Die zweite Corona-Welle ist da – und die Bevölkerung schränkt sich im Alltag wieder stark ein

«In den letzten 7 Tagen: Inwiefern haben Sie folgende Massnahmen ergriffen, um sich und Andere vor dem Corona-Virus zu schützen?» Antwortoptionen: immer, meistens, manchmal, selten, nie Covid-19 Social Monitor. Zwischen N=2’026 und N=1’492 Befragte pro Erhebung, repräsentativ für die Schweizer Bevölkerung. Details:
https://www.zhaw.ch/wig/covid-social-monitor und https://doi.org/10.1371/journal.pone.0242129

Von Dr. Marc Höglinger

Die zweite Welle der Pandemie ist da – daran gibt es keinen Zweifel mehr. Die Corona-Infektionszahlen und die Todesfälle stiegen im Oktober rasant, der Bund hat am 28. Oktober neue Massnahmen erlassen bzw. bestehende verschärft. Tatsächlich ging ein Ruck durch das Land: Daten des Covid-19 Social Monitor von Mitte November zeigen, wie sich die Bevölkerung wieder verstärkt an die Schutzmassnahmen hält.

Die Zeit für eine Bilanz ist Stand Ende November noch nicht reif – aber mit unserem Covid-19 Social Monitor ist es möglich, das Verhalten der Bevölkerung in der zweiten Welle näher zu analysieren. Denn wir alle, inklusive die Behörden, haben mittlerweile zumindest etwas gelernt: Regeln sind das Eine, das Verhalten der Leute etwas Anderes. Das hat durchaus nicht nur mit Nachlässigkeit, Widerwillen oder gar Widerstand zu tun: wechselnde, nicht immer klare Vorgaben, subjektive Einschätzungen, soziale Normen und nicht zuletzt das Wetter und die Ferienzeit beeinflussen alle, ob unser Verhalten der Verbreitung eines ca. 100 Nanometer grossen Virus mehr oder weniger zuträglich ist.

Wohlgemerkt: Im Lockdown im Frühling hat sich die Schweizer Bevölkerung sehr diszipliniert an die zentralen Schutzmassnahmen gehalten. Das zeigen unsere Daten (vgl. Abbildung): rund 90 % der Befragten gaben an, „immer“ oder „meistens“ private Besuche zu unterlassen, 80% immer zu Hause zu bleiben ausser für Arbeit und Einkauf, 95% hielten sich an die Abstandsregel. Diese Werte waren sehr ähnlich über alle Altersgruppen und Landesregionen hinweg. In der Folge konnte die erste Welle der Pandemie rasch gestoppt werden – und der Lockdown wurde ab Mitte Mai schrittweise wieder gelockert.

Wie verhält sich die Bevölkerung im November in der zweiten Welle? Immerhin wissen wir jetzt, worauf es ankommt. Nicht kontrovers sind diesmal auch die Empfehlungen bzw. Verordnungen zum Tragen von Gesichtsmasken: «Maske auf!», heisst es seit dem 19. Oktober einheitlich in der gesamten Schweiz in Läden und öffentlichen Gebäuden. Auf der anderen Seite ist uns mittlerweile auch klar geworden, dass plumpe Durchhalteparolen wenig zielführend sind – das Coronavirus ist weder in ein paar Wochen noch in ein paar Monaten überwunden. Wir müssen unser Verhalten langfristig anpassen.

Auswertungen unseres Covid-19 Social Monitor, mit dem wir die gleichen Personen regelmässig seit Beginn der Pandemie Ende März befragen, zeigt für Mitte November, dass sich die Bevölkerung wieder recht diszipliniert an die Massnahmen hält. Das Niveau ist für Abstand halten wieder ähnlich hoch wie im Frühlings-Lockdown, für private Besuche unterlassen und zu Hause bleiben wieder deutlich höher als im Spätsommer, allerdings (noch?) nicht auf dem Niveau des Frühlings. Eine Ausnahme: Maske tragen, im Frühling noch unter 10%, wird heute von über 90% der Befragten befolgt. Was widersprüchliche behördliche Anweisungen im Frühling und Freiwilligkeit im Sommer nicht geschafft haben, erreichte die behördliche Anordnung im Herbst mühelos – auch ohne explizite Strafandrohung. Ein Lehrbuchbeispiel, dass die Etablierung neuer sozialer Normen bisweilen einen regulatorischen «Nudge» bzw. Schubser gebrauchen kann.

Wird sich die Bevölkerung über längere Zeit genügend konsequent an die zentralen Schutzmassnahmen halten? Eine Frage, auf die wir bald eine Antwort erhalten werden. Gelingt es tatsächlich, mit den aktuellen Massnahmen die Infektionsraten auf ein tieferes Niveau zu bringen und die grosse Mehrheit der Bevölkerung wie bis anhin bei der Stange zu halten, dann ist viel erreicht. Denn man muss kein Pessimist sein: die nächste Welle kommt bestimmt. Wie stark sie uns treffen wird, ist zumindest mittelfristig primär von unserem Verhalten im Alltag abhängig.

Marc Höglinger ist Leiter des Teams Versorgungsforschung am WIG und Initiant des Covid-19 Social Monitor, mit dem die Auswirkungen der Pandemie auf die Bevölkerung seit Ende März 2020 regelmässig erfasst werden.


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