Viele reden mit im Gesundheitswesen – worauf basiert ihr Wissen?

Von Esther Furrer

Bei Gesundheitsfragen verhält es sich mittlerweile ähnlich wie auf dem Fussballfeld oder bei Schulfragen – wir sind alle ein wenig Experten und erlauben uns meinungsbildend mitzureden, was wie wo richtig oder falsch läuft. Dies ist z.B. im Zusammenhang mit dem 176 Millionen-Abschreiber beim Triemli-Bettenhaus manifest geworden.

Meinungen gibt es viele

Meinungen beinhalten in der Regel mindestens einen Kern Wahrheit. Vieles sei nicht vorhersehbar gewesen und das Gesundheitswesen verändere sich grundsätzlich, sagte Stadtrat Andreas Hauri Ende Januar 2020 gegenüber den Medien (Tagesanzeiger vom 22.1.2020, Das Bettenhaus im Triemli ist nur noch halb so viel wert oder NZZ vom 22.1.2020, Wertberichtigung für das Bettenhaus des Stadtspitals Triemli). Man habe z.B. bei der Planung des Bauvorhabens nicht erwartet, dass die Verweildauern in Spitälern von 10 auf 5 Tage sinken werden.

Das Bettenhaus kann heute nicht genutzt werden wie ursprünglich geplant und die Wirtschaftlichkeit sei nicht gegeben, weil ein neues Spitalplanungs- und -finanzierungsgesetz eingeführt wurde, eine Verschiebung von stationärer in ambulante Versorgung stattgefunden habe und Eingriffe in die Tarmed-Tarifstruktur neue Prozesse und Infrastrukturen erfordern. Nur mit einer Wertberichtigung bzw. Neubewertung der Anlagekosten (die Abschreibungen für die nächsten 10-15 Jahre vorweg nehme), sei das Verbleiben auf der überlebenswichtigen Spitalliste gewährleistet.

Reaktionen ebenso

Die Reaktionen auf die getroffene Massnahme fallen unterschiedlich aus. Von «inakzeptabel» über Berichtigung von «Verfehlungen der Vergangenheit» bis «sinnvolle Korrektur für eine faire Beurteilung der wirtschaftlichen Leistung». Auf welches Grundlagenwissen basieren Politiker, Parlamentarier, Verbandsmitglieder oder engagierte Bürger und Mitentscheidende in Gesundheitsfragen ihre Beurteilung? Wenn es zu Abstimmungen kommt oder das Dossier schon auf dem Verhandlungstisch bereit liegt, verlassen wir uns aus Zeitnot oft auf Meinungsmachende und entscheiden womöglich weniger aufgrund von objektiven Kriterien, sondern eher aufgrund von subjektiven Überzeugungen und etablierten Mustern, die geprägt sind von politischer Couleur und Gesamtausrichtungen. Oder wir entscheiden aufgrund jüngster Erfahrungen vielleicht sogar im Zusammenhang mit nicht relevanten Kontexten.

Wer macht sich fit für Diskussionen im Gesundheitswesen?

Bisher zeigten vor allem Personengruppen, die direkt am Patienten oder direkt in einer Gesundheitseinrichtung arbeiten, einen zusätzlichen Bildungsbedarf in Gesundheitsmanagement.

Auffallend ist neuerdings, dass vermehrt auch Behördenmitglieder oder Quereinsteiger an Informationsanlässen teilnehmen, weil sie einen möglichen Bedarf für sich erkannt haben. Auch  Bürger und Empfängerinnen von Gesundheitsleistungen, die einen Bezug zum Gesundheitswesen haben, können sich zur Gesundheitsbehandlung oder zur Spitalversorgung in der unmittelbaren Umgebung eine Meinung bilden wollen.

Wie engagieren wir uns in Gesundheitsfragen?

Es liegt an Ihnen, Ihre persönliche Entwicklung an die Hand zu nehmen und den eigenen Bedarf zu erkennen.

Vielleicht möchten Sie das Gesundheitswesen insgesamt verstehen. Sie könnten die politische Auseinandersetzung bei der örtlichen Spitalplanung unbeeinflusster verfolgen wollen, obwohl Sie aktuell in keiner Behörde sitzen oder nicht im direkten Kontakt mit Patienten stehen oder in einer Gesundheitseinrichtung arbeiten. Die Gesundheitslandschaft erscheint schwer überblickbar, aber es ist möglich, die Verantwortlichen und Entscheidungsträger zu identifizieren oder die bisher ungenutzen Chancen im Schweizerischen Gesundheitssystem zu erkennen.

Sie könnten sich überlegen, als Nichtmediziner ein medizinisches Grundwissen zu erwerben, um die medizinische Denkweise besser einschätzen zu können. Sie möchten online auffindbare Informationen besser einschätzen und verstehen können, um Fragen zu Diagnosen oder Therapien zu hinterfragen und mit dem Hausarzt zu diskutieren.

Ein naher Angehöriger könnte von einer bestimmten Krankheit betroffen sein, die auf unterschiedliche Weise behandelt werden kann. Die heutigen öffentlich zugänglichen Daten geben allen die Möglichkeit, Studien zu konsultieren, Evidenzen, Wirksamkeiten und Wirtschaftlichkeitsbeurteilungen beschrieben zu bekommen. Allerdings sind Entscheidungen in diesen sehr herausfordernden Themengebieten unglaublich anspruchsvoll. Es könnte sich anbieten, solche Fragen grundlegend zu studieren und Evidence-based Health Care oder qualtiative Evaluation und Impact-Überlegungen zu medizinischen Behandlungen angewandt durchzudenken.

Sie können mit der richtigen Vorbereitung kompetenter mitreden!

Esther Furrer, ist Studienleitung MAS am WIG.

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