aber sehr schwierig. Auf Instagram und #srfmint gibt es interessante Fakten und kleine Geschichten aus der Wirtschaft sowie auch Fotos von den Drehs. Die Jagd nach Followers und Likes ist für das Projekt essentiell, denn so wird es bekannter.

Jobprofil schwer fassbar
Einmal durfte ich einen Tee für einen Gast im Büro kochen. Das war aber das einzige Mal, dass ich mich so wirklich als “Praktikant” fühlte. Wenn mich Freunde fragen, was ich genau bei diesem Praktikum mache, antworte ich: “Ich mache ja ein Praktikum und lerne unglaublich viel. Wir sind nur zu zweit. Ich darf also vieles machen, aber meine Chefin macht viel mehr.” Die Administration, das Planen und Organisieren von Treffen, das Telefonieren mit den Kommunikationsabteilungen und den Klassenlehrern und das Aufbauen von Netzwerken, das macht meine Chefin. Zusammen denken wir uns Geschichten aus, drehen diese Treffen teilweise selber, teilweise mit Kameramännern, schneiden die Clips roh, verfeinern diese mit den Editoren, machen die ganze Kommunikation des Projektes, und betreiben eine Website, die bereits rund 100 selbstproduzierte Clips zählt. Die Bedienung der Social Media-Kanäle gehört ebenfalls zu unseren täglichen Aufgaben.

Dank Ehrenpreis viel Resonanz – von der Wirtschaftswelt
Anfangs Mai wurde “Mint” vom Geld- und Wirtschaftsmagazin “Private” mit dem Ehrenpreis für Finanzjournalismus ausgezeichnet. Eine schöne Anerkennung für die geleistete Arbeit, in der viel Herzblut steckt. Die Wirtschaftswelt interessiert sich sehr für die Jugendlichen und will, dass ein Projekt wie “Mint” weiterlebt. Der Versuch, der Wirtschaftswelt ein Gesicht zu geben, kommt gut an. So endet auch die Laudatio mit den Worten: “Der Preis, den wir heute dafür verleihen können, mag ein Zeichen sein – und wird von den Verantwortlichen hoffentlich richtig verstanden.”

Das Projekt “Mint” findet sowohl intern im SRF als auch extern bei Unternehmen viel Anklang. Vermehrt gab es Anfragen, ob Schulklassen ihren CEO besuchen würden. Vereinzelt bekommen wir Rückmeldungen von den Jugendlichen auf die Clips. Die Effekte gefallen ihnen zum Beispiel. Da das Projekt aber nicht vollständig interaktiv läuft, haben wir nur einen begrenzten Überblick über die Meinung der Jugendlichen zu den Inhalten.

Der Querschreiber im Ruhrgebiet

Posted on 27. April 2015 by Redaktion

Mein Austauschsemester im Pott verlief anders als erwartet: Neben der bedingungslosen Liebe für Fussball traf ich in Gelsenkirchen auf ungekünstelte Menschen, trinkfeste Professoren und wider Erwarten keinen Kohlenstaub.

von Urs Kilchenmann, Student JO12

Meine Mutter meinte vor meinem Auslandsemester, dass ich keine weissen Klamotten mitnehmen solle: “Urs, Gelsenkirchen ist eine Industriestadt im Ruhrgebiet, dort bauen sie Kohle unter Tage ab.” Wegen dem Kohlenstaub sei alles mit einer schwarzen Schicht bedeckt.

Ich hatte ja keine Ahnung von dieser Region um Köln. Gelsenkirchen kannte ich bis anhin nur durch den Fussballverein Schalke 04. Als uns die Partnerhochschulen für das Auslandsemester präsentiert wurden, fand ich den Studiengang ganz verlockend: Wie am IAM wird auch die Verzahnung zwischen Journalismus und Public Relations gelehrt und dabei die zwei unterschiedlichen Berufsfelder klar getrennt. Kohlestaub hin oder her: Das wollte ich mir näher ansehen:

 

Familiär, fundiert und facettenreich
Das Institut für Journalismus und Public Relations an der Westfälischen Hochschule ist familiär: Studierende und Professoren begegnen sich auf Augenhöhe. Auch ausserhalb des Studienbetriebs trifft man die Professoren am Stammtisch oder an der legendären “Night of the Profs“, wo Dozierende einmal pro Jahr an den Turntables stehen und für die Studierenden auflegen.

Urs Kilchenmann

Urs Kilchenmann

Der Querschreiber
Im Seminar “Lehrredaktion Print” haben wir ein neues Magazin “den Querschreiber” entwickelt und betrachteten Geschichten aus einem anderen Blickwinkel. Besonders fasziniert hat mich an diesem Magazin, dass wir hartnäckig andere Themen und Fokusse suchten, um uns klar von herkömmlichen Storys in Printmedien abzugrenzen.

Abseits des Spiels – Der Ticker, aber nicht zur Partie
Ben Held, Student aus dem 5. Semester und ich, verfassten einen Liveticker zumFussballspiel Schalke gegen Hamburg. Der Fokus lag nicht wie gewöhnlich bei den Akteuren auf dem Spielfeld, sondern auf den Leuten (Ordner, Platzwart, Imbissverkäufer etc.), die solche Veranstaltungen erst möglich machen. Hier einen Auszug aus unserem Ticker:

  1. Minute. Mittlerweile kommen auch die Elbestädter in der Partie an, denn es geht langsam um die Wurst. Genau wie bei der Imbissverkäuferin Jasmin: “Fans mit einer genussfreudigen Statur stehen schon vor der Halbzeitpause bei mir, um eine Bratwurst im Brötchen zu bekommen.”
  2. Minute. Sanitäter Gezim steht vor dem Westeingang und sucht Schutz vor dem Wind, der gnadenlos über das Revier zieht: “Irgendwas passiert bei jedem Spiel – und wenn nur einer wieder zu viel getrunken hat!”
  3. Minute Herbert der Platzwart stürmt nach dem Pausenpfiff das Feld und präpariert es für die nächste Halbzeit. “Was schmeissen die denn alle ihre Feuerzeuge auf’n Platz. Hab schon genug mit den Löchern zu tun!”, meckert er. Würde er alle Feuerzeuge verkaufen, könnte er sich eine Dauerkarte für die nächste Saison kaufen.

FC Gelsenkirchen-Schalke 04 e.V. ist der Stolz der Stadt
Die Jungs aus dem Pott nahmen mich mit in die Nordkurve der Arena auf Schalke, um die Königsblauen lautstark anzufeuern. Ein kompaktes Stadion mit knapp 62‘000 Zuschauern, kein Vergleich zum Letzigrund in Zürich. Es war Liebe auf den ersten Blick für diesen Verein. Die aussergewöhnliche Hingabe der Fans auf Schalke hat mich sehr berührt.

 

Ausserdem besuchten wir Partien in Bochum, Düsseldorf, Essen, Gladbach und auf der Südtribüne der verbotenen Stadt (Dortmund). 25‘000 hüpfende Zecken (Dortmund-Fans) lösten bei mir widerwillig Gänsehaut und Faszination für die europaweit grösste Stehplatztribüne aus.

Jeder, der was Echtes erfahren, Menschen aus dem Pott erleben und altehrwürdige Industriekultur entdecken möchte, sollte sein Auslandsemester in Gelsenkirchen verbringen.

Meine Mutter musste nach ihrem Besuch ihre Meinung revidieren und war begeistert von dieser einzigartigen Region: Die Zechen sind nicht mehr aktiv, die Halden sind begrünt und der Himmel strahlt wieder blau über dem Ruhrgebiet.



“Ein grosses Herz, ein dickes Fell, ein schnelles Hirn – und einen Traum.”

Posted on 9. März 2015 by Redaktion

Interview mit Wolfgang Blau, Executive Director of Digital Strategy bei “The Guardian“.

Aufgezeichnet am 5. Februar 2015 von Rebecca Panian, freischaffende Filmemacherin und Filmverantwortliche am IAM.

An der diesjährigen Konferenz Re-Inventing Journalism der ZHAW sprach Wolfgang Blau darüber, was ihn “nachts nicht schlafen lässt”. Im Interview verrät er, warum er Journalist wurde, was er Menschen sagt, die im Online-Journalismus eine Gefahr für die Demokratie sehen und was er sich unter einem guten Journalisten vorstellt.

Warum sind Sie Journalist geworden?
Es gibt im Englischen den Begriff der “post-rationalisation”, also der nachträglichen Sinnstiftung, die auch darin bestehen kann, sich die eigenen Lebensentscheidungen im Rückblick stringenter zu beschreiben als sie es eigentlich waren. Vermutlich weiss ich also nicht wirklich, weshalb ich Journalist geworden bin. Ich erinnere mich aber, dass bei uns zuhause viel Radio gehört wurde, und da muss ich hinzufügen, dass ich das jüngste von fünf Kindern war. Besonders meine Mutter hatte während unserer frühen Kindheit nur selten Möglichkeiten wegzugehen, zu einem Konzert zum Beispiel, oder sehr viel zu lesen. Dennoch ist sie sehr gebildet und war auch damals immer gut über das Weltgeschehen informiert, dies vor allem dank der Nachrichten und Kultursendungen im öffentlich-rechtlichen Radio. Ich habe also schon als Kind davon geträumt, Radio- oder Fernsehjournalist zu sein. Mein Problem: Ich hatte damals einen starken schwäbischen Akzent, weshalb ich zuerst einmal Schauspiel studiert habe und jahrelang Sprecherziehung erhielt. Noch während meines Studiums bewarb ich mich dann beim Saarländischen Rundfunk, der eine Kooperation mit der Schauspielschule meiner Uni hatte und war dann bald der damals jüngste Nachrichtensprecher im ARD-Hörfunk und eine der Station-Voices für das ARD Fernsehen. Es dauert dann aber nicht lange, bis mir die Entscheidungsprozesse innerhalb der öffentlichen-rechtlichen Welt unendlich zäh vorkamen. Das war ja auch die Zeit, in der nicht nur das Privatradio in Deutschland emporkam, sondern auch die ersten graphischen Webbrowser dem World Wide Web zum Durchbruch verhalfen. Als ich dann das erste Mal im Internet surfte, wusste ich – eher intuitiv – dass es die Welt grundlegend verändern würde. Es war so eine Mischung aus Euphorie und Fassungslosigkeit angesichts dessen, was sich da vor mir auftat. Noch beindruckt von der vergleichsweise gigantischen Infrastruktur öffentlich-rechlicher Sender konnten wir nun plötzlich selbst Radio im Internet machen. Ich hatte also das Glück, dass das Internet in meiner Biografie genau zum richtigen Zeitpunkt kam.

Warum sind Sie nicht beim Radio geblieben?
Es war wohl der Diskurs, der mir fehlte. Lineares Broadcasting hatte etwas von “Malen nach Zahlen”, zu viele der Inhalte waren vorhersehbar. Ich wollte auch meine geschriebene Sprache weiter entwickeln.

Was braucht guter Journalismus?
Derzeit vor allem mehr Fachkompetenz. Ich würde zum Beispiel gerne sehr viel mehr Spezialistinnen in den grossen Redaktionen sehen. Besonders NaturwissenschaftlerInnen fehlen in vielen Redaktionen eklatant. Als Geisteshaltung würde ich mir mehr Mut zum Experimentieren wünschen. Das ist natürlich leichter gesagt für jemanden, der schon erfolgreiche Experimente vorweisen kann. Ich habe aber oft den Eindruck, dass gerade die Absolventinnen und Absolventen der Journalistenschulen viel zu risikoscheu sind. Vielleicht wäre es ja hilfreich, einmal pro Semester eine Einheit über “Famous Failures” anzusetzen, also herausragende journalistische Fehleinschätzungen oder auch Strategiefehler bekannter Publikationen oder auch einzelner Journalisten zu analysieren und zu betrachten, wie sich diese Organisationen oder Personen von ihren Fehlern erholt oder sogar daraus gelernt haben.

Birgt das nicht die Gefahr der Effekthascherei?
Nein, Mut zum Experimentieren ist kein Aufruf zur Schlamperei und auch kein Verrat an journalistischen Standards. Niemand, der sich ernsthaft als Journalist bezeichnet, macht freiwillig Fehler. Diejenigen Leser, auf die es ankommt, haben ausserdem ein feines Gespür dafür, ob eine Redaktion wirklich nach Innovation sucht oder sich nur ein digitales Mäntelchen umhängt. Es ist auch immer wieder erstaunlich zu sehen, wie sehr Leser einer Redaktion beistehen, wenn diese für ihre Experimente von Trollen oder auch von ignoranten Medienjournalisten angefeindet oder lächerlich gemacht wird. Mut und ernsthafte Bemühung werden auf lange Sicht eben doch belohnt.

Was bedeutet Offenheit für Sie?
Offenheit sollte man nicht verwechseln mit Laissez-Faire. Mit Offenheit meine ich, mehr Raum für Experimentierfreude einzufordern und auch selbst anzubieten. Nur so entsteht Neues. Einstein sagte einmal, kombinatorisches Spielen erscheine ihm als ein essentieller Bestandteil produktiven Denkens. Nicht von ungefähr entstehen viele der schönsten Ideen in Zigarettenpausen oder jenseits aller Kreativ-Workshops und Brainstorming Sessions, also genau dann, wenn gerade nicht offiziell gearbeitet wird. Womit ich aber nicht zum Rauchen auffordern will.

Rebecca Panian

Filmemacherin Rebecca Panian (JO07)

 

Sie haben zusammen mit der Journalistin Alysa Selene das Buch “German Dream” verfasst. Sind Sie ein Träumer?
Träumen, vor allem das Tagträumen, ist eine menschliche Gabe, die uns erlaubt, unser Wissen, unsere Erfahrung und Intelligenz in anderer Weise einzusetzen, als es uns rein willentlich möglich ist. Und ja, ich gebe das gerne zu: Ich glaube daran, dass wir die Welt verbessern können und ich vertraue darauf, dass Ehrlichkeit am Ende immer gewinnt. Aber natürlich habe ich auch gelernt, strategisch zu sein und mich zu beschützen. Ehrlichkeit und Offenheit sind nicht synonym für Schutzlosigkeit. Um es bildlicher auszudrücken: Ein Pazifist sollte sich im Interesse des eigenen Erfolges darum bemühen, auch das Denken und die Ängste der Militärs zu verstehen.

Was erträumen Sie sich für den Journalismus?
Meine erste Pflicht als Journalist ist, die Welt zu beschreiben wie sie ist, also das Bemühen um Ausgewogenheit, Fairness und Genauigkeit. Die zweite Pflicht ist dann, es nicht nur bei der Nachricht zu belassen, sondern sie auch in ihrem Kontext zu präsentieren, sie zu analysieren und zu kommentieren. Ich glaube jedoch, dass Journalismus nicht nur informieren und interpretieren, sondern auch inspirieren sollte, also nicht nur die Welt zu beschreiben wie sie ist, sondern auch wie sie sein könnte. Das amerikanische Solutions Journalism Network ist in dieser Hinsicht ein wichtiges Experiment. Ich hoffe auch, dass wir ein neues journalistisches Ökosystem entwickeln werden, in dem robuster, unabhängiger Journalismus weiterhin möglich ist, frei von der Einflussname durch Werbekunden, Regierungen, Parteien, Lobbyisten, Kirchen oder Stiftungen.

Und speziell für Newsrooms?
Ich besuche viele Newsrooms auf der ganzen Welt und bin erstaunt, wie ethnisch homogen die meisten Newsrooms bis heute sind und wie wenig sie die Zusammensetzung ihrer jeweiligen Leserschaft repräsentieren. Newsroom-Diversity ist keine moralische Pflichtübung, sondern eine strategische Notwendigkeit.

Vor dem “Ausschuss Kultur und Medien” des Bundestags haben Sie Aufsehen erregt mit Ihrem Kurzvortrag “Die sieben Branchenmythen über den Zustand des Journalismus“. Was sagen Sie jemandem, der zum Beispiel noch immer meint, dass Online-Journalismus eine Gefahr für die Demokratie ist?
Nicht mehr viel. Ich hab mich aber auch frei gemacht von dieser seltsamen Idee, dass alle in der Branche die gleichen Sichtweisen auf den Online-Journalismus vertreten sollten. Ich reagiere eher skeptisch, wenn ich in einem Text über die Zukunft des Journalismus noch die Worte “wir” oder “müssen” lese. Wir “müssen” überhaupt nichts und das appellative “Wir” ist eine Fiktion, die meist in manipulativer oder auch anbiedernder Weise daherkommt.
Ich muss niemanden mehr davon überzeugen, dass der Online-Journalismus den besten Journalismus hervorbringt, weil er auf die meisten Quellen zugreifen kann, weil er im ständigen Austausch mit potentiellen Quellen und Lesern steht, weil er der permanent grössten, da öffentlichen Qualitätskontrolle unterzogen wird oder weil nur der Online-Journalismus simultan verschiedene Zugangsarten und Einstiegstiefen in einen Thema anbieten kann. Das erklärt sich inzwischen von selbst. Diese Zukunft muss ich nicht mehr besingen, sie ist längst da. Was mich derzeit mehr interessiert ist die Frage, wie der Journalismus demokratischer Gesellschaften in der zunehmend globalisierten Medienöffentlichkeit weiterhin weltweit Gehör finden kann.

Was möchten Sie Journalismus-Studenten mit auf den Weg geben?
Ich würde ihnen raten, nicht nur journalistisches Handwerkszeug zu erwerben und eine exzellente Allgemeinbildung und Mehrsprachigkeit anzustreben, sondern auch tiefes Fachwissen. Selbst in den grössten Newsrooms fehlen – um nur wenige Beispiele zu nennen – Naturwissenschaftler, Informatiker oder auch Fachjuristen, ohne die viele Stories nicht adäquat bewertet und bearbeitet werden können. Die weltweite Berichterstattung zur Snowden-Story beispielweise hat sehr eindrücklich illustriert, wie vielen Newsrooms immer noch das Basiswissen über die technische Architektur des Internet fehlt.

Und was braucht ein guter Journalist auf menschlicher Ebene?
Ein grosses Herz, ein dickes Fell, ein schnelles Hirn – und einen Traum.

Mehr zum Executive Director of Digital Strategy
Wolfgang Blau (geb. 1967 in Stuttgart) arbeitete während seines Studums beim Saarländischen Rundfunk und später als News-Anchor und Chef vom Dienst bei BLR-Radiodienst in München. Von 1999 bis 2007 war er als freier Journalist in San Francisco, dem Silicon Valley und Washington D.C. tätig und schrieb vor allem für DIE WELT und das ZDF. Daneben entwickelte er Online-Angebote wie das Online-Audio-Portal für die Tageszeitung DIE Welt. Im Jahr 2007 veröffentlichte er mit der Journalistin Alysa Selene im Verlag dtv das Buch “German Dream”, eine Suche nach einem inspirierenden Zukunftsentwurf für Deutschland. Von 2008 bis 2013 war Blau Chefredakteur von Zeit Online und wurde 2011 als erster Chefredakteur einer digitalen Publikation in Deutschland zum “Chefredakteur des Jahres” gewählt. Im April 2013 wechselte Blau zur britischen Tageszeitung The Guardian, wo er als Executive Director of Digital Strategie fungiert und zum Team des Chefredakteurs Alan Rusbridger gehört. Er ist derzeit einer der vier internen Kandidaten für die Nachfolge Alan Rusbridgers als Chefredakteur des Guardian. Blau ist Vice President des Global Editors Network mit Sitz in Paris.
Twitter: @wblau

Der Satz, für den ich den Job hier mache

Posted on 3. März 2015 by Redaktion
von Thomas Gantenbein, Wissenschaftlicher Mitarbeiter IAM

“Warum ist so ein Lärm, tamisiech?” Nein, das ist nicht der Satz, für den ich den Job hier mache, nämlich vor einigen Studierenden zu stehen und ihnen etwas zu vermitteln, was wir am IAM für wichtig halten. Auch der Antwortsatz ist es nicht: “Wir haben Hunger!” Na und? Stillt Radau vielleicht den Hunger? Eben. Dann also zusammenreissen und Ruhe.

Nein, bestimmt nicht, für so was mache ich den Job nicht. In solchen Momenten finde ich ihn eher – ich formuliere es höflich – begrenzt befriedigend. In anderen Momenten hingegen finde ich ihn toll: Mit Kolleginnen und Kollegen über Kursinhalte diskutieren, die Veranstaltung planen, einprägsame Beispiele suchen, mit Studierenden über Texte streiten. Das alles finde ich toll, aber ich musste vier Jahre warten, bis ein Student endlich mal so nett war, den Satz zu sagen.

Thomas Gantenbein

Thomas Gantenbein hat lange auf diesen Satz gewartet.

Gefallen ist dieser Satz ganz am Ende des letzten Medienforschungsseminars. Die zwölf Studierenden sollten den eigenen Schreibprozess und den der anderen beobachten, sich gegenseitig Fragen zu diesen Prozessen stellen und schliesslich bei Leserinnen und Lesern erfragen, wie die Texte ankommen. Ein Kollege und ich haben ihnen ausserdem Feedback gegeben zum Text und, in Teilen, zum Schreibprozess. Ziel des Ganzen war es, den “Lebenszyklus” eines Textes möglichst ganzheitlich und systematisch zu untersuchen: Wie wird der Text hergestellt? Welche Qualitäten hat er? Was fängt das Publikum mit dem Text an? Und wie hängen die Antworten auf diese Fragen miteinander zusammen?

Viele Fragen … und keine einfachen, finde ich. “Ich bin erstaunt, wie wenig Probleme es gab”, habe ich deshalb den Studierenden am Ende des Seminars gesagt. Gelächter der Studierenden. Schon klar, eigentlich müsste ich überzeugt sein, dass es gut läuft. Bin ich aber nicht. Dafür bin ich zu wenig Hellseher oder Grössenwahnsinniger. Vielleicht lag es an der Gruppenzusammensetzung, dass viele der befürchteten Probleme gar nicht erst aufgetreten sind. Und vielleicht habe ich den Studierenden im ersten Absatz Unrecht getan und ich unterschätze die Wirkung von Hunger – und seines Ausbleibens: Eine Gruppe von sechs Leuten im Seminar hatte nämlich den Deal, dass etwas Süsses mitbringen muss, wer mal in einer Veranstaltung fehlt. Brownies als didaktisches Mittel. Muss ich mir merken.

Meinem Ego zuliebe sage ich mir jetzt aber einfach, dass auch Inhalt und Form etwas dazu beigetragen hatten, dass also am Ende des Seminars ein Student sagte: “Da haben wir im ganzen ersten Jahr von Progressionsanalyse und so gesprochen – und jetzt im dritten Semester habe ich es wirklich verstanden.” Leider hatte ich kein Aufnahmegerät laufen in diesem Moment. Und was bleibt, wenn das Aufnahmegerät einen wichtigen Moment nicht festgehalten hat? Richtig: Ab ins Tagebuch damit. Obwohl: So einen ledergebundenen Wälzer samt Schloss kaufen, für durchschnittlich 0,25 Einträge pro Jahr … nein, vielleicht doch lieber nicht. Aber wie wär’s mit dem elektronischen Tagebuch vom IAM? Gute Idee. Oder?

Mehr zum Thema:
Die Leckerbissen im Medienforschungsseminar von Benjamin Seiler, Student IAM

Ungefickte Nachrichten

Posted on 24. Februar 2015 by Redaktion
von Dominik Véron, Master-Student am IAM

Anglizismen sind wunderbar. In der Schweiz werden so viele englische Wörter so selbstverständlich benutzt, dass sie nicht mehr besonders auffallen, wenn sie in (schweizer)deutschen Gesprächen eingesetzt werden. So wie “fuck”. So selbstverständlich, dass die rein digitale Newsplattform watson ihre erste gross angelegte Kampagne um dieses Wort herum baut. Watson präsentieren ihre News nämlich “unfucked”. Und laut Livio Dainese von Wirz “unfuckt” man etwas, wenn man etwas “richtet, das vorher schief oder eben fucked war”. Heisst das nun, dass der Tages-Anzeiger, die NZZ oder Blick “fucked” News präsentieren oder dass watson – woher sie ihre Nachrichten auch immer bekommen – die News zuerst richten müssen, bevor sie publiziert werden?

Da wir nun alle so gedankenlos mit “fucks” um uns werfen, ist es umso interessanter das Wort von einer anderen Seite zu betrachten. Ein Wort, das beispielsweise in der amerikanischen Öffentlichkeit als weiterhin so vulgär gilt, dass es im TV schön ausgepiepst wird und falls dies nicht geschieht eine mittlere Staatskrise auslöst und – wenn nachträglich auf Youtube publiziert – Millionen von Klicks generiert. Angesichts dessen unvorstellbar, dass Übersee eine News-Plattform mit diesem Ausdruck werben würde, auch wenn sie frech und provokativ wirken will.

In der Schweiz wäre dies wohl nicht mal gross anders. Es ist wohl realistischer, dass Stefan Klapproth eines Tages mit Glatze auftritt, als dass er absichtlich vor der Kamera “ficken” sagt (unabsichtlich hat er dies sogar bereits…). Watson kann nun noch so alternativ und modern wirken, der Claim würde niemals “#ungefickteNews” lauten. Die Absurdität wird einem erst nach der Übersetzung ins Deutsche klar. So oder ähnlich bescheuert muss sich das Ganze für jemanden mit Englisch als Muttersprache anhören.

#newsunfucked verwirrt und macht stutzig, aber wirkt nur nicht total bekloppt und vulgär, weil wir alle nicht besonders gut Englisch sprechen…

Dominik Véron ist Master-Student am IAM und Autor des Blogs Textbecken.

Weiterführende Links:
Blog Textbecken von Dominik Véron

Die Leckerbissen im Medienforschungsseminar

Posted on 9. Februar 2015 by Redaktion
von Benjamin Seiler, Student JO13

Schnell hastete ich die letzten Stufen zum kleinen Klassenzimmer hinauf, damit ich es noch pünktlich zu meinem Medienforschungsseminar schaffte. Es war eines von vier Seminaren, welches dieses Semester durchgeführt wurde. Die Auswahl der Seminare reichte vom Internetauftritt für Unternehmen, über eine Journalistenbefragung, bis zu Energieeffizienz von Haushalten und dem Seminar über Schreibprozesse, welches ich ausgewählt hatte. An jenem Tag wurde es besonders spannend, denn wir bekamen die ersten Feedbacks zu unseren Texten. Weil wir nur rund zwölf Leute waren, konnten die Rückmeldungen sehr individuell gestaltet werden. Als ich hineinkam, roch es nach Frischgebackenem. Jemand hatte Brownies mitgebracht. Doch an Naschen war nicht zu denken, denn der Dozent hatte bereits mit den ersten Feedbacks begonnen.

Mis en place der Abschlussarbeit
Es war diese familiäre Atmosphäre, welche das MeFo-Seminar so angenehm gemacht hatte. Mit einer fast immer vollständigen Klasse haben wir die Medienlinguistik-Theorie vom ersten und zweiten Semester in die Praxis umgesetzt. Angefangen haben wir mit dem Zusammenfassen einer wissenschaftlichen Publikation. Unser Schreibprozess wurde dabei aufgezeichnet. Man muss sich das vorstellen, als ob jemand den Bildschirm filmt, während man einen Text schreibt – nur ohne Ton. Beim nächsten Treffen wurde dem Autor seinen Schreibprozess gezeigt und er wurde gleichzeitig fortwährend gefragt, was er mache und warum er es mache. Dieses Interview wurde dann in die Videoaufnahme des Schreibprozesses eingefügt. So sieht man, was der Schreibende macht und hört gleichzeitig seine Kommentare dazu. Dann wurden diese Aufnahmen mit den Interviews nochmals in Gruppen untersucht und ungewöhnliche Aktivitäten, beispielsweise wenn der Autor ohne Vorwarnung einen ganzen Abschnitt gelöscht hat, in einem Excel Datenblatt notiert. Diese Analysen haben unseren Korpus für die Abschlussarbeit des Seminars stetig gefüllt. Meist erarbeiteten wir die Analysen als Gruppe – und wenn jemand nicht zur Gruppenarbeit erscheinen konnte, musste derjenige etwas Süsses mitbringen.

Benjamin_Seiler

Benjamin Seiler

Schreibforschungsseminar als Filetstück
Glücklicherweise konnten die Dozenten unserem Seminar die nötige Würze verleihen. Denn durch die interessanten Diskussionen erhielten wir viele professionelle Ratschläge und Kniffe für unsere eigenen Schreibprozesse. Beispielsweise sei es wichtig, dass man frühestens, nachdem man einen Abschnitt fertig geschrieben hat, anfangen sollte, Rechtschreibfehler zu korrigieren. Das Redigieren und Ändern der Satzstellungen solle lieber am Schluss als fortwährend gemacht werden.

Viele Feedbacks und “süsse” Gruppenarbeit
Insgesamt bin ich froh, dass ich mein Medienforschungsseminar in der Schreibforschung machen konnte. Gerade im Vergleich zu den anderen Seminaren konnte ich sehr viel von den Rückmeldungen und Diskussionen mit den Dozenten profitieren. Es gab mir auch einen praxisnahen Einblick in die Untersuchung der Schreibprozesse. Schreibarbeiten erschienen sinnvoll und sogar das leidige Thema “Gruppenarbeit” bekam mit unserer Regelung einen süssen Nachgeschmack. Dieses Mal mit Brownies.

Mehr zum Thema:
Der Satz, für den ich den Job hier mache, von Thomas Gantenbein, Wissenschaftlicher Mitarbeiter IAM

Haben Bibliotheken eine Zukunft?

Posted on 29. Januar 2015 by Redaktion
von Stefan Jörissen, Dozent IAM

Studierende des IAM haben im Rahmen eines Studienprojekts Beiträge für die Zeitschrift Arbido konzipiert und verfasst. Das Schweizer Fachblatt für Archiv-, Bibliotheks- und Dokumentationswesen thematisiert und porträtiert in seiner aktuellen Nummer die hiesigen Fachhochschulbibliotheken.

Wie und wozu nutzen FH-Studierende Bibliotheken, und wodurch unterscheidet sich eine FH-Bibliothek von einer Universitätsbibliothek? Die jüngste Ausgabe der Zeitschrift Arbido widmet sich den Bibliotheken der Schweizer Fachhochschulen. Anlass dazu bieten unter anderem die zahlreichen grossen FH-Bibliotheken, die seit 2010 erstellt und zum Teil schon eröffnet wurden, etwa jene der Pädagogischen Hochschule in Zürich, der FHNW in Windisch, der ZHdK bzw. der ZHAW im Zürcher Toni-Areal und der ZHAW in Winterthur.

Hochschule für Technik Rapperswil

Austausch- und Begegnungsort: Blick in die HSR-Bibliothek

Im Rahmen eines Studienprojekts beteiligten sich Studierende des IAM wesentlich an der Entstehung der aktuellen Arbido-Nummer. Die Studierenden setzten sich zunächst mit Fragen des Wissensmanagements und der gesellschaftlichen Funktion von Bibliotheken auseinander. Vor diesem Hintergrund porträtierten sie mehrere Bibliotheken und führten Interviews mit der Leitung und mit zahlreichen Besuchern der jeweiligen Einrichtungen. Die Themen wurden dabei auch fotografisch in Szene gesetzt. Die Arbido-Redaktion wählte am Ende des Projektes fünf Beiträge aus, die neben Artikeln von informationswissenschaftlichen Profis publiziert wurden.

Rolf Steinegger

Rolf Steinegger arbeitet an der School of Engineering.

Hochschulbibliotheken sind auch in einer digitalen Welt notwendig, wie die Beiträge zeigen. Neben Printmedien, die nach wie vor stark nachgefragt werden, sind Bibliotheken mit ihrer Infrastruktur und dem professionellen Wissen ihrer Mitarbeitenden mehr denn je Drehscheiben für die Informationsbeschaffung in Forschung und Lehre. Räumlich stellen die Bibliotheken Wahrzeichen des Wissens und damit Identifikationsmerkmale der Hochschulen dar, und den Studierenden bieten sie in einem zunehmend fragmentierten Bildungssystem Raum für selbständiges Lernen und soziale Kontakte.

Das Studienprojekt fand im Rahmen des Moduls “Stilistik, Intertextualität und Diskurs” unter der Leitung von Prof. Dr. Walter Joos und Dr. Roger Müller Farguell vom Language Competence Centre der ZHAW statt. Das LCC richtet als Kompetenzzentrum für sprachliche Ausbildung den Deutsch- und Fremdsprachenunterricht in verschiedenen Studiengängen der ZHAW aus, unter anderem im Studiengang Journalismus & Organisationskommunikation des IAM.

Die Arbido-Ausgabe “FH-Bibliotheken – eine dynamische Entwicklung”

Lisbon Story – ECREA 2014 oder der Ruf des Flüchtigen

Posted on 16. Dezember 2014 by Redaktion
von Filip Dingerkus, Wissenschaftlicher Assistent im Bereich Journalistik

Wenn es Herbst wird und die Kommunikationswissenschaftler alle zwei Jahre losfliegen und eine (bevorzugt süd-) europäische Stadt ansteuern, dann handelt es sich nicht bloss um einen bizarren Vogelzug – sonderbare Vögel sind Wissenschaftler allemal – , sondern um die ECREA-Konferenz (etwas sperriger: European Communication Research and Education Association), die an die Tür klopft.

Diesmal kam der Ruf aus Lissabon, wo der Winter noch nicht Einzug gehalten hat. Die Jahreszeit zeichnet sich durch ein einladend mildes Klima aus. Die Hauptstadt Portugals erweist sich aber nicht nur in klimatischer Sicht als gelungene Wahl. Dank der kulturellen Vielfalt, dem historischen Charme und dem entspannten Flair rangiert diese Stadt ganz oben auf den Listen der beliebtesten europäischen Städte.

Zeiten der Veränderung
Die ECREA-Konferenz ist sozusagen die Fussball-EM der Medienwissenschaften. Entsprechend hat sie auch einen ähnlichen Stellenwert. Weltmeisterschaften wie die ICA (International Communication Association) oder IAMCR (International Association for Media and Communication Research) sind schon toll, aber die hochkulturellen Europäer brauchen auch mal eine Möglichkeit sich selbst und ihre kommunikationswissenschaftlichen Errungenschaften in familiärem Rahmen zu feiern – unter seinesgleichen versteht sich. Da lässt sich gepflegt die eminente Dominanz der US-Amerikaner ausblenden. Und mit bis zu 2000 Teilnehmern vermisst man die Vereinigten Staaten als grossen Player auch nicht. Die Sektionen sind thematisch aufgeteilt und es ist imposant im Programm 14 gleichzeitig stattfindende Panels zu sehen. Beispielsweise gibt es die grossen Divisionen wie Journalismusforschung oder Wirkungs- & Rezeptionsforschung, aber auch kleinere Gruppierungen wie Diaspora-Kommunikation oder Umweltkommunikation. Aber der Glanz einer Europameisterschaft verblasst ein wenig beim Anblick der detaillierten Start-Aufstellung. Die grossen Namen halten kaum noch Präsentationen, überlassen das Feld dem Nachwuchs. Man fühlt sich an die aktuellen Rotationsexperimente von Jogi Löw erinnert. Sehr löblich, dass die Jungen auch ihre Chance erhalten. Und gut sind sie grundsätzlich auch, aber es fehlt ihnen oft die Erfahrung und Abgeklärtheit, weshalb bei den Panels hin und wieder einige Gegentore in Kauf genommen werden müssen. Hier merkt man eben doch, dass die präsentationserprobten US-Amerikaner fehlen. Denn in der Summe ist die europäische Qualität sehr schwankend und es stellt sich die Frage wo deren namhafte Vertreter bleiben? An der Konferenz lassen sie sich blicken. Wieso nicht an den Präsentationen?

Neuer Fokus der „Grossen“
Die bekannten Personen aus der Kommunikationsforschung lassen sich bei den Präsentationen häufig vertreten. Dies ist verständlich bei dem Publikationsoutput, den sie jährlich liefern „müssen“. Für das Konferenzniveau ist das aber nicht gerade zuträglich. Ob die Veranstalter dadurch ganz nach dem Vorbild der Journalismusbranche Ambitionen verfolgen, sich zu verändern und selbst neu zu erfinden, sei dahingestellt. Vom Aussterben bedroht sind Medienwissenschaftstagungen jedenfalls nicht. Im Gegenteil: Jedes Land hat meist mehrere in verschieden grossen Ausführungen und mit unterschiedlichen thematischen Schwerpunkten. Die abflachende inhaltliche Qualität und die Präsentationsmüdigkeit ihrer Aushängeschilder lassen sich daher auch mit dem Überangebot an Konferenzen erklären. Bei einer derart hohen Eventdichte bündeln sich die Topthemen bei den „Top-shot“-Konferenzen wie der ICA. Für die anderen Konferenzen bleiben oft nur noch Recyclingprodukte übrig, oder Präsentationen mit geringerem Erkenntnisgewinn. Weshalb trotzdem alle versuchen ihr Konterfei in den Gängen spazieren zu führen, hat einen zentralen Grund: Netzwerken. Denn formal gesehen, braucht es eine ECREA als Ort, um sich mit anderen Forschern auszutauschen. Dies entwickelt sich momentan zum Hauptzweck der grossen, aber nicht weltumspannenden Tagungen.

Netzwerken muss gelernt sein
Der mehrtägige Smalltalk, die Selbstvermarktung und die Schaffung von Anknüpfungspunkten an mögliche zukünftige Kooperationen erfordern viel Energie und Durchhaltevermögen. Es ist eine andere Form von Spitzensport, bei dem die Lorbeeren erst nach grossem und langem Einsatz geerntet werden. Das ist anstrengend und der Sinn dieser Mühen kann einem mit der Zeit auch abhandenkommen. Doch die Mühle dreht unaufhörlich weiter und man muss darauf achten, nicht unters Rad zu fallen. Falls man doch einen Moment des Innehaltens sucht, hilft es einmal hinauszugehen und sich von der sanften Lissabonner Meeresbrise den Kopf lüften zu lassen – nochmals einen Hauch von Spätsommer spüren. Nur gut, dass das Konferenzzentrum am Wasser gelegen ist. Die Uferpromenade lädt dazu ein, dem Rauschen der Wellen zu lauschen und die Seele baumeln zu lassen. Wahrlich entspannend diese Stadt.

Und so ist es wie in Wim Wenders Film „Lisbon Story“, in dem ein Tontechniker dem Ruf des befreundeten Regisseurs folgt. Er soll dessen Film in Lissabon vertonen, kann seinen Kollegen (der nach seiner Sinnkrise untergetaucht ist) dort aber nirgends auffinden. Stattdessen macht sich der Toningenieur eigenhändig an die Arbeit und erliegt während dem er die Geräuschkulissen der Stadt einfängt deren Charme. Die ECREA ist wie ein Regisseur, der seine Inspiration verloren hat und abgetaucht ist. Lissabon hingegen ist der Ort, an dem das keine Rolle spielt, denn hier kann jeder seine ganz eigene Inspiration finden oder wiederentdecken.

Übrigens:
Wen es interessiert wie eine internationale Konferenz (in kleinerem Rahmen) über die Bühne geht, kann sich am 5./6. Februar bei uns am IAM in Winterthur selbst überzeugen, wenn es heisst: „Re-Inventing Journalism“.





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