„Die Rolle der Auslandsender in der globalen Kommunikation“. Mit diesem Thema lud die SPD-Fraktion des Deutschen Bundestages zu einem sogenannten „medienpolitischen Dialog“. Politiker, Mitarbeiter vom Auswärtigen Amt, aber auch Journalistinnen und Journalisten von verschiedenen Auslandsendern und von der privaten Konkurrenz, Verbands- und Gewerkschaftsvertreter sowie interessierte Bürgerinnen und Bürger wohnten dem Anlass bei. Und auch die Erkenntnisse aus der Wissenschaft waren gefragt: So hatte ich die Aufgabe, mit einem Referat in die Thematik einzuführen und in der anschliessenden gut einstündigen Diskussion die wissenschaftliche Sichtweise einzubringen.
von Dr. Guido Keel, Dozent und Geschäftsführer am IAM
Hintergrund für den Dialog war einerseits die Frage, welche Rolle Auslandsender wie die Deutsche Welle, BBC World, France 24 aber auch Russia Today und Chinese Central Television spielen, wenn die Nutzerinnen und Nutzer Medien zunehmend argwöhnisch beurteilen und Mainstream-Medien oder Fake News zu Kampfbegriffen im medienkritischen Diskurs geworden sind. Aus Sicht der Bundestagsfraktion ging es aber auch um die sehr handfeste Frage, wofür und in welchem Ausmass der eigene Auslandsender Deutsche Welle – immerhin mit einem Budget von rund 400 Mio. Franken jährlich – in der Zukunft finanziert werden soll.
Es gehört zum Alltag eines Wissenschaftlers, an einer Fachkonferenz Vorträge zu halten, auf dem Podium zu diskutieren und Fragen aus dem Publikum zu beantworten. Dabei kennt man sich oft – man ist wissenschaftlich gleich sozialisiert, hat die gleichen Bücher gelesen, stützt sich auf die gleichen Theorien ab und zitiert sich gegenseitig. Veranstaltungen wie dieser medienpolitische Dialog sind aber meines Erachtens die eigentlichen Prüfsteine für die eigenen Erkenntnisse und die eigene Überzeugungskraft, und damit auch für die Relevanz der eigenen Arbeit: Lässt sich das, was ich als Wissenschaftler erarbeite, in einen öffentlichen Diskurs einbauen? Spielen ich und meine Theorien in einem Dialog, der über meine Fachgrenzen hinausgeht, immer noch eine Rolle? Was kann ich zur Diskussion zwischen Gewerkschafter und Politiker über Tarifsätze beitragen? Wie erkläre ich einer interessierten jungen Bürgerin, die sich noch nicht gross mit der Funktionsweise von Medien auseinandergesetzt hat, worin sich die Deutsche Welle und BBC World von Russia Today unterscheiden? Warum sind Tweets aus Krisengebieten nicht das Gleiche wie journalistische Berichterstattung?
Als Fachhochschul-Dozent bin ich mit dieser Öffnung gegenüber nicht-akademischen Perspektiven sehr vertraut: In der Ausbildung arbeiten wir eng mit der Praxis zusammen, in Dienstleistungsprojekten beraten wir Organisationen in Bezug auf ihre ganz praktischen Kommunikationsprobleme. Aus diesen Erfahrungen weiss ich: Solche Dialoge sind nicht immer einfach, aber äusserst spannend. Sie erinnern mich an interkulturelle Kommunikation: Man ist mit ganz anderen Sichtweisen konfrontiert, die einem spontan „falsch“ erscheinen. In einem zweiten Schritt erkennt man, dass diese Sichtweisen nicht nur neu und überraschend sind, sondern auch durchaus plausible Aspekte aufweisen. In einem dritten Schritt geht es deshalb darum, diese neuen Sichtweisen mit dem eigenen wissenschaftlichen Wissen zu verbinden und so zu neuen Erkenntnissen zu gelangen. Manchmal gelingt das besser, manchmal ist es mühsam, weil die anderen die Begriffe ungenau verwenden oder über einen Aspekt reden, der aus meiner Sicht absolut nebensächlich ist. Aber sich auf diesen Austausch einzulassen, ist nicht nur spannender als manche Debatte unter gleichgesinnten Wissenschaftlern über Details. Solche Diskussionen zeigen auch, dass die Wissenschaft durchaus einen relevanten gesellschaftlichen Beitrag zu leisten vermag – wenn sie sich ehrlich auf eine Debatte einlässt und auch mal eigene, durch zahlreiche Publikationen scheinbar gesicherte Überzeugungen in Frage stellt.
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