Personalselektion
Wer soll Entscheidungen in der Personalselektion treffen? Sind Führungskräfte hierzu besonders geeignet? Oder soll man sich auf Testresultate von Online-Anbietern verlassen? Kann der Job der Personalselektion allenfalls in Zukunft automatisiert werden, oder braucht er menschliche Fähigkeiten, die einer Maschine fehlen, wie z.B. die Gesprächsführung im Bewerbungsinterview oder die Interpretation sozialer Signale im Face-to-Face-Kontakt?
Die Tester testen – Wie gut sind Führungskräfte in Selektionsentscheiden?
Um die Eignung potenzieller Kandidaten einschätzen zu können, kann auf Tests zurückgegriffen werden, welche Arbeitsleistungen vorhersagen können, so z.B. mit einem Online-Fragebogen. Dabei werden Persönlichkeitsaspekte ebenso abgedeckt wie technische, soziale oder kognitive Fähigkeiten und den Job-Fit zwischen Person und Arbeitsaufgabe. Ob diese nun tatsächlich eine spätere Arbeitsperformance besser prognostizieren können – ob Maschinen oder Menschen die besseren Selektionsentscheide treffen – hat eine Forschergruppe in einer Studie untersucht (Hoffman, Kahn, & Li, 2015). Dabei verglichen sie für die Besetzung einer niedrigqualifizierten Stelle ähnlich dem eines Call-Center-Mitarbeiters oder Data-Typisten in 15 verschiedene Unternehmen die Verbleiberate der angestellten Mitarbeitenden. Die Mitarbeiter wurden entweder online mehreren Tests unterzogen und aufgrund des besten Resultats ausgewählt. Oder aber sie wurden per Führungsentscheid mit Hilfe persönlicher Interviews eingestellt. Die Ergebnisse zeigen, dass erstere zu 15% länger in ihrem Job verblieben sind.
In einer zweiten Studie hat man die Kandidaten Kategorien zugeordnet – grün für gute Testergebnisse, gelb für mittlere, rot für niedrige. Wenn sich nun eine Führungskraft über die Testergebnisse hinwegsetzt und sich gegen eine Person mit Testergebnis grün dafür für eine Person mit dem Testergebnis gelb entscheidet – aufgrund ihres Interviews und persönlichen Eindrucks – performt diese dann besser als eine solche, die aufgrund der Computerregel ausgewählt wurden? Durchschnittlich entschieden sich Führungskräfte in 20% der Fälle dafür, eine Ausnahme von der Regel zu machen. Allerdings zeigte sich, dass die Personen derjenigen Führungskräfte, die aufgrund der Computertests selektiert wurden, besser performten als die Mitarbeiter von Führungskräften, die sich für eine Ausnahme entschieden hatten.
Persönliche Sympathie ist kein Indiz für einen guten Stellen-Match
Erklären lassen sich die schlechteren Ergebnisse der Führungsentscheide durch mögliche Biases, die in der Selektion auftreten können. So werden Einstellungsentscheidungen häufig unbewusst gefällt. Dabei können Aspekte wie Ähnlichkeiten, Sympathien und persönliche Präferenzen für einen Kandidaten ausschlaggebend sein, die nichts mit den Stellenanforderungen zu tun haben. Führungskräfte entscheiden sich aufgrund einer persönlichen Passung: “[Selection] is like if you were on a date. You kind of know when there’s a match.” (Rivera, 2012) Dass diese persönlichen Sympathien kein valides Kriterium für die Performance und Verbleibewahrscheinlichkeit darstellen, liegt auf der Hand.
Diskutieren Sie mit – Wo liegen die Grenzen?
Die Digitalisierung wird auch im Recruiting voranschreiten, innovative Technologien werden Unternehmen dabei unterstützen, Kandidaten zu identifizieren und zu selektieren. Bereits heute versuchen einige innovative Start-ups den Prozess des Rekrutierens und der Selektion zu automatisieren. Sie gehen davon aus, dass Data Analytics den Job effektiver und effizienter ausführt als Personen. Gewisse Personalvermittler und Executive-Search-Firmen – wie z.B. Korn Ferry – nutzen heute selbst für die Besetzung der C-Suite Algorithmen (Green, 2015).
Wo werden Algorithmen an Grenzen stossen? Was sind die Argumente gegen den Einsatz technologischer Hilfsmittel? Oder anders gefragt: was macht den Job des Rekrutierens immun gegen eine Automatisierung?
Diskutieren Sie mit.
jallo
Green, S. 2015. Hiring C-Suite Executives by Algorithm. Harvard Business Review, April.
Hoffman, M., Kahn, L. B., & Li, D. 2015. Discretion in Hiring. Harvard Business School Working Paper, Oktober: No. 16-055.
Rivera, L. A. 2012. Hiring as Cultural Matching: The Case of Elite Professional Service Firms. American Sociological Review, 77(6): 999-1022.