Das Schweizer Gesundheitssystem aus der Sicht einer 20-Jährigen

Quelle: Colourbox

Von Yamilée Schwitter

Wie viel wissen Jugendliche über unser Gesundheitswesen? Ich habe mir diese Frage kürzlich gestellt, als ich mit meiner Nichte unterwegs war. Die momentane Situation rund um Corona zeigt uns auf, dass Kenntnisse der Grundlagen unserer Gesundheitsversorgung wichtig sind. Meine persönliche Erfahrung zeigt: Gesundheit und Krankenversicherung sind auch bei Jungen ein Thema.

Die vergessene Versicherungskarte

«Liebes, pack noch deine Krankenkassenkarte ein», rufe ich meiner Nichte zu. Wir schreiben den 28. Dezember. Meine 20-jährige Nichte hat gerade ein paar Tage bei mir verbracht. Sie fühlt sich unwohl. So unwohl, dass ich beschlossen habe, sie auf Corona testen zu lassen. Den Termin organisierte ich im neuen Drive-in Corona-Testcenter in Dübendorf. Kurz vor Abfahrt zum Corona-Testcenter steht meine Nichte in der Tür, ohne Handtasche oder Portemonnaie. Ich erinnere sie daran, sie möge doch bitte ihre Versicherungskarte miteinpacken. Dass sie nicht daran gedacht hat, machte mich ein wenig stutzig. Weiss denn nicht jeder, dass man als erstes gleich nach der Versicherungskarte gefragt wird – auch die «Twenty-Something»-Leute? Auch wenn ich mich flüchtig frage, ob sich 20-Jährige wohl andere Gedanken machen, verschwende ich keine weiteren Gedanken darüber.

Ein verwehrtes Instagram-Foto

Das Drive-in Center liegt auf dem Militärflugplatz in Dübendorf. Als wir auf das Areal fahren sind wir irgendwie beeindruckt, aber nur irgendwie. Denn wie es auf dem Stützpunkt aussieht – die aufgestellten weissen Zelte und Container – erinnert an eine Kulisse eines modernen Actionfilms aus Hollywood. Dies ist einerseits beeindruckend aber andererseits auch beängstigend, weil es eben kein Hollywood-Blockbuster ist. Meine Nichte scheint kurz angehalten zu sein ein Foto von der Drive-in-Station auf dem Militärstützpunkt machen zu wollen. Es gäbe noch ein cooles Instagram-Foto. Aber so weit kommt es nicht, denn ein gross angebrachtes Symbol an der Empfangsstation verbietet dies. Ich kann den Foto-Reflex verstehen, wo doch jede Mahlzeit oder jedes noch so triviale Ereignis im Leben fotografisch festgehalten werden kann. Ausgerechnet für dieses spezielle und hoffentlich doch einmalige Erlebnis in einer ausserordentlichen Umgebung wurde es ihr aber verwehrt… Trotzdem beschleichen mich wieder Fragen wie: Wie nimmt sie unser Gesundheitssystem wahr? Versteht sie es, mit ihren Regelungen, insbesondere in Zeiten von Corona?

Die Erleuchtung

Auf der Rückfahrt sind meine Nichte und ich sehr froh, wie schnell und unkompliziert das alles ablief. Wir diskutieren darüber, wie dankbar wir sind, in der Schweiz zu sein, mit ihrem gut organisierten Gesundheitssystem. Als wir auf das Gesundheitssystem zu sprechen kommen, werde ich neugierig und frage sie aufgrund meiner Beobachtungen und auch einfach aus Neugierde, was sie eigentlich darüber weiss. Während wir so diskutieren, kommen wir auf die Versicherungsprämie zu sprechen. Sie nennt mir ihre und ich ihr meine. Als ich ihr die Zahl nenne, fällt sie fast vom Hocker. Ich muss schmunzeln. «Aber warum ist deine Krankenkasse denn so teuer?» fragt sie mich erstaunt. Obschon ich merke, dass sie meine Erklärungen logisch und plausibel findet, denke ich aufgrund ihrer Reaktionen, dass sie sich nicht so viele Überlegungen zu unserem Gesundheitssystem gemacht hat.

Wie falsch ich nur liege. Aufgrund meiner Annahme frage ich detaillierter nach. Zu meinem Erstaunen erzählt sie mir, dass sie ihre Franchise beim Maximum hat und erklärt mir auch wieso. Sie erwähnt weiter, dass in sie in der Berufsschule im Fach «Allgemeinbildung» unser Gesundheitssystem sowie die Krankenkassen und ihre Prämien besprechen. Dass sie die Versicherungskarte dabeihaben muss, weiss sie. Am Morgen war sie lediglich müde und krank.

Was für eine Erleuchtung für uns beide: Sie hat realisiert, dass prämienmässig noch viel auf sie zukommen wird und ich, dass junge Erwachsene unser Gesundheitssystem sehr wohl verstanden haben.

Mein Fazit

Ich war mir unsicher, ob und falls ja, inwieweit sich das Bild und das Wissen über Gesundheitswesen und unser Gesundheitssystem zwischen den jungen und den etwas älteren Erwachsenen unterscheidet. Trotz anfänglicher Indizien dahingehend, dass sich die jungen Erwachsenen kaum bis wenig mit unserem Gesundheitssystem auseinandersetzen und es wenig kennen, muss ich sagen, dem ist nicht so. Sie kennen es sehr wohl und wollen es auch verstehen. Junge Erwachsene stehen den älteren in nichts nach. Wir alle machen uns Gedanken zum Gesundheitswesen und teilen auch gerne unsere mehr oder weniger fundierten Meinungen dazu (siehe Blogbeitrag). Für jene, die sich mehr mit unserem Gesundheitssystem in der Tiefe auseinandersetzen und Zusammenhänge besser verstehen lernen wollen, bietet sich eine Weiterbildung im Gesundheitssystem an.

Yamilée Schwitter ist MAS Studienleitung am WIG.


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