Mit KI zum reflektierten wissenschaftlichen Schreiben und Argumentieren

Im Studiengang Sprachliche Integration zeigt sich, wie zukunftsorientierte Lehre heute aussehen kann. Das Modul «Wissenschaftliches Arbeiten 2» geht weit über das klassische Vermitteln von Schreibregeln und Zitiertechniken hinaus. Es verknüpft die Anforderungen des wissenschaftlichen Arbeitens mit innovativen Methoden – insbesondere durch den gezielten Einsatz von Künstlicher Intelligenz.

Autorin: Kyra Jetzer

«Das Modul baut auf dem Modul Wissenschaftliches Arbeiten 1 aus dem ersten Semester auf», erklärt Dozent und Studiengangleiter Oliver Winkler. «Ziel ist es, das analytisch-wissenschaftliche Denken und Formulieren weiter zu schärfen. Dabei setzen wir sowohl auf das Lesen anspruchsvoller wissenschaftlicher Texte als auch auf das Entwickeln eines eigenen wissenschaftlichen Schreibstils.» Besonders hervorzuheben ist dabei die Rolle von KI: Sie wird nicht als Ersatz, sondern als intelligentes Werkzeug in den Lernprozess eingebunden.

Wissenschaftliches Arbeiten neu gedacht

Die Studierenden lernen, zentrale Kernkompetenzen zu entwickeln, etwa das präzise Zusammenfassen von Kernaussagen, das kritische Lesen sowie das reflektierte Schreiben. Was das Modul besonders macht, ist der Umgang mit sogenannten «Megaprompts» – ausführlichen Anleitungen für die KI, die den Schreibprozess gezielt strukturieren. «Die Studierenden nutzen KI als Sparring- und Dialogpartner. Sie erhalten gezielte Aufgaben, formulieren Antworten, erhalten Feedback und fassen das Ganze schliesslich kohärent zusammen», so Julia Krasselt, Dozentin und Mitverantwortliche im Modul.

Damit geht das Modul neue Wege im didaktischen Design. Die klassischen Unterrichtsformen werden zugunsten einer neuen Form von Teamteaching aufgebrochen, bei der Lehrende, Studierend und KI-Systeme in den Lehr- und Lernprozess eingebunden sind. «Die KI hilft beim Feedback Einholen und Geben und ermöglicht es uns dafür, die Studierenden während der Lehrzeit am Platz zu besuchen, ihnen kurze Coachings zu geben und uns auf die 1:1 Interaktion zu konzentrieren», betont Julia Krasselt.

Kritisches Denken im Dialog mit der Maschine

Besonders spannend wird es in einem Leistungsnachweis, den die Studierenden erbringen müssen: Die Studierenden wählen ein kontrovers diskutiertes Thema, zum Beispiel Rassismus in Kinderbüchern, und entwickeln mithilfe von Literaturrecherche eine eigene Position. Anschliessend treten sie in den Dialog mit der KI, die gezielt Gegenargumente liefert. «Die KI wird mit dem Megaprompt dazu aufgefordert, die Argumentation der Studierenden herauszufordern. Daraus entsteht ein Streitgespräch. Dieses wird als Grundlage verwendet, um einen eigenen argumentativen Text zum Thema zu verfassen», beschreibt Oliver Winkler.

Diese Phase verlangt von den Studierenden viel: Sie müssen die Argumente des Chatbots verstehen, darauf angemessen eingehen und gleichzeitig ihre eigenen Argumente hinterfragen und schärfen. «Die KI kann schon ganz schön hartnäckig sein, wenn es um die Kritik an Argumenten oder dem Schreibstil geht», berichten Studierende laut Feedback. Genau das sei aber beabsichtigt: eine Lernumgebung, die fordert und individuell begleitet.

KI nicht als Abkürzung, sondern als Lernpartner

Ein zentrales Anliegen des Moduls ist es, den Studierenden zu vermitteln, dass KI kein Ersatz für eigenes Denken ist, sondern eine Ergänzung. «Wir möchten, dass Studierende KI-Tools wie ChatGPT reflektiert einsetzen», sagt Julia. «Nicht, um schneller an einen fertigen Text zu kommen, sondern um das eigene Verständnis und die Argumentationsfähigkeit zu stärken.» Die Studierenden sollen lernen, wie KI wissenschaftliche Prozesse unterstützen kann – etwa beim Erkennen argumentativer Schwächen oder beim Formulieren komplexer Gedanken.

Die Rückmeldungen der Studierenden fielen überwiegend positiv aus. Viele waren überrascht, wie hilfreich, aber auch anspruchsvoll, die Arbeit mit KI sein kann. Oliver und Julia ziehen ein klares Fazit: «Ja, wir werden das im nächsten Jahr sicher wieder einsetzen und aus dem ersten Durchlauf lernen. Gerade beim Erstellen der Megaprompts wollen wir die Studierenden künftig stärker einbeziehen – das ist auch eine Kompetenz, die sie im späteren Beruf gut brauchen können.»

Das Modul «Wissenschaftliches Arbeiten 2» zeigt eindrucksvoll, wie digitale Innovation, didaktisches Konzept und wissenschaftliche Praxis sinnvoll ineinandergreifen können. Es macht deutlich: Wer heute wissenschaftlich arbeitet, sollte nicht nur schreiben und zitieren können, sondern auch mit Künstlicher Intelligenz denken lernen.

Studentin Enya spricht über ihre Erfahrungen im Modul "Wissenschaftliches Modul 2"Playbutton für Studentin Enya spricht über ihre Erfahrungen im Modul "Wissenschaftliches Modul 2"

Studentin Enya spricht über ihre Erfahrungen im Modul „Wissenschaftliches Modul 2“


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