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Konferenzdolmetscher:innen tauchen ständig in neue Welten ein. Madlaina über Beruf, Masterstudium und Zukunft

Vor fünf Jahren schloss Madlaina den Master Language and Communication mit Vertiefung Konferenzdolmetschen an der ZHAW ab. Heute ist they als selbstständige:r Konferenzdolmetscher:in für Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch erfolgreich im Markt etabliert. Im Interview spricht Madlaina über die Faszination des Dolmetschens, die Herausforderungen der Selbstständigkeit, den unschätzbaren Wert einer idealen Kabinenpartnerschaft – und von persönlichen Highlights aus dem Studium.

Autorin: Christa Stocker

Welches sind die wichtigsten Aufgaben in deinem beruflichen Alltag/deiner Tätigkeit als Konferenzdolmetscher:in?

Neben dem Dolmetschen an der Konferenz selbst kommen noch viele weitere Aufgaben hinzu. Die thematische Vorbereitung ist dabei wohl das Allerwichtigste. Wenn ich mich gut auf ein Thema vorbereiten kann, ist das schon die halbe Miete und ich kann mich am Tag der Konferenz auf die anderen Herausforderungen konzentrieren. Je nach Thema dauert die Vorbereitung länger oder ist etwas weniger zeitintensiv.

Noch vor der Vorbereitung muss der Auftrag aber erst einmal zustande kommen. Das bedeutet: Anfragen von Kund:innen beantworten, Offerten und Verträge schreiben, Kolleg:innen anfragen und als Ansprechperson für die Kund:innen bei der Organisation der Konferenz zur Verfügung stehen. Und nach der Konferenz muss natürlich noch die Rechnung gestellt werden.

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Madlaina Caflisch, Absolvent:in Master Language and Communication,Vertiefung Konferenzdolmetschen (Credits: Katja Bleibler)

Mit welchen Sprachen arbeitest du vor allem?

Ich arbeite hauptsächlich mit Deutsch und Französisch (in beide Richtungen). Und seit zwei Jahren auch regelmässig mit Italienisch und Rätoromanisch.

Was gefällt dir an deinen Aufgaben besonders? Warum?

Jeder Auftrag ist anders und die Themen sind sehr breit gefächert. Dadurch lerne ich extrem viel dazu, kann immer wieder in einen anderen Bereich eintauchen. Perfekt für wissensdurstige Menschen wie mich. 🙂 Ausserdem ist dadurch auch das Zielpublikum immer wieder ein anderes, wodurch man sehr viele Menschen mit vielen verschiedenen Hintergründen kennen lernt.

Was sind die grössten Herausforderungen in deinem Job und wie meisterst du diese?

Als selbständig erwerbende Person hat man viele Freiheiten, aber auch weniger Planungssicherheit als eine angestellte Person. Auch nach sechs Jahren Selbstständigkeit stelle ich fest, dass es immer noch eine Herausforderung ist, ein gutes Gleichgewicht zu finden und mir selbst ein:e gut:er Chef:in zu sein.
Eine andere grosse Herausforderung war, für mich herauszufinden, wie ich damit umgehe, wenn meine Kund:innen sexistische, rassistische oder sonstige diskriminierende Aussagen machen. Eigentlich wäre meine Rolle als Dolmetscher:in klar: Ich übersetze, was gesagt wird. Aus einer queerfeministischen Perspektive kann ich das aber nur sehr schwer akzeptieren und weigere mich auch ganz klar, gewisse Aussagen zu reproduzieren. Hier einen Weg zu finden, der Berufsethos, eigene Grenzen und Nulltoleranz gegenüber Diskriminierung vereint, ist für mich nach wie vor eine grosse Herausforderung und mit dieser Frage muss ich mich auch immer wieder aufs Neue auseinandersetzen.

Du hast mit einer Kollegin aus dem Studium eine eigene Agentur gegründet. Wie seid ihr dazu gekommen?

Nicht ganz. Wir sind keine Agentur, sondern haben eine gemeinsame Webseite erstellt, auf der wir erklären, dass wir nach Möglichkeit zusammenarbeiten. Schon im Studium haben wir gemerkt, dass wir gut zusammen in der Kabine funktionieren und uns gegenseitig unterstützen können. Das wollten wir auch im Berufsleben weiterführen. Eine:n Kabinenpartner:in zu haben, di:er mich gut kennt und bereits am Tonfall der Stimme hört, ob ich das Wort, das jetzt dann gerade kommt, noch nicht auf der Zunge habe und es mir auf mein Blatt schreibt, ist unglaublich wertvoll.

Welche Tätigkeiten hast du unmittelbar nach dem Studium ausgeübt bzw. welche Aufträge hast du bekommen? Wie hat sich das verändert?

Ich habe bereits während des Studiums Teilzeit bei SWISS TXT als Respeaker:in gearbeitet. Diese Tätigkeit habe ich weitergeführt und nebenbei meine Selbständigkeit aufgebaut. Mein allererster Auftrag war eine E-Bike-Tagung für Swiss Cycling in Bern. Danach bekam ich immer mehr Aufträge – für Gewerkschaften, das SRF, Bundesämter, Verbände etc.

Warum hast du das Masterstudium in Konferenzdolmetschen an der ZHAW absolviert?

Ich wusste schon ziemlich früh, dass ich Konferenzdolmetschen studieren wollte. In meinem letzten Bachelorjahr an der Universität Genf habe ich dann die Aufnahmeprüfungen sowohl für den Master in Genf als auch in Winterthur gemacht. Und an der ZHAW hat es geklappt.

Welche Kompetenzen aus dem Studium haben dir im Beruf bisher am meisten geholfen?

Schnelles und effizientes Einarbeiten in neue Themen, Resilienz, ruhig bleiben in stressigen Situationen – und natürlich die ganzen Dolmetschstrategien, die wir uns mit Üben, Üben und nochmals Üben angeeignet haben.

Inwiefern hat dich der Master auf deine berufliche Tätigkeit vorbereitet?

Sehr. Das Studium bestand ja grossmehrheitlich daraus, Reden zu dolmetschen und von den Dozierenden Feedback zu bekommen. Aber vieles lernt mensch auch erst im Berufsalltag. Das sind v.a. die etwas mühsameren Dinge wie Verhandlungen mit Kund:innen führen, Vorsorgefragen klären, Buchhaltung machen …

Was waren im Studium deine Highlights? Warum diese?

Die praktischen Dolmetschkurse waren immer sehr toll. Auch sehr anstrengend und fordernd, aber sie haben immer Spass gemacht.

Woran im Studium erinnerst du dich gern?

Der Zusammenhalt unter uns Studierenden war riesig. Wir waren nur zu viert in der Vertiefung Konferenzdolmetschen und haben uns durch die Semester getragen. Wenn jemand mal ein Tief hatte, weil wir unter grossem Druck standen, konnten die anderen die Person wieder aufrichten. Wir haben jeden Tag zusammen geübt und haben so viele, viele gemeinsame Stunden verbracht. Dadurch sind Freund:innenschaften fürs Leben entstanden.

Wie hast du die Stimmung im Studium erlebt – unter den Studierenden und zwischen Studierenden und Dozierenden?

Unter uns Studierenden war die Stimmung wie gesagt super. Aber auch zwischen Studierenden und Dozierenden hatten wir stets einen respektvollen und wohlgesinnten Umgang. Anders geht es meiner Meinung nach gar nicht, denn der Studiengang ist so klein und man verbringt so viel Zeit miteinander. Da wäre ungute Stimmung schnell zu einer grossen Belastung geworden.

Was würdest du Studieninteressierten sagen, warum sich der Master mit Vertiefung Konferenzdolmetschen für sie lohnt?

Es stimmt zwar, dass sich die Welt der Sprachdienstleistungen in letzter Zeit sehr schnell verändert und wir nicht wissen, wie es in fünf bis zehn Jahren ums Konferenzdolmetschen steht. Sicher ist aber, dass mensch in diesem Studium viele Dinge lernt, die grundsätzlich im Leben sehr nützlich sind und die einen weiterbringen. Ich wage zu behaupten, dass sich nicht viele so schnell und tief in ein Thema einarbeiten und vielschichtig Denken können wie Konferenzdolmetscher:innen.

Wo siehst du dich in 5 bis 10 Jahren?

Ich habe da so ein paar Ideen, wie ich meine berufliche Tätigkeit als Dolmetscher:in mit meinen weiteren Tätigkeiten im politisch-aktivistischen Bereich vereinen kann. Aber das ist noch nicht ganz spruchreif. 😉

Danke, Madlaina, für deine spannenden Einblicke und viel Erfolg für die Zukunft! Wir sind gespannt, wo wir dir in Zukunft begegnen.


Master Konferenzdolmetschen KD

Madlaina Caflisch dolmetscht von Französisch, Italienisch, Englisch und Rätoromanisch ins Deutsche und von Deutsch ins Französische. They ist freelance tätig und bietet zusammen mit einer Mitabsolventin ihres Jahrgangs über die Webseite c-interpreting.ch Dolmetschdienstleistungen und weitere Sprachdienstleistungen an.

(Credits Beitragsbild: Navarre Megali)


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