Value-Based Healthcare Management – die Umsetzung des Konzepts Value-Based Healthcare in der Praxis:

Teil 3: Wie uns die Marketing-Denkweise bei der Umsetzung von Value-Based Healthcare Management hilft

Quelle: Colourbox

Von Dr. Florian Liberatore

Der Blick auf das Marketing in der Debatte um Value-based Healthcare ist lohnend, da diese betriebswirtschaftliche Disziplin seit ihrer Entstehung die Marktorientierung, und damit die Orientierung an Werteversprechen und der Erfüllung von Werten durch entsprechende Produkte und Dienstleistungen, im Fokus hat.

Jedoch hat sich das heute vorherrschende Marketing-Verständnis im Laufe der Jahre auch erst entwickeln müssen und das macht den Blick auf diese Entwicklung so spannend. Sie zeigt nämlich Ähnlichkeiten zur Entwicklung des Value-Gedankens im Gesundheitswesen. Nur mit dem Unterschied, dass man im Gesundheitswesen mit Value-Based Healthcare noch nicht da ist, wo man heute im Marketing steht.

Mit einer Reihe von Blogbeiträgen möchte ich, gemeinsam mit meinem Kollegen Prof. Dr. Alfred Angerer, die praktische Umsetzung des Konzepts Value-Based Healthcare im Sinne eines Value-Based Healthcare Managements darstellen. Das Wissen stammt dabei aus unserem Kompetenzspektrum und Erfahrungen als Winterthurer Institut für Gesundheitsökonomie in Forschungs- und Beratungsprojekten auf diesem Gebiet.

In den vorangegangenen Teilen der Reihe wurde bereits dargestellt, was man unter «Value» aus einer Healthcare Management-Perspektive versteht (Teil 1) und welche zentralen Bausteine im Management eine strukturierte und zielführende Umsetzung von Value-Based Healthcare ermöglichen (Teil 2). In diesem Teil soll es darum gehen, wie uns die Marketing-Denkweise bei der Umsetzung von Value-Based Healthcare Management hilft.

In den Anfängen des Marketings war das sogenannte Produktionskonzept vorherrschend. Nach diesem Konzept kauft ein Kunde [1], was verfügbar und günstig ist. Die Empfehlung lautete damals also, möglichst effizient zu wirtschaften, um niedrige Preise zu garantieren und über eine entsprechende Logistik eine flächendeckende Versorgung zu gewährleisten. Dieses Vorgehen weist erstaunliche Parallelen zu den betriebswirtschaftlichen Zielen der vergangenen Jahre im Gesundheitswesen auf. Kosteneinsparpotentiale wurden ausgelotet und es wurde darauf geachtet, dass die Gesundheitsversorgung flächendeckend gewährleistet ist. Dabei spielten Qualitätsaspekte eine untergeordnete Rolle.

Weiter ging es im Marketing mit dem sogenannten Verkaufskonzept. Grundidee dabei war, dass man mit möglichst viel Werbung Marktpotentiale und Marktanteile erschliessen kann. Es war die Zeit der flotten Werbesprüche und aggressiven Verkaufsförderungsmassnahmen. Hier finden sich Parallelen zu den intensiven Kommunikationsmassnahmen von Spitälern in wettbewerbsintensiven Regionen und lukrativen Patientensegmenten. Es erinnert auch an das veraltete Denken, dass man als «Halbgott in Weiss» dem Patienten alles verkaufen kann. Hier ist vom Value-Gedanken immer noch wenig zu spüren.  

Das ProduktKonzept gilt als eine weitere Stufe in der Entwicklung des Marketings. Plötzlich war der Gedanke da, dass für die Kunden auch Qualität zählen könnte. Daher sollte man intensiv in Qualitätsverbesserungen investieren, koste es was es wolle. Und hier stehen wir aktuell in der Value-Based Healthcare-Debatte im Gesundheitswesen. Value für den Patienten zu erzielen ist in aller Munde. Reduziert wird dies gerade darauf, dass man überhaupt mal den Value über Patient-reported Outcomes Measures (PROMs) erfassen möchte. Es besteht jedoch die Gefahr, wie damals aus der Entwicklungsphase des Marketings, dass man an den Bedürfnissen der Patienten vorbei Qualität optimiert, nach dem Motto: Wir wissen schon, was dem Patienten guttut und welche Qualität wir ihm bieten wollen.

Damit krankt das Produkt-Konzept daran, dass man zwar qualitäts- und kundenorientiert sein will, jedoch vernachlässigt, dass man bei den Bedürfnissen und Erwartungen der Kunden anfangen muss bevor man Produkte und Services konzipiert.  Diese Erkenntnis führte zum sogenannten Marketing-Konzept, das heute die Anwendung von Marketing prägt. Dahinter steht der Gedanke, dass man als Ausgangspunkt die lösungsunabhängigen Kundenbedürfnisse nimmt und darauf aufbauend marktfähige Leistungen entwickelt. Angewandt auf Value-Based Healthcare bedeutet dies, dass man ausgehend von den Value Expectations der Patienten, also ihren Nutzenerwartungen an eine Behandlung, das richtige Leistungsangebot (Behandlungsart, Servicelevel, Level an Co-Creation) entwickelt und entsprechend kommuniziert, so wie bereits im Blog-Beitrag 1 in dieser Blog-Reihe skizziert. Die Erfüllung der Nutzenerwartungen kann dann wieder mittels PROMs und PREMs (Patient-reported Experiences Measures) gemessen werden.

Aber selbst bei diesem Vorgehen gibt es noch Potential nach oben. Denn dieses Vorgehen unterliegt einem eindimensionalen Value-Verständnis, bei dem ausschliesslich die Patienteninteressen zählen. Auch hier ist man im Marketing schon weiter mit der Idee eines ganzheitlichen Marketing-Konzepts, bei dem weitere Stake- und Shareholdern mit ihren Bedürfnissen frühzeitig berücksichtigt werden und Co-Creation-Potentiale ausgelotet werden. Hier fehlt der aktuellen Debatte um Value-Bbased Healthcare ein multidimensionales Value-Verständnis, bei dem verschiedenen Value-Dimensionen gleichzeitig Rechnung getragen wird. So muss ein Spital beispielsweise nicht nur Value für die Patienten generieren, sondern gleichzeitig auch systemrelevant aus der Wahrnehmung einer Gesundheitsdirektion erscheinen, sich im Beziehungsgeflecht der koordinierten Versorgung richtig positionieren und attraktiv für Fachkräfte als Arbeitgeber präsentieren.

Daher wäre die Empfehlung, wenn man Value-Based Healthcare gleich richtig und nachhaltig implementierten will, die Learnings aus den Entwicklungsstufen des Marketings aufzugreifen und gleich mit einem ganzheitlichen Konzept durchzustarten. So kann man sich im Wettlauf um die besten und schönsten Value-Based-Implementierungen im Gesundheitswesen einen Wettbewerbsvorteil verschaffen.

Welche zentralen Trends im Gesundheitswesen die Implementierung des Value-Based Healthcare Management beschleunigen werden, wird im vierten Teil der Reihe thematisiert.  Mehr Informationen dazu lesen Sie gerne in unserem nächsten Blogbeitrag Teil 4: Value-Based Healthcare Management –  als zentraler Schlüssel zum nachhaltigen Unternehmenserfolg.

Sie möchten das Value-Based Healthcare Management-Konzept auch bei Ihnen in der Organisation einführen oder Ihren Status Quo analysiert haben? Anfragen an Dr. Florian Liberatore, Winterthurer Institut für Gesundheitsökonomie unter: Florian.Liberatore@zhaw.ch

Florian Liberatore ist stellvertretender Leiter der Fachstelle Management im Gesundheitswesen und Experte für Value-Based Management.

1 Aus Gründen der Lesbarkeit wird im Text die männliche Form gewählt, nichtsdestoweniger beziehen sich die Angaben auf Angehörige aller Geschlechteridentitäten


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert