Untersuchungen in realitätsnahen Simulationen üben und über ethische Aspekte der Pränataldiagnostik diskutieren: In einer neuen Weiterbildung am Institut für Hebammenwissenschaft und reproduktive Gesundheit lernen Hebammen das Ultraschall-Handwerk.
von Nina Kobelt
Um es gleich vorwegzunehmen: Dass Hebammen selbstständige Ultraschalluntersuchungen an schwangeren Frauen durchführen, sei in der Schweiz eigentlich längst überfällig, sagt Katherina Albert, die für das neue Modul «Ultraschall durch die Hebamme» am Institut für Hebammenwissenschaft und reproduktive Gesundheit verantwortlich ist. «Ultraschall ist ein Handwerk, das Hebammen erlernen können», sagt sie auch.
Das Institut führt die berufsspezifische Weiterbildung ab März 2025 ein erstes Mal durch. An sechs Tagen erlernen Hebammen dabei die Grundlagen von Ultraschalluntersuchungen während der Schwangerschaft. Die neue Weiterbildung ist eine Erweiterung eines bestehenden zweitägigen Kurses, der Hebammen das Basiswissen der Ultraschalldiagnostik vermittelt. Das neue Modul ermöglicht es den Teilnehmenden, die Untersuchungen intensiver zu üben.
Fruchtwassermenge bestimmen
Ultraschall gehört in der Schweiz zur Standarddiagnostik während einer Schwangerschaft. Wollen sie Frauen eine kontinuierliche Betreuung bieten können, benötigen Hebammen daher diese zusätzliche Qualifikation. Die Bestimmung des Geburtstermins und der Lage des Kindes, die Berechnung der Fruchtwassermenge, aber auch das Erkennen von Wachstumsverzögerungen sind laut Katherina Albert die wichtigsten Ziele einer Ultraschalluntersuchung durch Hebammen. Die dafür nötige Vermittlung evidenzbasierten Wissens bildet die Grundlage des Moduls. Praktisch angewendet wird dieses Wissen im Skillslabor des Departements Gesundheit mithilfe eines computergestützten Sonografie-Simulators: mit diesem werden praktische Übungen auf Basis modellbasierter Fallstudien durchgeführt. Der Simulator verfügt über rund 20 vorgegebene Fallbeispiele. Eine Übungssituation sieht beispielsweise so aus: Eine Frau in der 39. Schwangerschaftswoche kommt zur Kontrolle, die Weiterbildungsteilnehmenden untersuchen, wie viel Fruchtwasser noch vorhanden ist.
Unter Anleitung von Ärzt:innen lernen die Weiterbildungsteilnehmenden die Funktionen des Ultraschallgerätes kennen und sammeln erste Erfahrungen: Das Üben an den programmierten Fallbeispielen hilft, Befunde zu beurteilen und diese später dann in der Runde zu diskutieren.
Üben an der Puppe
Zum Einsatz kommt im Modul auch die SimMom – eine «schwangere» Simulationspuppe. Diese lässt die Übungssituationen lebensnaher und wirklichkeitsgetreuer erscheinen. «Die SimMom dient dazu, dass wir einen realistischeren Bauch haben, auf dem der Ultraschall angewendet wird», sagt Katherina Albert. Zwingend sei die Puppe nicht, so die Modulverantwortliche: Die für die Übungen genutzte Bauchhaut mit den Elektroden könne auch über einen Gegenstand gelegt werden, der einem Bauch ähnlich sei. Bei den Übungen kommt auch kein Gel zum Einsatz, wie es in der Realität der Fall wäre. «Der Schallkopf wird auf die bereits vormontierten Kontakte auf der künstlichen Bauchhaut gehalten – und der angeschlossene Computer liefert das Ultraschallbild», erklärt Albert.
Doch das Üben an der SimMom sei wertvoll für die Weiterbildungsteilnehmenden: Sie könnten die Bewegungen mit dem Ultraschallgerät – das sogenannte Fächern, Schaukeln und Drehen – unter möglichst realitätsnahen und trotzdem risikofreien Bedingungen trainieren.
Genauer als Abtasten
Ultraschalluntersuchungen zu erlernen sei ein weiteres Puzzlesteinchen in der vielfältigen Ausbildung von Hebammen, so Katherina Albert. Doch wann kommen die Untersuchungen durch die Hebamme zum Einsatz? Am besten während der gesamten Schwangerschaft, vor allem aber gegen deren Ende, wenn hinsichtlich der Geburt die Lage des Babys in der Gebärmutter von Bedeutung ist. «Natürlich kann man die Lage auch durch das Abtasten von aussen untersuchen», so Albert. «Mit einer Ultraschalluntersuchung geht es aber oftmals genauer.» Hebammen können ebenfalls auch die Fruchtwassermenge bestimmen und sich einen genaueren Eindruck der Gesamtsituation machen. Es gebe aber auch Einschränkungen, sagt Albert: «Hebammen sollen keine Feindiagnostik betreiben – etwa Herzfehler oder organische Fehlbildungen erkennen.»
Nebst dem Erlernen der Grundlagen für selbstständige Ultraschalluntersuchungen hat das Modul weitere Ziele: «Absolvent:innen setzen sich vertieft mit der Rolle als Hebamme in der Ultraschalldiagnostik auseinander, sind sich ihrer Grenzen bewusst und erkennen Abweichungen vom regelrechten Schwangerschaftsverlauf», heisst es unter anderem im Weiterbildungsbeschrieb. Im Modul werden auch die Kommunikation mit den werdenden Eltern sowie ethische Aspekte rund um die Pränataldiagnostik besprochen. In der Natur dieser Diagnostik liegt es, über ungeborenes Leben zu urteilen. Ist das Kind in unserem Verständnis gesund oder krank? Wie gesund muss es sein, damit die Schwangerschaft fortgesetzt wird? Welches Leben ist lebenswert, welches nicht? Es sind grosse Fragen, die einer Begleitung bedürfen. «Mit Sicherheit liegt es nicht in der Zuständigkeit der Hebamme, darüber zu urteilen», stellt Katherina Albert klar. Es gehe bei den ethischen Fragestellungen mehr darum, dass sich Teilnehmende generell einmal Gedanken dazu machen und sich darüber austauschen würden.
Keine Grundlage für Vergütung
Bis jetzt fallen Ultraschalluntersuchungen in der Schweiz nicht in den Zuständigkeitsbereich der Hebammen, sondern der Gynäkolog:innen. Zwar dürfen Hebammen die Untersuchungen ebenfalls durchführen – doch sie werden dafür nicht bezahlt. «Derzeit fehlt eine gesetzliche Grundlage für die Vergütung – was zur Folge hat, das Hebammen hierzulande allermeistens darauf verzichten, Ultraschalluntersuchungen selbst durchzuführen», so Albert. In anderen Ländern wie beispielsweise den Niederlanden ist es dagegen selbstverständlich, dass diese Basisuntersuchungen von Hebammen übernommen werden. «Es gibt keinen plausiblen Grund, warum das nicht auch in der Schweiz so sein sollte. Es ist eine Tätigkeit, die die Kernaufgaben der Hebammenarbeit unterstützt.» //
Vitamin G, S. 32/33
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