Eine gute Mutter = eine harte Karrierefrau: Warum die Schweiz dafür mehr Zeit braucht

Mutter - Karriere - Kind

Dr. Elena Hubschmid-Vierheilig

Kommentar zum Artikel in der BILANZ:  «Wie die Karriere mit Kind funktioniert».

Wie viele Publikationen erscheinen täglich zum Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf?! Was müssen die Unternehmen tun, um mehr Frauen in den Führungspositionen zu haben? Auch die Hochschulen forschen seit längerem zu dieser Problematik und geben Empfehlungen ab wie bspw. dass Jobsharing in den Führungspositionen zum Erfolg wird oder wie die Flexibilität am Arbeitsplatz zur Motivation der Familienfrauen beiträgt, weiterhin nach der Babypause für den Arbeitgeber zu arbeiten, und dies vielleicht im grösseren Pensum als nur 50%.

Der Arbeitsmarkt braucht qualifizierte weibliche Führungskräfte und doch bleibt nur ein kleiner Teil der Frauen ihren Karriereaspirationen treu.

In der Zeitschrift Bilanz machen die folgende Untertitel auf sich aufmerksam:

  • 80 Prozent [der Frauen] arbeiten in Teilzeit
  • ein Umdenken findet zwar statt – aber langsam
  • wenig Verständnis in der Schweiz
  • traditionelles Rollenverständnis

Es gibt einige gute Unternehmensbeispiele, bei denen der Wiedereinstieg nach der Babypause oder auch bspw. Job-Sharing in den Führungspositionen gefördert wird. Darauf will ich in diesem Kommentar nicht eingehen. Worauf es wirklich ankommt ist die nationale Kultur – Die Werte und Vorstellungen, die historisch herangewachsen über hunderte von Jahren eine Gesellschaft und deren Kultur prägen. Auch das progressivste Unternehmen agiert in einem bestimmten Kulturkreis. Prof. Geert Hofstede hat in den 1980er Jahren sein grösstes Forschungsprojekt über die Dimensionen der nationalen Kultur gestartet und versuchte diese auf zuerst vier Dimensionen zu erfassen: Maskulinität vs Feminität, Machtdistanz, Individualismus vs. Kollektivismus, Unsicherheitsvermeiden. Danach kamen noch 2 weiteren Dimensionen dazu.

Vergleicht man die Schweiz mit Schweden, fällt folgendes auf:

Vergleich Schweiz-Schweden (Quelle: Website von Geert Hofstede)
Vergleich Schweiz-Schweden (Quelle: Website von Geert Hofstede)

Maskulinität vs. Feminität: bei dieser Dimension geht es um die Frage, wie die emotionalen Rollen in der Gesellschaft verteilt werden und welches Verhalten von welchem Geschlecht erwartet wird. In femininen Kulturen teilen sich die beiden Geschlechter Familienaufgaben oft paritätisch. Männer sind oft auch für die Familie zuständig, Frauen machen Karriere und dies wird v.a. in der Gesellschaft akzeptiert und als selbstverständlich wahrgenommen. Muttersein schliesst das Karrieremachen nicht aus. Karrierefrauen werden nicht als «Rabenmütter» abgestempelt. Wenn man die Skala Maskulinität-Feminität von Schweden mit der Schweiz vergleicht, staunt man, wie hoch die Schweiz auf der Maskulinitätsskala abschneidet. Dies bedeutet im Führungsalltag, dass dasselbe Verhalten (bsp. «Lautwerden», «selbstsicher und bestimmt kommunizieren») bei Männer als Stärke, bei Frauen aber als «Stresssyndrom» oder «Bossiness» interpretiert wird. Um eine solche Wahrnehmung zu ändern, muss sich die nationale Kultur ändern.

Sehr oft vergessen viele, dass die nationale Kultur sich aber sehr langsam ändert. Ohne einen grossen «Big Bang Event» wie z. B. der Zerfall der Sowjetunion (da wurde die russische Kultur auf der Skala Kollektivismus-Individualismus vom hohen Kollektivismus-Score in die Richtung Individualismus geändert) ist nur eine iterative Änderung möglich. In stabilen Ländern wie der Schweiz, in der selten Ereignisse analoge zu Bing-Bang möglich sind, ist die Änderung der nationalen Kultur nur evolutionär und nicht revolutionär möglich. Anders gesagt heisst dies, dass es vielleicht noch mehrere Generationen brauchen wird bis der hohe Wert an Maskulinität sich in die Richtung Feminität verschiebt.

Die nationale Kultur der Schweiz muss sich jedoch «feminisieren». Erst dann werden Unternehmen und die Gesellschaft die weiblichen Potenziale voll ausschöpfen können.


1 Kommentar

  • Heißt das dann vielleicht auch in Umkehrschluss, dass in der Schweiz aufgrund Ihres maskulinen Selbstbildes eine Jobsharing bei Männern eine Sache ist, die in der Gesellschaft als nicht richtig angesehen wird? Ich finde auch, dass es hier Zeit für ein gewisses Umdenken ist. Es sollte in der heutigen Zeit schließlich auch gesellschaftlich akzeptiert sein, dass ein Vater, sofern das finanziell möglich ist, auch möglichst viel von den frühen Jahren seines Kindes miterleben kann. Auch für den Arbeitgeber muss Jobsharing dabei kein Nachteil sein, wenn sich 2 Personen eine Stelle aufteilen: Mehr Arbeitnehmer bringen mehr Kompetenz ins Unternehmen und leiden weniger unter Stress, insbesondere in Führungspositionen. Habe hier noch einen Artikel gelesen, der weitere Punkte aufgezählt hat: https://www.ubc-collection.com/blog/vor-und-nachteile-des-jobsharings/ .
    Ich bin mal gespannt, wie lange es dauert bis der Trend auch in der Schweiz ankommt.


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