Nicht schon wieder Eintopf! Den Strategieprozess anders gestalten

Von Prof. Dr. Alfred Angerer

Wohin soll die Reise meiner gesamten Organisation gehen, und wie erreiche ich diese Ziele? Klassische Fragen aus dem Bereich Strategie. Wenn ein Praktiker die Aufgabe erhält die Strategie zu entwickeln, wird er oder sie viele theoretische Publikationen zu dem Thema finden. Klassische Strategieerstellungsansätze geben einem klare, jedoch eher oberflächliche Anweisungen wie man vorgehen soll. Diese klingen häufig wie ein Kochbuch: Man nehme einen Fond aus Porters 5-Forces- Analysen, gebe eine Prise SWOT hinzu und jede Menge prognostizierte Umsätze, und rühre diesen Zahlensalat so lange, bis das Ergebnis rauskommt das der CEO hören will.

In Wirkungsmodellen und Szenarien denken

Doch in einer VUCA-Welt (engl. für volatil, unsicher, kompliziert und uneindeutig, siehe auch diesen Blog) wird dieser Strategieeintopf der komplexen Realität häufig nicht gerecht. Wenn die Zukunft so schwer zu prognostizieren ist, versagen klassische Rechenmodelle. Ein kreativerer, szenariobasierter Ansatz ist hier angebracht, der in diesem Blog vorgestellt werden soll.

Auch unser Rezept enthält einige Schritte, die auf den ersten Blick den Leser vor lauter Komplexität erschlagen könnten:

Abbildung 1: Der Strategieprozess. Quelle: Angerer & Liberatore (2018). Management im Gesundheitswesen: Die Schweiz

Im diesem Blog-Beitrag können nicht alle Details erzählt werden – Interessierte schauen sich unsere Weiterbildungskurse an. Wichtig ist zu verstehen, dass die „Magie“ im Schritt 1.4 Szenarien passiert. Dabei werden drei wesentliche Prinzipien verfolgt:

  • Denke in Systemen. Organisationen sind komplexe Uhrwerke mit vielen Schrauben, die sich gegenseitig beeinflussen. Ein Uhrmacher der einen Mechanismus nicht kennt, aber bei einer schlecht laufenden Uhr einfach mal auf gut Glück eine der vielen Schrauben ersetzt, hat seinen Beruf verfehlt.
  • Verstehe systematisch dein „Uhrwerk“ und seine Schlüsselfaktoren. Ein paar Zahnräder malen kann jeder, sich die Zusammenhänge auszudenken ist auch nicht so schwer: Zufriedene Patienten erzählen die gute Leistung weiter, es kommen mehr Patienten, ich verdiene viel Geld und kann mehr investieren in gute Dienstleistungen, daher sind meine Patienten zufriedener… So einfach ist das leider nicht, wie wir in einem Projekt am WIG festgestellt haben. Um das von uns gecoachte Spital besser zu verstehen, wurden zunächst 15 Kadermitglieder interviewt. Aus den Interviews wurden 56 Faktoren ermittelt, die auf 13 Hauptbereiche reduziert wurden. Die gegenseitigen Abhängigkeiten dieser 13 Bereiche wurden dank 156 paarweisen Vergleichen ermittelt, um am Schluss das „Uhrwerk“ der Organisation zu erhalten inklusive der wichtigen Schlüsselfaktoren. Eine aufwändige, dafür sehr gewinnbringende Sache, denn diese Schlüsselfaktoren können nun systematisch angegangen werden.
  • Nutze dein „Uhrwerk“ für Szenarien. Nun beginnt der kreative Teil: Aus all den Vorarbeiten können mögliche Trendpakete kombiniert werden, um zu überlegen, welche Auswirkung diese auf die eigene Organisation hätten. Mit diesen Szenarien kann die Strategiefindung im Schritt 2.1 fortgeführt werden.
Abbildung 2: Das „Uhrwerk“ einer privaten Klinik. Quelle: Angerer & Liberatore (2018). Management im Gesundheitswesen: Die Schweiz

Fazit

Wir haben es hier nicht mit Fastfood zu tun. Um auf diese Art und Weise seine Strategie zu entwickeln braucht man viel Zeit und Ressourcen. Deswegen wird in der Praxis der Prozess in seiner vollen Länge nur alle paar Jahre so aufwändig durchgeführt. Laut der Klinik, die so vorgegangen ist, ist der Aufwand berechtigt. Denn man kocht gemeinsam an einem grossen Gericht, und somit ist die Akzeptanz der entstehenden Strategie sehr hoch. Der Strategieerstellungsprozess ist also fast so wichtig wie das Ergebnis an sich!

Und wie kochen Sie ihre Strategie?

Prof. Dr. Alfred Angerer ist Leiter der Fachstelle Management im Gesundheitswesen am WIG.

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