Roboter und Lochkameras in Beijing

Einen Monat lang hat Nathalie Dreier im Sommer 2014 in Beijing für das Magazin BQ Weekly gearbeitet und unter anderem für eine Sonderausgabe zum Thema Roboter recherchiert. Das Praktikum ist Teil ihres fünften Semesters in der Vertiefung Mehrsprachige Kommunikation des Bachelors Angewandte Sprachen.

von Nathalie Dreier

Chinesisch an der ZHAW zu lernen, gefiel mir so gut, dass ich im Herbst 2013 entschied, den Sommer 2014 in China zu verbringen. Zu meiner Praktikumsstelle bin ich dank einem Musiker aus Beijing gekommen, den ich am Lausanne Underground Film and Music Festival (LUFF) kennengelernt hatte. Seine Frau ist Chefredakteurin beim Magazin BQ Weekly. Sie bot mir an, bei ihr in der Nachrichtenredaktion in Beijing ein einmonatiges Praktikum zu absolvieren. Da zögerte ich natürlich nicht lange.

Das Magazin berichtet über Kultur, Kunst, Film, Fashion und innovative Ideen. Alles Bereiche, die mich interessieren. Eine Unterkunft suchte ich auf Airbnb und fand etwas ganz in der Nähe des Büros.

Als ich am 1. Juli im BQ-Redaktionsbüro im Finanzzentrum von Beijing eintraf, dachte ich zuerst, dass es doch etwas kühn sei, mit meinen wenigen Sprachkenntnissen und ohne journalistische Erfahrung bei einem chinesischen Magazin zu arbeiten. Aber meine Chefin und Arbeitskollegen wussten mit mir etwas anzufangen, und ich konnte einen Grossteil meiner Aufgaben in meiner Muttersprache Englisch erledigen. Ich wurde auch sofort zur WeChat-Gruppe des Büros eingeladen, in welcher 24 Stunden am Tag Ideen für Artikel ausgetauscht und Aufgaben verteilt werden.

Von mir wurde allerdings nicht erwartet, dass ich 24 Stunden am Tag arbeite – ganz im Unterschied zu meinen Arbeitskollegen. Meine Ansprechperson hat laut Arbeitsvertrag keinen Anspruch auf Ferien und fand trotzdem, sie sei eine „lucky person“, weil sie auf Geschäftsreisen gehen könne.

Ich arbeitete jeden Tag ab circa 11 oder 12 Uhr bis etwa 19 oder 20 Uhr. So konnte ich am Morgen einen Chinesischkurs besuchen und nach der Arbeit in der Stadt Freunde und Bekannte treffen, was die Tage lang, aber äusserst erlebnisreich machte.

Jeden Montag gab es eine dreistündige Teamsitzung, an der jedes Teammitglied fünf Themen für die nächste Ausgabe vorschlagen musste. Die Stimmung war stets locker und die Kommunikation direkt. Immer hatte jemand Süssigkeiten oder Glacés für alle dabei. Ideen waren schnell vom Tisch, wenn sie nicht von der Mehrheit als gut empfunden wurden. Meine Arbeitskollegen interessierten sich für mich und meine Meinung, obwohl die Sprachbarriere zum Teil markant war. Deswegen war es für mich oft extrem schwierig, der Besprechung zu folgen. Meine Vorschläge zu internationalen Neuigkeiten wurden aber meist positiv aufgenommen und zum Teil auch umgesetzt.

An die Interessen des Zielpublikums und die Ausrichtung des Magazins musste ich mich aber erst einmal gewöhnen, zumindest beruflich. Beispielsweise sollten wir über Themen und Ereignisse schreiben, die irgendwie mit China zu tun hatten, auch wenn sie im Ausland passierten. Zusätzlich sollte man inhaltlich immer eher an der Oberfläche bleiben (auf keinen Fall etwas politisch hinterfragen) und möglichst oft Zahlen, Fakten, Investitionsmöglichkeiten und Geldbeträge in die Beiträge einbinden. Während dieses Monats wurde es mir auch immer bewusster, wie negativ in den internationalen Medien über China berichtet wird.

Meine Hauptaufgabe war es also, über internationale Neuigkeiten in den Bereichen Innovation, Wissenschaft, Film und Kunst zu recherchieren und über diese zu berichten, damit meine Arbeitskollegen auf Chinesisch darüber schreiben konnten. Auch mussten hierzu immer möglichst brauchbare Bilder gefunden werden. Diese Aufgabe stellte sich jedoch als ziemlich schwierig heraus, da geschätzte 90 % der internationalen Nachrichten-Websites aufgrund der Zensur in China blockiert sind.

Manchmal bekam ich meine Aufgaben oder die Infos dazu per E-Mail auf Chinesisch und musste sie erstmal mit Bing Translator (Google ist in China gesperrt) übersetzen und mit viel Interpretationskraft verstehen.

Eine Aufgabe, die mir besonders gut gefiel, war die Vorbereitung eines Interviews mit zwei renommierten Lochkamera-Fotografen, die zu der Zeit eine Ausstellung in Beijing hatten. Die Recherche über die Thematik und die Textsorte Interview waren bereichernd. Auch übernahm ich einen grossen Teil der Recherchen für eine Sonderausgabe über Roboter. In der letzten Woche meines Praktikums bereiteten wir eine Sonderausgabe zu „Studieren im Ausland“ vor, bei der ich natürlich eine grosse Hilfe sein konnte und meine anderen Sprachen (Deutsch und Spanisch) einsetzen konnte.

Insgesamt war das Praktikum eine sehr gute Erfahrung. Ich habe einen Einblick in die chinesische Arbeitswelt gewonnen, die manchmal unorganisiert schien und hektisch war, aber dennoch nicht völlig fremd. Und natürlich war es auch schön, positives Feedback von meinen Arbeitskollegen und meiner Chefin zu erhalten.

In der Stadt Beijing gab es vieles zu entdecken. Schönes und weniger Schönes. Die Leute können kalt und bedrückt wirken, und der Smog ist tatsächlich so schlimm, wie man liest und hört. Kaum aber wird es dunkel, fängt die Stadt an, warm zu werden.

Die Strassen füllen sich mit Essensständen, man hört Gelächter, und die älteren Menschen tanzen und singen in den Parks – die Schwere des Tages verschwindet und man verliebt sich in die Stadt und ihre Bewohner. Und in das Essen natürlich.

Im Anschluss an mein Praktikum bin ich einen Monat lang auf Reisen gewesen und habe auch das Landleben in China kennengelernt. Total spannend und nicht immer appetitlich – aber das ist wieder eine andere Geschichte.


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