Claudio Beretta und Claudia Müller haben ein neues Unterrichtsmodul erarbeitet, mit dem Schulklassen über das Thema Foodwaste aufgeklärt werden. Wir haben den ersten Workshop begleitet.
Donnerstagmorgen kurz nach acht Uhr. Die Fünftklässler trudeln allmählich im Klassenzimmer ein, einige übermütig lachend, andere noch etwas verschlafen. Gespannt, was gleich passieren wird, sind sie aber alle, denn heute steht ausnahmsweise nicht ihre Lehrerin vor ihnen, sondern Claudia Müller und Claudio Beretta von der ZHAW. Das Thema, über das sie heute mit den Kindern reden wollen, lautet Foodwaste.
Claudio Beretta ist Projektleiter Nachhaltigkeit am ZHAW-Departement Life Sciences und Facility Management. Er hat Umweltwissenschaften studiert und seine Masterarbeit dem Thema Foodwaste gewidmet. Zudem hat er den Verein foodwaste.ch mitgegründet und gemeinsam mit seinem Team eben diesen neuen Workshop entwickelt, mit dem er dem Nachwuchs das Thema näherbringen will. Heute steht er zusammen mit Claudia Müller, Dozentin am selben Departement zum ersten Mal vor einer Schulklasse, um den bisher erst in der Theorie vorhandenen Workshop in der Praxis durchzuführen.
Warum verschwenden wir Essen?
Zu Beginn möchte Beretta von den Kindern wissen, wann und weshalb sie zuletzt Essen weggeworfen haben. Der elfjährige Lorenzo erinnert sich an die Vegiwürste, die vor drei Tagen am Mittagstisch in der Schule aufgetischt wurden und «so grusig» gewesen seien. «Iiiiiiiihhh, diese ekligen Würste!», schallt es durchs Klassenzimmer – offenbar war Lorenzo nicht der Einzige, der an dem Tag nicht aufgegessen hat. Die Diskussion ist damit lanciert und die Kinder strecken eifrig auf und teilen ihre Foodwaste-Geschichten.
«Ein Drittel aller Lebensmittel in der Schweiz landet im Abfall, das entspricht der Ladung von 140’000 Lastwagen jährlich.»
Claudio Beretta
Als es darum geht, weshalb denn die Verschwendung von Essen so schlecht sei, kommt aus der Kindergruppe sehr schnell das Argument der «armen Kinder in Afrika, die nichts zu essen haben». Der Welthunger scheint unter Eltern immer noch ein beliebtes Mittel zu sein, um Kinder zum Aufessen zu bewegen. Claudio Beretta erklärt, dass für den in der Schweiz produzierten Foodwaste jedoch vielmehr das umsonst verbrauchte Wasser und Land das Problem seien. Claudia Müller und er möchten wissen, wie viele Liter Wasser wohl für die Herstellung von einem Kilogramm Äpfeln benötigt werden, wie viele für die Produktion von einem Kilogramm Rindfleisch? Die Kinder raten fleissig mit – und liegen mit ihren Schätzungen meist daneben. Als sie dann noch erfahren, dass in der Schweiz jede Person im Durchschnitt 330 Kilogramm Essen pro Jahr wegwirft, ist das Staunen gross.
Praktische Lösungen gegen Foodwaste
Doch Beretta und Müller wollen in ihrem Workshop nicht nur das Problem aufzeigen, sondern vor allem auch Lösungen präsentieren. Deshalb geht es im zweiten Teil des Workshops darum, welche Lebensmittel man wirklich entsorgen muss und welche man getrost noch essen kann, auch wenn sie vielleicht etwas anders aussehen. Die beiden zaubern braune Bananen, leicht schrumplige Äpfel und Brot vom Vortag aus der mitgebrachten Einkaufstasche. «Wer würde diese braunen Bananen noch essen?», fragt Beretta. Die Meinungen der Kinder sind geteilt: Einige lieben braune Bananen, da sie viel süsser schmecken, andere mögen die matschigen Früchte gar nicht. «Aber backen kann man noch super damit», erklärt das ZHAW-Duo und verrät den Kindern, dass sie gleich Muffins aus alten Bananen, alten Äpfeln und altem Brot machen werden.
Das Wort Muffins ist der Startschuss für grosses Gewusel: Die Mädchen und Jungs sind sofort Feuer und Flamme, schneiden, rüsten und mischen begeistert und so sind die Bleche im Nu im Ofen. Während die Muffins gebacken werden, gehts ums Thema Ablaufdatum und die Tatsache, dass Produkte, die das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten haben, sehr oft noch problemlos essbar sind. Wie handhaben die Kinder das bisher mit dem Datum? «Wenn etwas abgelaufen ist, gibt es meine Mutter einfach meinem Vater zum Essen», sagt Gabrys mit einem Schmunzeln. Ob denn abgelaufene Produkte wirklich anders schmecken, soll die Klasse jetzt selbst testen: Es werden frische Blévitas serviert und solche, die seit acht Monaten abgelaufen sind. Fazit: Die älteren Cracker sind etwas weniger knusprig und ihr Geschmack ist nicht so intensiv. Anushant findet, dass die abgelaufenen eindeutig besser schmecken. Und die Muffins, die unterdessen fertig gebacken sind? Die erhalten zehn von zehn Punkten, da sind sich alle einig.
Zum Schluss werden nochmals die wichtigsten Informationen repetiert und jedes Kind bekommt eine Karte, auf die es aufschreibt, was es zukünftig machen möchte, um Foodwaste zu verhindern. Reste im Kühlschrank aufbewahren anstatt wegwerfen etwa. Oder weniger auf den Teller schöpfen. Diese Karte bewahrt die Lehrerin bei sich auf und wird sie in zwei Monaten per Post an die Kinder schicken. Damit sie sich nochmals an den Workshop und ihren Vorsatz erinnern – und das Gelernte so hoffentlich noch besser verinnerlichen werden.
So geht's weiter
Obwohl die Workshop-Premiere geglückt ist, haben Claudia Müller und Claudio Beretta noch ein paar Punkte gefunden, die optimiert werden können. Die Unterlagen werden nun entsprechend überarbeitet, bevor es an weitere Schulen geht, um noch mehr Jugendliche über das Thema Foodwaste aufzuklären.
Text: Jeanette Kuster
Fotos: Mikke Dinkel