Journalisten des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ recherchierten monatelang nach Gründen für den Niedergang der Deutschen Bank, der bereits vor 20 Jahren begonnen habe. Kenner und Insider des Finanzkonzerns monierten vor allem die strategische Ausrichtung als globale Investmentbank und die Kultur, die geprägt sei von Lastern wie „Gefallsucht, Gier, Provinzialität, Feigheit, Verlogenheit, Inkompetenz, Schwäche, Hochmut, Versagertum, Dekadenz, Arroganz, Biedersinn, Naivität“. Diese Verhaltensweisen hätten nicht nur das Verhältnis des Geldhauses zu seinen Mitarbeitern, Kunden, Investoren und der Gesellschaft schwer belastet, sondern sogar dessen Existenz bedroht. Dafür sprechen auch die 7800 anhängigen Rechtsstreitigkeiten mit Schadenersatzforderungen im zweistelligen Milliardenbereich. Hinter jedem dieser Fälle sind unzufriedene oder gar enttäuschte Stakeholder zu vermuten.
Die Selbstdarstellungen der Firma liefern ein ganz anderes Bild. So fordert die Deutsche Bank in ihrem „Verhaltens- und Ethikkodex“ von allen Mitarbeitern, dass eine „Leistungskultur […] mit einer Kultur der Verantwortung“ einhergehen muss, bei der hohe „Umwelt- und Sozialstandards“ beachtet werden sollen. Auch gelte es die Tugenden der Integrität, nachhaltigen Leistung, Kundenorientierung, Innovation, Disziplin und Partnerschaft zu entwickeln.
HR als Vorbild
Warum klaffen Wunsch und Wirklichkeit auch bei anderen Firmen oft so weit auseinander? Die Gründe sind vielschichtig und wurzeln auch in einer verantwortungslosen Leadership. Diese zeigt sich zum Beispiel für die Mitarbeiter in Zielvorgaben und Belohnungssystemen, die im Widerspruch zu den gewünschten Tugenden stehen. Im Zweifel werden erstere umgesetzt, weil davon die eigene Karriere abhängt. Oder das Verhalten der Vorgesetzten entspricht nicht dem gewünschten Ethik-Kodex. Dann dürfte dies kaum den Rest der Belegschaft motivieren, besser zu handeln. Deshalb sind gerade Vertreter des HR in die Pflicht genommen, schon bei der Auswahl und Entwicklung neuer Führungskräfte nicht nur deren fachliche Expertise zu fördern, sondern auch deren ethische Kompetenz zu stärken. Dazu müssen sie aber selbst die verschiedenen Theorien der ethischen Verantwortung und deren Anwendbarkeit in Unternehmen besser einschätzen können. Sonst beschränkt sich ihr Einfluss auf die Formulierung schön klingender Pflichtenkataloge, die in der Praxis kaum Beachtung finden, geschweige denn gelebt werden.
Wie (un)ethisches Verhalten sich langfristig (nicht) auszahlt …