Vortrag über «Carbon Market Challenge» von Prof. Dr. Regina Betz an der COP26

«Kohlekraftwerke werden bald keinen Marktwert mehr haben»

Für Regina Betz war es die COP13 – zum 13ten Mal war sie vor Ort mit dabei. Die Leiterin des Center for Energy and the Environment (CEE) ist eine der beiden ZHAW-Angehörigen, die offiziell als Beobachter:innen an der COP26 mit dabei waren. Regina Betz erzählt uns über Erfolge und Misserfolge der COP26 und gibt uns einen Ausblick auf die COP27 nächstes Jahr in Ägypten.

Du bist ja eine erfahrene COP-Gängerin. Wie war es für dich dieses Mal?

Regina Betz: Es war ein Abenteuer! 20 Stunden Anreise, mit dem Klapprad Züge wechseln, Mittagessen in Paris, Abendessen in London und schlussendlich um kurz vor Mitternacht mein Zimmer in Glasgow beziehen. Aber ich hatte Glück: Ein günstiges Studio im zehnten Stock mit Aussicht auf das Verhandlungszentrum. Dass die Sicherheitsvorkehrungen hoch sind, merkte ich nicht nur an der starken Polizeipräsenz und der blockierten Schnellstrasse unter meinem Fenster. Auch musste ich mich jeden Tag testen lassen und – umgekehrt zu den Verhandlungen – auf negative Resultate hoffen. Ansonsten drohten mir zehn Tage Isolation.

Klimademonstrationen in Glasgow an der COP26

Und wie war die Stimmung auf dem Gelände?

Es waren wie zwei Parallelwelten. Du hast Verhandler:innen, welche zäh, Komma für Komma, Klammer für Klammer in Sitzungszimmern über Paragraphen streiten. Daneben diskutiert auf Veranstaltungen eine bunte Mischung aus der ganzen Welt: Umweltaktivist:innen und Industrievertreter:innen; indigene Völker und Akademiker:innen. Wie eine dritte Parellelwelt schien Glasgow selbst. Tausende demonstrierten für mehr Klimaschutz und überall standen Plakate: «The world is looking to you COP26» oder «Let’s work together for our future».

Was trägt die ZHAW zu den Verhandlungen bei?

Wir haben ein Handbuch auf einem Side Event vorgestellt, wo wir alle Skandale und Probleme in den früheren Emissionsmärkten zusammengetragen haben. Wir haben immer dafür plädiert, dass der Markt transparenter gestaltet und besser überwacht werden muss. Ansätze davon finden wir jetzt im Artikel 6.2 und 6.4 des Abkommens

Prof. Dr. Regina Betz zusammen mit Prof. Dr. Bjarne Steffen (ETHZ)  an der UN Climate Change Conference 2021

Was findest du, war der grösste Erfolg der COP26?

Dass wir über einen globalen Ausstieg aus Kohlekraftwerken und fossilen Subventionen diskutiert haben, ist bereits ein grosser Erfolg. Das wäre vor einigen Jahren noch nicht möglich gewesen. Zwar verwässerten China, Indien und ein paar Ölstaaten in letzter Minute diese Forderung, doch ich denke, das war hauptsächlich etwas Geopolitisches, eine Machtdemonstration. Das Signal an die Industrie bleibt aber klar: Kohlekraftwerke sind nun «stranded assets», die werden bald keinen Marktwert mehr haben. Da spürte ich, dass in Glasgow eine klare Aufbruchstimmung herrschte!

«Die Verwässerung dieser Forderung war hauptsächlich eine Machtdemonstration.»

Regina Betz

Wo siehst du noch Lücken in den bisherigen Verhandlungen?

Das Pariser Abkommen ist in einigen Punkten komplizierter als das Kyoto Protokoll. Das Kyoto Protokoll war standardisiert: Die Emissionen wurden alle ab 1990 gerechnet und danach gab es einheitliche Mess- und Zielperioden. Mit dem Pariser Abkommen stellen sich die Länder unterschiedliche Ziele. Während China beispielsweise ihren Emissionspeak 2030 haben wollen, fordern Länder des globalen Südens beispielsweise Geld um ihre Ziele umzusetzen: Je mehr Geld, desto stärkere Reduktion. Oder die Schweiz, die bis 2030 50 Prozent weniger CO2 Emissionen haben will. Da ist nicht klar, wie viel pro Jahr reduziert werden soll (siehe Infobox Emissionsreduktionsziele). Solange solche Ziele nicht klar sind, ist es schwierig entsprechend zu handeln.


Emissionsreduktionsziele
Um Wirkungsvolle Ziele für CO2-Reduktion zu setzen, müssen die Ziele klar definiert werden. All diese drei Graphiken A-C symbolisieren eine Reduktion der CO2 Emission von 50 Prozent im Zeitraum 2020-2030. Die blaue Fläche signalisiert dabei die ausgestossene Menge an CO2. D.h. je schneller an «einfachen» Orten (z.B. Flüge, Autofahrten, Fleischproduktion, Luxusgüter) Treibhausgasse eingespart werden können, desto länger bleibt Zeit um an «schwierigeren» Orten (z.B. Zement, Heiz-/Kühlsysteme, Transport) geeignete Lösungen innerhalb des CO2-Budgets zu finden.

Ausblick auf nächstes Jahr: Was muss nächstes Jahr an der COP27 in Ägypten besprochen werden?

Wir arbeiten inzwischen an einem weiteren Forschungsprojekt zu «Carbon-Capture and Storage (CCS)» bei der Zementindustrie und das auch Negativ-Emissionsoptionen wie Pflanzenkohle oder Bioenergieerzeugung mit CCS untersucht. Es geht aber auch darum, was passiert, wenn durch Zertifikate Holzbauten erstellt werden. Die Risiken bei biogenen Speichern sind, dass diese wieder abbrennen können. Dann ist das CO2 nicht mehr gespeichert. Diese Problemstellungen sind bis jetzt auf internationaler Ebene noch nicht gelöst und wurden vertagt.

«Carbon Border Adjustment Mechanism»
Die Idee ist, dass beim Import von Gütern (z.B. Zement oder Elektrizität) in die EU der gleiche Kohlenstoffpreis vom Exporteur bezahlt werden muss, wie in der EU herrscht. 
Beispiel: Russland exportiert Zement nach Deutschland. Russland hat eine Kohlenstoff-Steuer von 3%, Deutschland eine von 10%. So müsste Russland weitere 7% Exportsteuer zahlen, um den Zement zu verkaufen. Das Ziel davon ist, Länder mit höheren Kohlenstoffsteuer zu bevorzugen.

Eine neue Dynamik hat auch die Idee der EU ausgelöst, der «Carbon Border Adjustment Mechanism» (siehe Infobox). Das könnte auch für weniger engagierte Staaten gute Anreize setzen.

Wirst du dann auch wieder mit dabei sein?

Nach Ägypten mit dem Zug zu fahren wird wohl ziemlich schwierig. Mal schauen, ob wir nächstes Jahr wieder genug wichtige Beiträge haben, damit sich das aus ökologischer- und zeitlicher Sicht lohnen würde.

Text und Grafik: Nico Frommherz, Fotos: Thomas Rötger (Beitragsbild), Garry Knight (Klimademonstration)

Regina Betz im Hochschulmagazin Impact
«Wir müssen stärker die positiven Seiten der nachhaltigen Entwicklung betonen, nicht Verzicht und Verbot predigen», betont die Ökonomin Regina Betz in einem Interview in der Dezember-Ausgabe des Hochschulmagazins ZHAW-Impact. Im Gespräch mit dem ZHAW-Nachhaltigkeitsbeauftragten Urs Hilber und der ZHAW-Umweltpsychologin Cathérine Hartmann diskutiert sie über soziale Innovationen in der Energiewende und dem dreifachen Impact der Hochschulen hinsichtlich nachhaltiger Entwicklung. Ab dem 1. Dezember ist das Interview im Dossier «Nachhaltige Entwicklung» im Impact-Print- und Impact-Web-Magazin zu finden. 

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