Baldrian: Pflanzliche Hilfe mit Wirkung? Ein HTA zur Klärung dieser Frage

Quelle: AdobeStock.com

Von Diego Salinas Gallegos

Schlafstörungen, psychischer Stress und Prüfungsangst betreffen einen erheblichen Teil der Schweizer Bevölkerung, wobei Schlafstörungen und stressbedingte Beschwerden in den letzten Jahren deutlich zugenommen haben. Etwa ein Drittel aller Erwachsenen leidet unter Ein- oder Durchschlafstörungen[1][2].

Pflanzliche Schlafmittel erfreuen sich grosser Beliebtheit, da sie als „natürlich“ und damit sicher wahrgenommen werden. Baldrianpräparate stellen daher eine wichtige Therapieoption dar, da sie auch ohne Rezept erhältlich sind und als gut verträglich gelten. Die Nachfrage nach diesen Produkten ist entsprechend gestiegen, die Kosten von vergüteten baldrianhaltigen Medikamenten haben sich von CHF 7 Mio. im Jahr 2014 auf CHF 21 Mio. im Jahr 2023 erhöht[3].

Während eine zunehmende Zahl von Menschen zu pflanzlichen Schlafmitteln greift, stellt sich die wichtige Frage: Sind baldrianhaltige Medikamente tatsächlich wirksam?  Unser Team führt derzeit im Auftrag des Bundesamts für Gesundheit (BAG) ein umfassendes Health Technology Assessment (HTA) durch, um diese Frage zu beantworten.

Hintergrund: Was steht auf dem Prüfstand?

Baldrianhaltige Arzneimittel werden häufig bei Ein- und Durchschlafstörungen sowie unruhigem Schlaf eingesetzt. Die Baldrianwurzel wird seit Jahrhunderten als natürliches Beruhigungs- und Schlafmittel eingesetzt. Moderne Präparate enthalten standardisierte Extrakte, die bei Nervosität-bedingten Einschlafstörungen, innerer Unruhe und stressbedingten Beschwerden helfen sollen. Einige dieser Präparate werden von der Grundversicherung übernommen.

Baldrian wird in der Regel in Form von Tropfen, Filmtabletten oder Dragees eingenommen und häufig mit anderen beruhigenden Arzneipflanzen wie Hopfen oder Melisse kombiniert. Die Präparate versprechen eine natürliche Alternative zu chemisch-synthetischen Schlafmitteln und Beruhigungsmitteln ohne deren potenzielle Nebenwirkungen und Abhängigkeitsrisiken.

Was untersuchen wir?

Im laufenden HTA bewerten wir wissenschaftlich die Wirksamkeit, Sicherheit und die budgetären Auswirkungen dieser Medikamente.

Dabei werden neben den medizinischen Aspekten auch die finanziellen Auswirkungen auf das Gesundheitssystem analysiert: Wie hoch sind die Behandlungskosten? Wie wahrscheinlich sind mögliche Folgebehandlungen und wie viel kosten sie? Und welche Auswirkung auf die Gesundheitsausgabenhaben baldrianhaltige Medikamente?

Diese systematische Evaluation trägt dazu bei, dass knappe Ressourcen im Gesundheitswesen evidenzbasiert und gezielt für wirksame Therapien eingesetzt werden können.

Mögliche Auswirkungen der Studienergebnisse

Sollte die Evidenz für die Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit der untersuchten Baldrian-Präparate unzureichend sein, könnte dies zu einer Streichung aus dem Leistungskatalog der Grundversicherung führen. Dies würde bedeuten, dass Patientinnen und Patienten die Kosten künftig selbst tragen müssten. Umgekehrt würde eine positive Bewertung die Erstattungsfähigkeit bestätigen und möglicherweise sogar den Zugang zu diesen Therapien fördern. Die Budget Impact Analyse, ein zentraler Bestandteil der Studie, wird aufzeigen, welche finanziellen Auswirkungen die Streichung vom Leistungskatalog auf die Gesundheitsausgaben hätte.

Unabhängig vom Ausgang des HTAs, erhalten ÄrztInnen eine wissenschaftliche Grundlage für ihre Therapieempfehlungen, und die Gesellschaft profitiert von einer evidenzbasierten Mittelverwendung im Gesundheitswesen.

Dieser Blogbeitrag basiert auf öffentlich verfügbaren Informationen zum laufenden HTA-Projekt des Bundesamts für Gesundheit. Die finalen Ergebnisse der Evaluation stehen noch aus und werden voraussichtlich Anfang 2026 publiziert. Das Studienprotokoll des HTAs ist hier zu finden.

Diego Salinas Gallegos ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Team HTA und gesundheitsökonomische Evaluationen am WIG.


[1] Schweizerisches Gesundheitsobservatorium (Obsan). Einschlaf- oder Durchschlafstörungen. 2025.https://ind.obsan.admin.ch/indicator/obsan/einschlaf-oder-durchschlafstoerungen (abgerufen am 23 Jun 2025)

[2] Bundesamt für Statistik. Schweizerische Gesundheitsbefragung 1997-2022: Schlafstörungen. GNP-Diffusion. https://www.bfs.admin.ch/news/en/2024-0165 (abgerufen am 23 Jun 2025).

[3] Bundesamt für Gesundheit. Health Technology Assessment (HTA): Pre-Scoping Report:  Baldrianhaltige Medikamente gegen Schlafstörungen und Angstzustände. Bern: Bundesamt für Gesundheit 2024


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert