Von Linda Vinci
Rückenschmerzen gehören zu den häufigsten gesundheitlichen Beschwerden weltweit und stellen eine erhebliche Belastung für das Gesundheitssystem dar. Die Physiotherapie ist ein wichtiger Baustein in der Behandlung von Rückenschmerzen. Digitale Applikationen haben in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen und werden inzwischen auch in der Physiotherapie eingesetzt. Doch sind diese Technologien kostenwirksam und welche Vorteile haben sie? In diesem Blogbeitrag werfen wir einen Blick darauf.
Wozu braucht es digitale Applikationen in der Physiotherapie?
Da Rückenschmerzen in der Bevölkerung häufig vorkommen, verursachen sie sehr hohe Kosten durch medizinische Behandlungen und Arbeitsausfälle. Gemäss einer Studie von Wieser et al. beliefen sich in der Schweiz die direkten medizinischen Kosten von Rückenschmerzen im Jahr 2011 auf CHF 3.8 Milliarden. Die Produktionsverluste durch Arbeitsausfälle, Präsentismus oder vorzeitige Pensionierungen wurden auf CHF 7.5 Milliarden geschätzt. Physiotherapie wird häufig als bevorzugte Therapie bei akuten und chronischen Rückenbeschwerden eingesetzt. Digitale Applikationen (Mobile Apps, Web Apps, Desktop Apps, Wearable-Apps) können diese ergänzen oder ersetzen, indem sie beispielsweise Übungsanleitungen, telemedizinische Beratungen oder personalisierte Therapiepläne zur Verfügung stellen oder die Haltung überwachen.
Vorteile digitaler Applikationen
Studien zeigen, dass digitale Applikationen eine gleichwertige oder sogar bessere Wirksamkeit im Vergleich zur traditionellen Physiotherapie aufweisen können. Durch die Reduktion notwendiger physischer Therapiesitzungen können sie die Kosten senken. Zudem fördern digitale Applikationen möglicherweise die Motivation und Kontinuität bei den Übungen, was die Heilung beschleunigen und langfristig ebenfalls Kosten reduzieren kann. Patient:innen profitieren von der Flexibilität digitaler Applikationen, da zeitaufwändige Anfahrten und Wartezeiten entfallen. Besonders wertvoll sind diese Applikationen auch für die Betreuung von Patient:innen in ländlichen Regionen, die sonst möglicherweise eingeschränkten Zugang zu physiotherapeutischer Versorgung hätten.
Ergebnisse gesundheitsökonomischer Evaluationen
Studien zeigen, dass digitale Gesundheitsinterventionen wie beispielsweise eine kurze telefonische Beratung, gefolgt von einer klinischen Konsultation mit einem/einer Physiotherapeut:in und einem anschliessenden sechsmonatigen Coaching durch eine App bei Rückenschmerzen kostenwirksam ausfallen können. Kostenwirksamkeit bedeutet, dass die Kosten der Massnahme in einem angemessenen Verhältnis zu ihrem Nutzen stehen. Zu diesem Schluss kommen sowohl Studien, die nur die medizinischen Behandlungskosten berücksichtigt haben, als auch jene, die zusätzlich die Produktionsverluste einbezogen haben. Die Art der digitalen Gesundheitsmassnahme (z.B. Ersetzung der Physiotherapie oder Ergänzung zur Physiotherapie) war einer der einflussreichsten Faktoren auf die Kosten.
Stand in der Schweiz
In der Schweiz gibt es bereits Physiotherapeut:innen, die zusätzlich zur herkömmlichen Physiotherapie digitale Applikationen mit ihren Patient:innen verwenden. Allerdings können die Physiotherapeut:innen die Nutzung digitaler Anwendungen derzeit nicht über die obligatorische Krankenpflegeversicherung abrechnen, da es hierfür noch keinen entsprechenden Tarif gibt. Zudem gibt es in der Schweiz noch keine Richtlinien, für welche Diagnosen die Verwendung digitaler Applikationen empfohlen wird.
Fazit
Studien haben bereits gezeigt, dass digitale Gesundheitsinterventionen bei Rückenschmerzen kostenwirksam sein können. Es mangelt jedoch noch an Evidenz, insbesondere zu den langfristigen Effekten. In der Schweiz fehlt aktuell auch noch ein Tarif für telemedizinische Leistungen in der Physiotherapie.
Linda Vinci ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Team HTA und Gesundheitsökonomische Evaluationen am WIG.