Im Projekt Digital Literacy in University Contexts werden digitale Tools und Funktionalitäten evaluiert, die beim Sprachenlernen und beim akademischen Schreiben an Schweizer Hochschulen Anwendung finden. Die Partnerhochschulen (Berner Fachhochschule, Pädagogische Hochschule Zürich, Universität Neuenburg, ZHAW) wollen mit dem Projekt einen selbstbewussten, resilienten und reflektierten Umgang mit digitalen Schreibunterstützungen im Hochschulkontext fördern. Im Interview erzählt Projektleiterin Liana Konstantinidou (ILC), was Digital Literacy ist und welche konkreten Ziele mit dem Projekt verfolgt werden.
von Stefanie Krüsi, Kommunikationsverantwortliche ILC Institut of Language Competence
Seit Januar 2021 läuft das Projekt «Digital Literacy in University Contexts».
Worum geht es dabei?
Liana Konstantinidou: Wir möchten einerseits herausfinden, welche digitalen Technologien im Schweizer Hochschulkontext beim Lehren und Lernen von Sprachen und beim Schreiben von akademischen Texten genutzt werden. Andererseits analysieren wir, wie diese gestaltet sein und eingeführt werden sollen, damit Angehörige von Hochschulen am meisten davon profitieren.
Was heisst denn «Digital Literacy» überhaupt?
Liana Konstantinidou: Dieser Begriff wird in unterschiedlichen Kontexten und von unterschiedlichen Fachdisziplinen verwendet. Wir in der angewandten Linguistik verstehen folgendes unter «Digital Literacy»: Die Kompetenz, digitale multimodale Kommunikation im Kontext adäquat zu erfassen, zu reflektieren, zu verarbeiten und zu entwickeln.
Diese Kompetenz bezieht sich im Rahmen des Projekts beispielsweise auf die Fähigkeit, einen Teil eines englischsprachigen Fachartikels zwar maschinell übersetzen zu lassen – wohl wissend, dass die maschinelle Übersetzung sprachlich sowie inhaltlich geprüft und die Übersetzung paraphrasiert werden muss, bevor sie in den eigenen Text integriert wird. Ein weiteres Beispiel ist die Kompetenz, in den Prozess der Schreibberatung digitale Tools und Funktionalitäten einzubinden, die mich als Beraterin entlasten – wie Funktionalitäten, die automatisch Wiederholungen im Text oder Stilbrüche aufzeigen.
Welche konkreten Ziele verfolgt ihr mit diesem Projekt?
Liana Konstantinidou: Wir möchten aufzeigen, wie auf Künstliche Intelligenz bezogene Technologien in die Hochschullehre und in die Beratung systematisch und sinnvoll eingeführt werden können. Einerseits soll der kompetente Umgang der Dozierenden mit diesen Technologien gefördert werden, andererseits werden Studierende befähigt, ihre Schreibfähigkeiten mithilfe intelligenter Maschinen zu verbessern. Um das zu erreichen, werden wir die Anwendbarkeit verschiedener Arten digitaler mehrsprachiger Schreibunterstützung an Schweizer Hochschulen evaluieren und das Bewusstsein aktueller und zukünftiger NutzerInnen für die damit verbundenen Chancen und Risiken schärfen.
Welche Zielgruppe soll mit diesem Projekt erreicht werden?
Liana Konstantinidou: Studierende, Dozierende, Schreibberatende, BetreuerInnen von Arbeiten. Also sämtliche Hochschulangehörige, die im Lehr-/Lernprozess digitale Schreibunterstützungen verwenden oder verwenden könnten, um diesen Prozess effizienter und nachhaltiger zu gestalten.
Welche Relevanz hat dieses Projekt?
Liana Konstantinidou: Dieses Projekt soll durch den reflektierten Einsatz von Technologien einerseits die Sprachenvielfalt, andererseits die sprachliche Integration im Schweizer Hochschulkontext fördern. Es gibt viele digitale Hilfsmittel, die das akademische Schreiben auf Englisch unterstützen, aber nur wenige für die Schweizer Landessprachen. Jedoch werden viele Abschlussarbeiten in der Schweiz in den Landessprachen geschrieben. Dies zeugt von grosser Wichtigkeit, wenn andere Wissenschaftssprachen neben der englischen bestehen bleiben sollen. Es stellt sich deshalb die Frage, ob Tools, die für die englische Sprache entwickelt wurden, für die Landessprachen adaptiert werden können.
Zudem soll der Einsatz von digitalen Schreibunterstützungen Studierende mit Migrationshintergrund an Schweizer Hochschulen unterstützen. Gleichzeitig soll er den Zugang zur internationalen akademischen Gemeinschaft für Schweizer DoktorandInnen erleichtern.
Was ist der Mehrwert des Projekts?
Liana Konstantinidou: Literacy in der Hochschulbildung verändert sich durch die Einführung von Technologien im Kontext des Sprachenlernens und des akademischen Schreibens. Gleichzeitig werden Schreibfähigkeiten und mehrsprachige Kommunikation als Schlüsselkompetenzen für die Integration der Studierenden in den Arbeitsmarkt und die Gesellschaft im Allgemeinen angesehen. Dies spiegelt sich in den Reformen der Curricula wider, die den Schwerpunkt stärker auf Kommunikationskompetenzen legen, ohne jedoch Studierenden oder Dozierenden unbedingt geeignete Ressourcen oder Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen.
Wir beobachten in verschiedenen Bereichen einen unreflektierten Einsatz digitaler Hilfsmittel, die zum Verständnis und zur Erstellung von Texten in verschiedenen Sprachen verwendet werden. Die Herausforderung in diesem Zusammenhang besteht darin, herauszufinden, wie die Vorteile der KI-bezogenen Technologien in der Hochschulbildung genutzt werden können, während gleichzeitig potenzielle Risiken wie ineffektive Kommunikation, Fehlkommunikation und Missbrauch (z. B. Plagiate) minimiert werden.
Welches ist dein persönlicher Bezug zum Projekt? Warum liegt es dir am Herzen?
Liana Konstantinidou: Digitalisierung soll im Kontext des Lehrens und Lernens eine Chance sein und von allen Beteiligten als solche wahrgenommen werden. Es ist mir deshalb wichtig, dass Digitalisierung didaktische Innovation fördert und nicht verhindert. Die Tools allein reichen nicht, um didaktische Innovation zu erreichen.
Mehr Details zum Projekt gibt es hier.