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Wissen, was Kommunikation bewegt

Ein Blog der ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften

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Was macht Mitarbeitende zu Influencern?

Posted on 13. Juni 2018 by Redaktion

Immer mehr Organisationen ermuntern ihre Mitarbeitenden, sich selbst als VertreterInnen der Organisation in öffentliche Diskurse einzubringen und entsprechend als Influencer zu wirken. Gleichzeitig verwischen die Grenzen zwischen beruflicher und privater Kommunikation; Mitarbeitende äussern sich auf Social Media zu Themen, welche die eigene Organisation betreffen, ohne dass klar wird, ob sie dies als Privatperson oder im Namen der Organisation tun. Dies schafft für Unternehmenskommunikation und Journalismus gleichermassen Chancen und Risiken. Diese diskutierten wir am IAM live vom 6. Juni 2018 mit unseren Podiumsteilnehmenden und rund 200 Gästen (nachzuhören und -sehen im aufgezeichneten Live-Stream der Veranstaltung). Sind aber alle Mitarbeitenden, die sich auf Social Media über das Unternehmen äussern, Influencer? Auf diese Frage gehen wir im Folgenden ein.

von Prof. Dr. Nicole Rosenberger, Professorin für Organisationskommunikation und Management, und Markus Niederhäuser, Leiter Weiterbildung, beide am IAM

Immer häufiger äussern wir uns im Social Web über unsere Arbeit und oder unseren Arbeitgeber. Mitunter gelangen diese Äusserungen aufgrund technischer Pannen an die Öffentlichkeit, wie etwa im Fall des SBB-Zugführers Markus L., dessen Video eigentlich für die Generalversammlung des Verbands Schweizer Lokführer und Anwärter (VSLF) gedacht war. Mitunter zeugen sie von Unbedachtheit und mangelndem Gespür für professionelles Verhalten. Dies zeigte sich beispielsweise im Fall einer CEO-Assistentin, die auf ihrem privaten Instagram-Account Bewerbungsbriefe postete und sich über die Deutschfehler der BewerberInnen mokierte.

Alle Mitarbeitenden haben heute über Social Media die Möglichkeit, das Image ihres Arbeitgebers in der Kommunikationsarena mitzugestalten. Dabei haben die Verbreitungsgeschwindigkeit und die Reichweite der Äusserungen von Mitarbeitenden im Vergleich zu analogen Zeiten deutlich zugenommen. Der Versandhändler Otto nutzt dies gezielt und setzt ausgewählte Mitarbeitende als sogenannte Influencer für das Employer Branding ein (s. dazu S. 4 unserer «IAM live»-Präsentation).

Mitarbeitende sind immer BotschafterInnen

Sind nun aber alle Mitarbeitenden, die sich auf Social Media betätigen, Influencer? Die Bezeichnung «Influencer» wird schon fast inflationär und sehr unterschiedlich verwendet, nicht selten auch als Synonym zum Begriff «BotschafterIn». Wir schlagen in Anlehnung an Annika Schach vor, diese beiden Konzepte klar voneinander abzugrenzen. Denn grundsätzlich sind Mitarbeitende immer BotschafterInnen des Unternehmens, unabhängig davon, ob ihnen das bewusst ist oder nicht. Sie prägen über ihre Arbeit und ihr Kommunikationsverhalten gegenüber Kunden oder auch Lieferanten das Image des Unternehmens mit und beeinflussen damit auch dessen Reputation. Zudem werden Mitarbeitende von Angehörigen und Bekannten und – gerade in Krisenzeiten – teilweise auch von Medienschaffenden als glaubwürdige Informationsquellen und damit als BotschafterInnen des Unternehmens betrachtet.

Markus Niederhäuser und Prof. Dr. Nicole Rosenberger bei ihrem Impulsreferat am IAM live 2018

Influencer-Funktion setzt spezifische Themenkompetenz voraus

Was ist nun in Abgrenzung dazu ein Influencer? Influencer sind Personen, die eine hohe Glaubwürdigkeit für spezifische Themen besitzen und diese über digitale Kanäle einer breiten Personengruppe zugänglich machen können. Dazu benötigen sie eine zentrale Stellung in ihrem Netzwerk, Persönlichkeitsmerkmale wie Selbstbewusstsein, Ausstrahlung und Durchsetzungsvermögen, aber auch eine hohe Kommunikationskompetenz. Influencer erarbeiten sich ihre Stellung autonom, zum Beispiel auf der Basis von Wissen oder Erfahrung, oder gelangen aufgrund ihrer persönlichen Ausstrahlung und/oder ihres Talents in diese Position.

BotschafterInnen und Influencer unterscheiden sich durch Wirkungslogik

Wo liegen in dieser theoretischen Einordnung die wichtigsten Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen BotschafterInnen und Influencern? Beide Gruppen fungieren als Multiplikatoren, über die – gezielt oder ungewollt – spezifische Zielgruppen des Unternehmens erreicht werden können. Als Meinungsführer respektive Opinion Leader können sie beide die Einstellungs- und Verhaltensabsichten von Menschen in ihrem Umfeld beeinflussen. Das aus unserer Sicht wichtigste Unterscheidungsmerkmal ist die Logik, aufgrund derer diese Beeinflussungswirkung erst möglich wird. Die Überzeugungskraft von Mitarbeitenden in der Rolle als «Corporate Influencer» beruht auf ihrer Themenführerschaft im Social Web. In der Funktion als interne BotschafterInnen stützt sich ihr Einfluss hingegen auf ihren sozialen Status, den sie innerhalb des Unternehmens geniessen, zum Beispiel als sogenannte Change Agents in Veränderungsprozessen. Als externe BotschafterInnen wiederum werden sie unter Nutzung ihrer persönlichen Netzwerke zum Bindeglied zwischen Unternehmen und Umwelt, indem sie beispielsweise attraktive Unternehmensbilder auf Facebook posten oder im Bekanntenkreis über die Produkte ihres Unternehmens sprechen.

Mit diesen Wirkungslogiken verknüpft ist zugleich der von den beiden Opinion-Leader-Typen zu erreichende Personenkreis. Corporate Influencer erreichen über ihre spezifische, mit ihrer persönlichen Glaubwürdigkeit verknüpfte Themenkompetenz externe und interne Personengruppen, die genau an dieser Thematik interessiert sind. Interne BotschafterInnen hingegen entfalten primär bei den Mitarbeitenden Wirkung, während externe BotschafterInnen bei den Stakeholdern im Unternehmensumfeld Gehör finden.

Auch wenn der Begriff «Influencer» nicht zuletzt wegen einiger unglaubwürdiger «Stars» und dem einseitigen Schielen auf Reichweite bereits etwas in Verruf geraten ist, sollte klar zwischen der BotschafterInnen- und der Influencer-Rolle von Mitarbeitenden differenziert werden. Denn das Begleiten und Befähigen der Mitarbeitenden ist rollenspezifisch zu leisten.

Abbildung: Multiplikatoren im Positionierungsmanagement und Einordnung der Corporate Influencer

Auch bei externen Personen ist zwischen BotschafterInnen und Influencern zu unterscheiden

Wie bei den internen Meinungsführern lässt sich auch bei externen Personen aufgrund der Wirkungslogik zwischen MarkenbotschafterInnen und Influencern unterscheiden. Engagieren etwa die beiden Unternehmen Jura und Credit Suisse mit Roger Federer den gleichen Markenbotschafter, so setzen sie auf dessen Prominenz und erreichen weltweit eine sehr breite Bevölkerung. Die Wirkung von externen Personen als Influencer hingegen bezieht sich stets auf einzelne Themenbereiche. SAP setzt beispielsweise auf unabhängige Consultants und WissenschaftlerInnen, die über ihre Blogs und Posts Entscheidungsträger im IT-Bereich erreichen.

Ob BotschafterIn oder Influencer – Mitarbeitende müssen fit sein für die digitale Kommunikation

Schliesslich ist aus Sicht des strategischen Kommunikationsmanagements zu unterscheiden zwischen strategisch geplant eingesetzten internen und externen Opinion Leadern und Personen, die – unabhängig von der Kommunikationsstrategie – in für das Unternehmen strategisch zentralen Bereichen Einstellungs- und Verhaltensabsichten in ihrem Umfeld beeinflussen können. Mit Blick auf beide Gruppen tun Kommunikationsabteilungen auf jeden Fall gut daran, die Mitarbeitenden des ganzen Unternehmens fit zu machen für die digitale Kommunikation.


Literatur zum Thema

  • Annika Schach / Timo Lommatzsch: Influencer Relations – Marketing und PR mit digitalen Meinungsführern.
  • Kerstin Hoffmann: Lotsen in der Informationsflut. Erfolgreiche Kommunikationsstrategien mit starken Markenbotschaftern aus dem Unternehmen.

Neues Weiterbildungsangebot: CAS Digitale Transformation und Kommunikation

Influencer und deren strategische Einbindung werden auch im neuen CAS Digitale Transformation und Kommunikation thematisiert.

Kursbeginn ist am 31. August 2018. 
Weitere Informationen und Anmeldung


Mehr zur digitalen Transformation

  • Wenn Mitarbeitende zu Influencern werden
  • Was Kommunikation mit künstlicher Intelligenz zu tun hat
  • Ein Megatrend – und (noch) keiner macht mit
  • Offen, schnell und dialogisch

 

Wenn Mitarbeitende zu Influencern werden

Posted on 8. Mai 2018 by harz

SBB-Zugführer Markus L. staunte nicht schlecht, als sein Bettwaren-Fischer-Imitations-Video – adaptiert für die SBB – Mitte März zu einem viralen Hit wurde.

von Markus Niederhäuser, Leiter Weiterbildung und Prof. Dr. Nicole Rosenberger, Professorin für Organisationskommunikation und Management, beide am IAM

Eigentlich hatte er ja nur für die Generalversammlung des Verbands Schweizer Lokführer und -Anwärter (VSLF) ein lustiges Video drehen wollen. Da bei der GV der Beamer streikte und der Film nicht gezeigt werden konnte, lud er das Video kurzerhand auf die Facebook-Seite des Verbands, von wo aus die Geschichte ihren viralen Anfang nahm. Die SBB-Kommunikation war zuerst über das filmische Machwerk nicht sehr begeistert, es gab ein Hin und Her, Ansätze eines Shitstorms, bis sich SBB-Chef Andreas Meyer persönlich einschaltete und seinem Mitarbeiter über Twitter mitteilte: «Merci für das Video, lieber @LokfuhrerMarkus. etwas #sbb Humor und Selbstironie schadet nie. Du hast Talent!». Damit war Entwarnung gegeben; dem Mitarbeiter fiel ein riesengrosser Stein vom Herzen, wie er auf seinem Twitter-Kanal freimütig bekannte.

Der Mitarbeiter als Botschafter fürs Unternehmen: Im letzten November noch hatten die SBB ihre Mitarbeitenden ermuntert, über den Hashtag #SBBconnect als Markenbotschafter aktiv zu werden. Die Vernetzung mit den Kunden, so die Idee dahinter, funktioniert digital am besten.

Wie gehen wir damit um?
Wo immer man sich umhört: Das Thema «Mitarbeitende als Botschafter» oder neudeutsch als «Influencer» wird intensiv diskutiert und stellt viele Organisationen vor grosse Herausforderungen. Soll man die Mitarbeitenden ermutigen, auf Social Media über das eigene Unternehmen zu reden? Welches sind die Chancen, welche Risiken stellen sich? Und welche Kompetenzen brauchen die Mitarbeitenden, um überhaupt mit den neuen Medien professionell umgehen zu können?

Wir beschäftigen uns seit über einem Jahr im Rahmen eines grösseren Forschungsprojekts mit der Rolle der Kommunikation in der digitalen Transformation. Unter anderem haben wir in qualitativen und quantitativen Befragungen untersucht, ob und wie Unternehmen ihre Mitarbeitenden befähigen und ermuntern, als digitale Botschafter gegen innen und aussen zu wirken. Rund die Hälfte der befragten Schweizer Kommunikationschefs hat dabei angegeben, dass sie ihre Mitarbeitenden aktiv animieren würden, über die sozialen Medien als Botschafter zu wirken.

IAM live
Unser Branchenanlass «IAM live» nimmt sich am 6. Juni 2018 diesem Thema an. Unter dem Titel «Wenn Mitarbeitende zu Influencern werden – Chancen und Risiken für Unternehmenskommunikation und Journalismus» stellen wir zum einen Ergebnisse und Erkenntnisse aus unserer Forschung vor. Zum anderen wird das Thema in einem Podiumsgespräch mit Vertretern aus Wissenschaft und Praxis aus der Sicht der Unternehmenskommunikation sowie aus Sicht des Journalismus diskutiert. Als Gäste aus der Praxis sind auf dem Podium dabei: Sarah Stiefel, Leiterin Digitale Kommunikation der SBB AG, Sandro Brotz, Moderator Rundschau, SRF sowie Moritz Kaufmann, Wirtschaftsredaktor des Sonntagsblick.

IAM live, 6. Juni 2018, 18.30 Uhr, am IAM in Winterthur
«Wenn Mitarbeitende zu Influencern werden – Chancen und Risiken für Unternehmenskommunikation und Journalismus».

Zu Programm und Anmeldung

Das Gebäude des Instituts für Angewandte Medienwissenschaft aus der Froschperspektive mit blauem Himmel.

 

Ein Megatrend – und (noch) keiner macht mit

Posted on 9. Mai 2017 by harz
von Claudia Sedioli, Dozentin Berufspraxis und Marius Born, Dozent für visuelles Storytelling am IAM

Virtual Reality, Augmented Reality, 360°-Videos, interaktive Datenvisualisierungen – Technologie ist der grosse Treiber des visuellen Storytellings. Entsprechend grosses Potenzial wird den neuen Formaten attestiert. Renommierte internationale Medienhäuser produzieren immer wieder aufsehenerregende Multimediastories, die Preise einheimsen und das Publikum begeistern. Doch wie wenden schweizerische Redaktionen und Abteilungen der Unternehmenskommunikation die neuen Technologien an? Nur sehr zurückhaltend – so das Fazit der «IAM live»-Veranstaltung vom 3. Mai 2017 in Winterthur.

Exponentiell ist es, das Wachstum, das laut IAM-Dozent Marius Born für die Umsatzentwicklung von Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR) vorausgesagt wird. «Vielleicht sprechen wir bald von a-Commerce statt von e-Commerce», so Born. Im Fokus des diesjährigen IAM live stand das Visuelle Storytelling. Und dafür ist Technologie der grosse Treiber – in ihrem Inpulsreferat waren sich die beiden IAM-Dozenten Marius Born (für den Fachbereich Visuelle Kommunikation verantwortlich) und Prof. Dr. Wibke Weber, die Visuelles Storytelling, Bildsemiotik, Infografiken und Datenvisualisierungen lehrt, einig: Live- und 360°-Videos, VR, AR und Datenvisualisierungen, animiert, interaktiv und immersiv – so werden heute Geschichten erzählt.

Marius Born während seiner Präsentation am IAM live 2017 (Photo: Manuel Bauer)

Show, don’t tell
Ohne Bilder, genauer gesagt Bewegtbilder, geht nichts mehr. Oder wie Wibke Weber es ausdrückte: «Bilder bewegen Kommunikation, sie verändern und steuern Kommunikation». Doch erst mit der Digitalisierung, dem Internet, mit Mobilekommunikation und Social Media zeige sich, wie prägend Bilder in unserer täglichen Kommunikation sind.  Neben VR und AR sorgen 360°-Videos und Erklärvideos, Infografiken oder Datenvisualisierungen für Aufmerksamkeit der Benutzer – oder besser: für deren totales Erlebnis. Storyliving ist das neue Storytelling: immersiv, interaktiv und datenbasiert.
Im Zuge von Open und Big Data, so legte Wibke Weber dar, haben Datenvisualisierungen eine steile Karriere hingelegt. Sie zeigen Geschichten, die sich hinter den Datensätzen verbergen, oft bieten sie dem Betrachter einen persönlichen Zugang, der durch personalisierte Abfragen erzeugt werden kann. So etwa, ein Beispiel aus der Unternehmenskommunikation, im interaktiven Regierungsbericht «Gesund durchs Leben» der Deutschen Bundesregierung, der von der Zürcher Agentur Interactive Things produziert wurde. Im Bericht können User beispielsweise auf Daten zur Lebenserwartung in ihrer eigenen Wohngemeinde zugreifen. Auch im Journalismus liefern Datenvisualisierungen attraktive Formate, die die Benutzer zum Entdecken und Erforschen einladen: Die Darstellung «Bauland. So wird die Schweiz zersiedelt» von SRF Schweizer Radio und Fernsehen erlaubt es, die Zersiedelung der eigenen Wohngemeinde auf einer Zeitachse mitzuerleben.

«Story is King»
Aller Technologie-Euphorie zum Trotz: Ohne gute Story kein gutes Storytelling. Das betont auch IAM-Referent Marius Born: «Ohne spannende Schauplätze, die wechselnde Perspektiven bieten, ist beispielsweise 360° sinnlos. Story is King». Und Wibke Weber macht klar, dass narrative Immersion per se nichts Neues ist: «Es ist das Eintauchen in eine Geschichte – etwas das auch beim Lesen, Zuhören oder Zuschauen geschieht.»

«Bilder bewegen Kommunikation, sie verändern und steuern Kommunikation.» Wibke Weber am IAM live 2017  (Photo: Manuel Bauer)

Ein Megatrend – und (noch) keiner macht mit?
Die erweiterten technischen Möglichkeiten bieten also sowohl der Organisationskommunikation als auch dem Journalismus ungeahnte Chancen fürs Storytelling. Doch wie werden 360°, VR, AR und Datenvisualisierungen in der Praxis verwendet?  Die Fachleute auf dem Podium, deren Diskussionen von der IAM-Dozentin Claudia Sedioli moderiert wurden, dämpften die Euphorie gehörig: Sara Maria Manzo, seit einem Jahr Online-Videochefin bei der NZZ, verfolgt vorerst eine Strategie ohne VR und AR: «Wenn es um Erlebniswelten geht, ist das Experimentieren mit VR und AR spannend. Im Journalismus wollen Sie aber in die meisten aktuellen Themen nicht eintauchen: Ich zum Beispiel will nicht in den Krieg nach Syrien! Vor allem Bewegtbilder haben eine immense Macht, sie gehen direkt ins Herz, da haben wir eine Verantwortung gegenüber dem User, die wir wahrnehmen sollen.»

Die Aula war fast bis auf den letzten Platz besetzt. (Photo: Manuel Bauer)

Die Brille stört
Benjamin Wiederkehr von der Zürcher Agentur Interactive Things, die auf visuelles und datengetriebenes Storytelling spezialisiert ist, hält vor allem die VR-Brille für ein grosses Hindernis: «Unsere Inhalte werden im Internet, auf dem Smartphone konsumiert, also im Kontext, in dem sich der User befindet». Timo Wäschle outete sich ebenfalls als VR-Skeptiker und wies darauf hin, dass die Brille über den Gamingbereich hinaus wenig Akzeptanz finde – und es einigen User nach einer VR-Reise mit der Datenbrille schlicht und einfach übel werde. Grundsätzlich plädierte er dafür, nicht von der Technologie, sondern vom inhaltlichen Ziel her zu konzipieren: Wenn eine komplexe Geschichte erklärt werden solle, wähle man einen Animationsfilm, wenn es darum gehe, viele Emotionen zu vermitteln, einen Realfilm.

Chancen auf Empathie und Unterhaltungswert
Mit 360°-Videos und Virtual Reality arbeitet hingegen der Vertreter des Kinderdorfs Pestalozzi, Remo Schläpfer, der dort den Bereich Medien und Kampagnen leitet. Seine Videos zeigen in der Rundumperspektive die Schulzimmer, die Dörfer, den Alltag der Kinder, für die sein Hilfswerk sich engagiert: «Das ist eine Technologie, die es erlaubt wie keine andere, Gefühle und Empathie zu wecken.» Chancen sieht auch der SRF-Datenjournalist Timo Grossenbacher: «Bei uns geht es vor allem darum, komplexe Sachverhalte so zu inszenieren, dass sie nicht nur interessant sind, sondern auch Spass machen.» Deshalb biete SRF den Usern möglichst einen individuellen Nutzen:  «Der personalisierte Zugang zu den Daten wird immer wichtiger». Während personalisierten Datenvisualisierungen einhellig eine grosse Zukunft vorhergesagt wird, waren die Podiumsgäste grundsätzlich zurückhaltend, was VR und AR angeht: Timo Wäschle sieht in den Anwendungen der neuen Technologien nicht zuletzt viel Effekthascherei, die nur kurze Aufmerksamkeitsspannen generiert.

Claudia Sedioli hat die Podiumsdiskussion am IAM live 2017 moderiert. (Photo: Manuel Bauer)

Auch für kleines Geld?
Wie kosten- und ressourcenintensiv sind die neuen Formate? Was kann sich eine Kommunikationsabteilung eines KMU oder eine Regionalzeitung für vergleichsweise kleines Geld leisten? In die Karten – respektive Offerten – liessen sich die Podiumsgäste nicht wirklich blicken. Während der NGO-Kampagnenleiter Remo Schläpfer von einem Freundschaftspreis profitiert haben will und nicht mehr als für einen klassischen Film ausgegeben habe, verspricht Corpmedia-Inhaber Timo Wäschle Return on Investment. Benjamin Wiederkehr wies auf die Möglichkeiten hin, mit Open-Source-Inhalten zu arbeiten und so Kosten zu sparen.

Podiumsrunde (v.l.): Timo Grossenbacher, Sara Maria Manzo, Timo Wäschle, Claudia Sedioli, Benjamin Wiederkehr, Remo Schläpfer (Photo: Manuel Bauer)

Glaubt man den Experten auf dem IAM-live-Podium, bleibt das exponentielle Wachstum zumindest für VR und AR in der Organisationskommunikation und im Journalismus Zukunftsmusik. Raffinierte Datenvisualisierungen, Erklärvideos und gezielt eingesetzte 360°-Videos sind jedoch bereits heute mehr als eine Verheissung. Sie machen Storyliving möglich, wo vorher Storytelling angesagt war.


Mehr zum Thema

  • Virtual Reality – Teure Spielerei oder Storytelling mit Zukunft?
  • Vom Sichtbarmachen und Zeigen. Storytelling heute
  • Daten statt Worte – Journalismusausbildung im Zeitalter von Big Data
  • Rückschau aufs IAM live 2017

Virtual Communities are like Unicorns

Posted on 21. April 2017 by harz
von Dr. Aleksandra Gnach, Dozentin und Kommunikationsbeauftragte IAM

Vorbemerkung: Dieser Blogpost wurde auf Englisch verfasst und nicht übersetzt. Weil wir unseren LeserInnen genügend Sprachkompetenz zutrauen, weil Communities Sprachgrenzen überwinden –  und weil das IAM grenzübergreifend forscht und denkt.

Virtual Communities are like unicorns: too mystical to be real. Sometimes, if we get very lucky, we might find one. That doesn’t happen very often. If you meet one, be prepared for sparkle, fairy dust, and magic moments – or, in other words: true engagement, authenticity, and unexpected outcomes.

Organisations invest a lot brainpower and money into building and managing communities. Possible goals are: higher customer retention, increase in feedback and ideas from customers, or establishment of credibility. The underlying consideration is: If customers interact with one another and questions get answered by community members, organisations gain valuable information about customers’ preferences and opinions, and sometimes even product innovation. This can lead to cheaper costs in support but also to up-selling, or new contacts. Another goal is that community members freely talk about us as an organisation. If they are happy with what we do, they share their praise with the rest of the community and beyond. Which is great for our reputation!

There are some famous success stories proving all these expectations true, like the Lego Case Study, which by the way is also a perfect example of how visibility and engagement in organisational communication can impact public discourse – although not always in an intended way. But most organisations are still communicating with audiences on social media, which are far from being communities in the real meaning of the term.

Howard Rheingold, an influential writer and thinker on social media, differentiates between virtual communities and online social networks. He defines a virtual community as a “[…] network of interpersonal ties that provide sociability, support, information, a sense of belonging and social identity. […] The difference between an online social network and a community has to do with the quality, continuity, and degree of commitment in the relationship between members.”  Social identity and a sense of belonging don’t emerge out of the blue. What are the secrets behind Virtual Communities worthy of the name? Being an online ethnographer, I have been observing several virtual communities for a while, trying to figure out regularities while systemising the success criteria. My absolute favorite is the YOU-Community.

The goal of the YOU-Community is simple and quite ambitious: „Billions of healthy people“. The path leading there is paved with science-based micro actions for a sustainable behaviour change and for personal development. 100,000 people from all over the world use the YOU-App daily to improve their physical and mental wellbeing.  They accomplish small actions in areas like body, food, mind, or love, and share their progress with the community, by posting a picture and a short text. The YOU-App is not at all about winning over others; it’s all about supporting each other, through encouragement and reward of good choices – an approach which makes everybody win.

The YOU-Community is my favourite community for two reasons. As a user I really have the feeling of being part of something bigger; I even developed relationships with other users – something I have never experienced in an online environment before. As a researcher I see for the first time all the phenomena I was thinking and writing about, without being able to observe them in the field. It feels like meeting a unicorn for real. YOU-Community members are very active, they interact, share intimate details, build and maintain relationships – and even organise offline meetups all over the world. What the heck makes them do this? I had several hypotheses, which I was lucky enough to discuss with Nelli Lähteenmäki, Co-Founder and CEO of YOU. 

Aleksandra Gnach (links) und Nelli Lähteenmäki (rechts) am Coco Summit 2017 am IAM. (Foto IAM)

We met in Winterthur – yes, Nelli came from Helsinki to Winterthur, just to share her experiences and insights with the participants of the further education course CAS Community Communication who tackled Virtual Communities for a whole semester. This approachability and spontaneity of a very busy start-up CEO, the willingness to share knowledge for totally altruistic reasons, is very symbolic. The founders created YOU in order to make the world a better place. This is not a strategic mission statement; it’s something I believe after only five minutes of talking with Nelli. The spirit of the founders is the core of the YOU-Community. Hypothesis 1 proved: A functioning community builds on authenticity, on genuine goals and real needs.

The YOU-Team is not „managing“ a community; they are part of it. On the one hand, team members accomplish micro actions themselves; on the other hand, they make the ideas and problems behind the app development transparent – they share success, discuss problems and invite community members to express their opinions on the next steps in app-development. For example, when introducing paid content. For the first time in my life, I saw app users expressing their enthusiasm about finally being able to support app operators monetarily. Hypothesis 2 proved: Transparency and honesty lead to commitment.

The YOU-Community is very engaged and innovative. The relationships between members overcome geographical and technological boundaries – people send each other postcards, connect with email or whatsapp and even organise meetups. Which took the YOU-Team by surprise. Their reaction: Joy, publicly expressed on the YOU-App of course and immediately the question: How can we facilitate future meetups? What do you guys need? Hypothesis 3 proved: Unicorns have needs. If you let them free, they will express them, find ways to meet them, and at the same time show you how to develop yourself. 


Dieser Artikel ist auch auf Medium erschienen: Aleksandra Gnach auf Medium folgen

Virtual Reality – Teure Spielerei oder Storytelling mit Zukunft?

Posted on 22. März 2017 by harz
von Deborah Harzenmoser, Onlinekommunikation IAM und Studentin im Master Media Studies in New York

In der Kommunikations-Branche dreht sich momentan alles um einen grossen Trend: Visual Storytelling. Technisch geht es dabei nicht nur um das herkömmliche 2D-Video, das wir auf mobilen Endgeräten schnell und bequem herstellen und publizieren können. Spätestens seit HTC, Sony und Facebook letztes Jahr bekannt gaben, dass sie ihre eigenen Headset-Devices auf den Markt bringen wollen, sind auch Virtual Reality-Filme (VR) in aller Munde. Hier in New York, wo ich gerade einen Master in Media Studies absolviere, finden derzeit an jeder Ecke Symposien, Creative Labs und Panels statt, an denen sich ExpertInnen über Sinn, Chancen und Zukunftsfähigkeit dieser Bewegtbild-Formate austauschen. Einige davon habe ich besucht.


Virtuelle Realität, kurz VR, bezeichnet die Darstellung sowie die gleichzeitig stattfindende Wahrnehmung der Wirklichkeit in einer in Echtzeit computergenerierten, interaktiven virtuellen Umgebung.
(Quelle: Wirtschaftslexikon, onpulson)

Was ist an diesem Trend dran?
Einig sind sich alle in diesem Punkt: Das Feld ist jung, viel sagen kann man über die Zukunftsfähigkeit dieser Technologie noch nicht. Wer sich seit zwei Jahren mit Virtual Reality beschäftigt, gilt in der Szene bereits als Experte. Und: Es brauche mehr Kreativ-Köpfe, um die Formate voranzutreiben. Der Aufruf, Teil der Community zu werden und gemeinsam „auszuprobieren und die Formate weiterzuentwickeln“ wird zum Beispiel am Immersive Storytelling Symposium an der The New School mehrfach wiederholt. Nicht, dass ein falscher Eindruck entsteht: An Ideen und Visionen mangelt es nicht. Es hapert, wie so oft, an der Umsetzung. In diesem Fall an der Technik. Und zwar in zweierlei Hinsicht.

Einerseits ist der Aufwand für die Erstellung von VR-Filmen nach wie vor sehr hoch, die Produktion ist kompliziert und teuer. Andererseits, und das ist fast noch wichtiger, steckt die Technik auch auf Nutzerseite noch in den Kinderschuhen. Während herkömmliche Videos leicht zugänglich sind und auf Laptops und Smartphones jederzeit angeschaut werden können, braucht es für VR-Filme technische Hilfsmittel, wie sperrige Headsets oder gar Ganzkörperanzüge mit entsprechender Sensorik. Beides ist nicht einfach so mal zur Hand. Hindernisse also, die nicht zu unterschätzen sind, weder auf Produktions- noch auf Nutzerseite. Solange die Produktion von VR-Filmen so aufwändig und teuer bleibt, und der Konsum von VR-Filmen mit kostspieligen Investitionen in klobige technische Hilfsmittel einhergeht, wird sich der Trend kaum durchsetzen. Darin ist sich die Expertenrunde des Immsersive Storytelling-Symposiums trotz aller Euphorie einig. Erst wenn das Zusammenspiel von Produktion, Angebot und Rezeption ausbalanciert ist, hat Virtual Reality eine ernsthafte Chance auf dem Markt.

Fragen sich, was die Zukunft mit VR wohl bringen mag: Expertenrunde am Immersive Storytelling Symposium im Februar 2017 (Foto: Deborah Harzenmoser)

Zukunft ja, aber
Die Technik wird sich jedoch rasend schnell entwickeln. Bereits in fünf Jahren soll sie leichter zugänglich und einfacher zu bedienen sein. Was dann? Was kann VR für die Organisationskommunikation tun?

In einer kürzlich publizierten Studie von Forrester Research gaben nur 8% der US-amerikanischen Unternehmen an, VR im Marketing einsetzen zu wollen. Das liegt hauptsächlich an der ungenügenden Zugänglichkeit für Konsumenten. Die MarketingexpertInnen gehen nicht davon aus, dass sie ihre Zielgruppen mit VR wirklich erreichen: „A lot of brands have tried VR in the last year, and in many cases, it left marketers and consumers rather underwhelmed,“ lässt sich Samantha Merlivat, Analystin bei Forrester Research, zitieren. Das liege einerseits an der ungenügenden Zugänglichkeit von VR-Filmen, vor allem aber auch deren mässigen Qualität. Die oft verpixelten Filme erinnern zu sehr an Game-Welten aus den 90-ern und erlauben daher bei Weitem nicht das virtuelle Realitäts-Erlebnis, das es für einen Werbeeffekt bräuchte.

Momentan scheint sich eine Investition in VR-Produktionen also nur für Unternehmen zu lohnen, zu deren Zielgruppen „Early Adopters“ zählen, die  VR regelmässig konsumieren. Oder für Organisationen, deren Kommunikationsinhalte sich besonders für VR-Videos eignen, zum Beispiel in Bereichen wie Tourismus oder Extrem-Sport. Prädestiniert sind auch die Unterhaltungs- und die Automobilindustrie, oder der Immobilienmarkt. Wenn sie initiativ vorgehen, haben diese Branchen jetzt die Chance, Massstäbe für die VR-Zukunft zu setzen.

VR im Journalismus
Im News-Bereich hat Times Inc. mit Life VR ein Pilot-Projekt für den Einsatz von VR im Journalismus lanciert. Die Plattform zeigt interaktive VR-Filme verschiedener journalistischer Titel des eigenen Hauses – unter anderem TIME, Sports Illustrated und InStyle. Um das virtuelle Erlebnis aufs Smartphone zu holen, braucht es jedoch die entsprechende App, ein Headset, sowie genügend Speichervolumen auf dem eigenen Gerät. Wenn das alles vorhanden ist, kann man zum Beispiel UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon auf seiner Reise durch über zehn Länder begleiten, die er im Rahmen einer Aufklärungskampagne für Schutz vor Naturkatastrophen und Waffengewalt besucht hat.

Weitere VR-Praxis-Beispiele gibt es in meinem Blog New York Insights by Debbie 


IAM live «Visual Storytelling» am 3. Mai 2017

Das Storytelling von heute ist technologiegetrieben und datenbasiert. Aus Daten werden Informationen, aus Informationen Geschichten, die immer öfter visuell erzählt werden: in Bewegtbildern, Virtual-Reality-Videos oder Infografiken. Die digitalen Formate der Bildkommunikation definieren Geschichtenerzählen neu. Das eröffnet Chancen für die Kommunikation und stellt zugleich Medienunternehmen und Organisationen vor Herausforderungen.

Am diesjährigen IAM live diskutieren wir Trends, Herausforderungen und Chancen des visuellen Storytellings. Infos und Anmeldung


Mehr Beiträge zum Thema Storytelling

  • Vom Sichtbarmachen und Zeigen. Storytelling heute.
  • Storytelling – der Schlüssel zu mehr Vertrauen in Versicherungen?
  • Wie Neues entsteht – über Entrepreneurial Storytelling
  • Aus guten Grund: Public Storytelling und Argumentation
  • Daten statt Worte – Journalismusausbildung im Zeitalter von Big Data

 

 

Vom Sichtbarmachen und Zeigen. Storytelling heute

Posted on 24. Januar 2017 by harz
von Prof. Dr. Wibke Weber, Dozentin und Verantwortliche für den Lernbereich Fachwissen am IAM

Data Stories, Storymaps, 360°-Videos, Virtual Reality (VR) – Begriffe, die das Storytelling in den Berufsfeldern Journalismus und Organisationskommunikation neu definieren. Früher genügte ein Text, dem man zur Illustration ein Foto beifügte. Heute begegnet Storytelling zunehmend visuell, datenbasiert, interaktiv: als Bewegtbild, Animation, VR-Video, Datenvisualisierung. Während sich das Erzählen mit VR und 360° noch in der Experimentierphase befindet und Erzähltechniken und –dramaturgien dafür noch entwickelt werden müssen, ist man beim Format der Datenvisualisierung schon weiter. Befeuert durch Big und Open Data sind Datenvisualisierungen dabei, sich im Journalismus als visuelles Erzählformat zu etablieren.

Show, don’t tell
Dabei sind Datenvisualisierungen keineswegs neu. Die vermutlich älteste Datenvisualisierung stammt aus der Jungsteinzeit. Seit jeher wurden Daten und Informationen gestaltet und in Form gebracht, um etwas zu zeigen, was so nicht sichtbar ist, nämlich Daten, Strukturen, Proportionen, Relationen – ganz im Sinne eines Show, don’t tell.

Genau das machte John Snow 1854, als im Londoner Stadtteil Soho die Cholera ausbrach. Der Arzt sammelte alle Daten zum Cholera-Ausbruch. Er vertrat nämlich die Theorie, dass nicht üble Ausdünstungen aus Abwasserkanälen die Cholera-Epidemie verursachten, sondern verunreinigtes Trinkwasser. Um das zu zeigen, zeichnete er in den Londoner Stadtplan alle Todesfälle ein: jeder Cholera-Tote ein Balken. Schnell wurde sichtbar, dass sich die Todesfälle um die Wasserpumpe in der Broad Street häuften. Seine Karte zeigte aber auch Ausnahmen, sog. statistische Ausreißer. Nicht alle Anwohner in der Nähe der Pumpe erkrankten offensichtlich an Cholera; andere dagegen schon, obwohl sie weiter weg wohnten. Seine Recherchen ergaben, dass manche eigene Wasserpumpen besaßen und daher nicht die Broad Street-Pumpe benutzen. Es gab aber auch Leute, die aus anderen Stadtteilen extra in die Broad Street kamen, um genau dort ihr Wasser zu holen, weil es als das beste in Soho galt.

Snows Karte, die das Verbreitungsmuster der Seuche visualisierte, überzeugte letztendlich die Behörden davon, dass verunreinigtes Wasser und nicht Luft der Infektionsherd für die Cholera war. Die Karte war ein visuelles Argument gegen die damals gängigen kulturellen und wissenschaftlichen Vorstellungen von Krankheitsursachen, und es gelang Snow, die Politiker zum Handeln zu bewegen, nämlich zur Sanierung der Abwassersysteme.

John Snows Cholera-Karte von 1854.
(Quelle:  https://de.wikipedia.org/wiki/John_Snow_(Arzt)#/media/File:Snow-cholera-map.jpg)

Praxis im Umbruch
Nichts anderes machen heute die Storytelling-Teams von New York Times, Washington Post, Die Zeit, Spiegel online, NZZ, SRF oder Tagesanzeiger: Sie recherchieren, sammeln Daten, ordnen, filtern, kombinieren, suchen nach Mustern in den Daten, visualisieren. Was sich geändert hat: Storytelling ist heute dynamischer, interaktiv, explorierbar – getrieben durch eine sich ständig verändernde Medientechnologie. Das hat Auswirkungen auf die Tools und Softwareprogramme in Redaktionen (etwa R, CartoDB, Infogr.am oder selbst entwickelte Tools und Templates), die Zusammensetzung der journalistischen Teams und die erforderlichen Skills. Storytelling-Teams bestehen heute aus Codern, Designern, Bild- und Textredaktoren, die neben recherchieren und schreiben auch scrapen, coden und visualisieren. Immer neue Formen entstehen wie etwa Storymaps und interaktive Datenquiz.

Doch was kommt gut an beim Publikum? Was wird angeschaut, was weggeklickt? Wie sieht es mit der „visual literacy“ aus – der Fähigkeit der User, Visualisierungen zu lesen und zu verstehen? Wie viel Interaktivität oder Virtual Reality braucht es, um die Botschaft effektiv und effizient zu vermitteln? Wie müssen Visualisierungen gestaltet sein, damit sie den öffentlichen Diskurs bewegen, vielleicht ein Umdenken bewirken und am Ende zu demokratischem Handeln befähigen?

Forschung im Aufbruch
Antwort geben auf diese Fragen will das interdisziplinäre Forschungsprojekt Innovative Data Visualization and Visual-Numeric Literacy (INDVIL, www.indvil.org), das vom Norwegian Research Council gefördert wird. In diesem Projekt arbeiten Hochschulen aus Norwegen, England und der Schweiz zusammen. Untersucht werden Datenvisualisierungen aus verschiedenen Perspektiven etwa als digitale Metapher, als semiotische und ästhetische Ressource, und in verschiedenen Kontexten (Journalismus, Schulunterricht, Universal Design). Wibke Weber, Dozentin an der Professorenstelle Medienlinguistik des IAM, ist Projektpartnerin in diesem Projekt und erforscht dort Datenvisualisierungen im europäischen Nachrichtendiskurs. Das Projekt startete 2016 und läuft noch bis 2019.

Podiumsdiskussion – IAM live
Visuelles Storytelling ist auch das Thema beim nächsten IAM live am 3. Mai 2017. Diskutiert werden an Fallbeispielen aus Journalismus und Organisationskommunikation Trends, Herausforderungen und Chancen des visuellen Storytellings.


*Titelbild: Big_Data_Prob von KamiPhuc, Flickr

Corporate Newsroom: Unternehmen orientieren sich am Journalismus. Und der Journalismus?

Posted on 31. Mai 2016 by harz

Der Corporate Newsroom bringt Organisationsprinzipien und Produktionsabläufe aus dem Journalismus in die Organisationskommunikation. Damit geht er auf die veränderte öffentliche Kommunikation ein, in der unzählige Akteure permanent um die Aufmerksamkeit des Publikums buhlen. Mit der Umstellung auf einen Corporate Newsroom entstehen für eine Organisation neue Herausforderungen. Aber auch die Medien müssen sich überlegen, was die Veränderung auf Unternehmens- und Verwaltungsseite für sie bedeutet.

von Dr. Gudio Keel, Geschäftsführer und Dozent, IAM

Vor einigen Jahren begannen Redaktionen, sich konvergent in Newsrooms zu organisieren. Wer in einer Nachrichtenagentur, bei einer Tageszeitung oder bei Radio und Fernsehen arbeitet, kennt das: Kanalübergreifende Besprechung der Tagesthemen. Aufgabenverteilung. Diskussion längerfristiger Issues und Eventualitäten, auf die schnell reagiert werden muss. Mit relevanten Geschichten soll das Publikum aktuell, schnell und medienübergreifend informiert und unterhalten werden.

Die moderne Organisation sendet auf eigenen Kanälen und hört zu
Die veränderte Informationslandschaft hat zur Folge, dass auch in der Organisationskommunikation vermehrt nach diesem Prinzip organisiert und umgesetzt wird. Neben den bisherigen Kanälen planen Unternehmen und andere Organisationen heute, wie eigene Online-Kanäle, soziale Plattformen und andere Kanäle zu nutzen sind, um direkt mit Stakeholdern und der Öffentlichkeit in Kontakt zu treten. Die journalistischen Medien als Gatekeeper der öffentlichen Kommunikation sind dabei nur noch ein Kanal neben vielen anderen, der in die Kommunikationsplanung einbezogen wird. YouTube, Facebook, Blogs, Twitter und Snapchat können mit eigenen Inhalten bespielt werden. Durch Vernetzung mit Meinungsführern erreicht man Reichweite, man ist auf dem Laufenden darüber, wer welche Themen diskutiert, wer welche Standpunkte vertritt und welche Fragen relevant sind, auch wenn sie von den Medien (noch) nicht aufgegriffen wurden. Kommunizieren in diesem Umfeld heisst senden, vernetzen, zuhören, mitreden – und die organisationale Voraussetzung dafür schafft der Corporate Newsroom.

Corporate NewsroomDer Blick in den AXA-Newsroom
Ein Corporate Newsroom bedeutet eine einschneidende Reorganisation. Diese Erfahrung machte die AXA Winterthur bei der Einführung ihres Newsrooms. Die üblichen Funktionen der kanal- und zielgruppenspezifischen Akteure wie Pressesprecherin, Magazin- oder Onlineredakteur wurden bei der AXA genauso abgeschafft wie die Trennung zwischen interner und externer Kommunikation. Die Kommunikationsmitarbeitenden sind jetzt Themen- und Channel-Manager. Während die Themen-Manager Inhalte entdecken, entwickeln und an öffentliche Diskurse anschliessen, sorgen die Channel-Manager für den richtigen Themenmix auf den jeweiligen Kanälen. Damit ist der Newsroom eine logische Folge der integrierten Kommunikation im Zeitalter der Digitalisierung: eine Entwicklung von der Abstimmung innerhalb der Kommunikationsabteilung, bei der bisherige kanalorientierte Strukturen aufgelöst werden. Durch die Bündelung der Aktivitäten und Themen ist es der AXA gelungen, die interne und externe Kommunikation zu intensivieren, die öffentliche Präsenz zu steigern und sich thematisch klarer zu positionieren.

Auf die klassischen Medien kommt ein Umdenken zu
Der Corporate Newsroom in der Organisationskommunikation hat aber auch Konsequenzen für die Arbeit in den Medienredaktionen. Die Journalistinnen und Journalisten in den Redaktionen von Presse, Radio, Fernsehen und Online müssen sich neu grundsätzliche Fragen stellen: Wie soll man als Journalist seine Rolle als meinungsbildende Informationsquelle interpretieren, wenn Unternehmen wie die AXA selbst Kommunikationskanäle nach journalistischen Vorbildern selbst betreiben? Welche Rolle übernimmt der Journalist noch, wenn Spezialisten in Unternehmen Themen entwickeln, die über die eigene Organisation hinaus relevant sind?  Worin liegt in Zeiten von thematisch und handwerklich professionell gestalteten Berichten noch der Mehrwert einer Zeitung oder einer Informationssendung?

Es ist zu erwarten, dass sich die Medienschaffenden vermehrt jenen Storys zuwenden werden, die kontrovers sind, und die klar im Widerspruch zu den Interessen der Organisationen liegen, im Versuch, sich gegen die Vereinnahmung durch die journalistisch organisierten und zumindest scheinbar auch so handelnden PR-Stellen zu wehren. Und ganz einfach, um in Zeiten der organisatorischen und praktischen Annäherung der PR an den Journalismus das Gefühl der journalistischen Unabhängigkeit zu wahren.


IAM live 2016: Corporate Newsroom – Paradigmenwechsel oder Hype?

Dieser Frage widmeten sich Experten am jährlichen Branchenanlass IAM live. In seinem Impulsreferat stellte Dr. Guido Keel vier Thesen auf. Dazu zog er auch aktuelle Ergebnisse einer Umfrage bei, deren Resultate im Juni im IAM Blog publiziert werden. Eine seiner Erkenntnisse:

„Der Newsroom löst Probleme, die sich durch eine veränderte öffentliche Kommunikation ergeben haben, er schafft aber auch neue.“

In der Case Study haben Lorenz Heinzer und Thomas Hügli von der AXA Winterthur über Stolpersteine und Learnings aus der Aufbauphase ihres Corporate Newsrooms berichtet. Beide betonten, dass der Change Prozess nicht unterschätzt werden dürfe. Nichts desto trotz sei der Newsroom das Symbol für moderne, transparente Kommunikation.
In der von Markus Niederhäuser geleiteten Podiumsdiskussion wurde anschliessend unter Berücksichtigung der Erfahrungen aus journalistischen Newsrooms, vertreten durch Martina Fehr (Chefredaktorin Südostschweiz) und der Erfahrung von Christoph Sieder (Head of Corporate Communications, ABB-Konzern), der den Newsroom wieder abgeschafft hat, die Frage des Abends erläutert.

  • Die Präsentationen des IAM live 2016
  • Rückschau: Das IAM live 2015 „Informal Leadership“





Von Pionieren, Skeptikern und Ahnungslosen

Posted on 27. April 2016 by harz
von Markus Niederhäuser, Leiter Weiterbildung am IAM und Moderator des IAM live zum Thema Corporate Newsroom am 25. Mai

„Wir denken gerade darüber nach.“ Das Thema Corporate Newsroom ist bei vielen Kommunikationschefs in der Schweiz angekommen. Mit dem aus dem Journalismus stammenden Newsroom-Ansatz versuchen Unternehmen, integrierte Kommunikation über eine konsequente Themensteuerung zu erreichen. Dabei wird nicht mehr primär in Zielgruppen gedacht, sondern in Themen und zu bespielenden Kanälen.

In Vorbereitung auf den IAM-live-Anlass vom 25. Mai zu diesem Thema habe ich verschiedene Gespräche mit Kommunikationsverantwortlichen von Unternehmen, aber auch von Verwaltungen geführt. In den Reaktionen auf das Thema werden vier unterschiedliche Typen sichtbar: die Ahnungslosen, die Interessierten, die Pioniere und die Skeptiker.

„Corporate Newsroom: Was ist denn das?“ Die Reaktion der Ahnungslosen ist zwar eher erstaunlich, zeigt aber auch, dass man auch im Jahr 2016 die Unternehmenskommunikation innerhalb traditioneller Strukturen und Ansätze durchaus erfolgreich betreiben kann. Gerade in den Kommunikationsabteilungen von Verwaltungen, die oft in dezentralen Strukturen arbeiten, stehen andere Herausforderungen im Vordergrund. Am Grössten ist aber wohl die Gruppe der Interessierten: Sie informieren sich über das Konzept des Corporate Newsrooms, pilgern zu den wenigen Kommunikationsabteilungen, die bereits in der Newsroom-Struktur arbeiten und klären für das eigene Unternehmen ab, ob ein Wechsel sinnvoll und machbar wäre. Im Zentrum steht die (kleine) Gruppe der Pioniere: sie haben die Organisation bereits auf das Newsroom-Konzept umgestellt – oder sind gerade daran – und geniessen den Nimbus der Angesagten. Stolz präsentieren sie den interessierten Kolleginnen und Kollegen ihren Ansatz.

Markus Niederhäuser

Markus Niederhäuser

Auftretende Schwierigkeiten werden eher kleingeredet, es gibt kein Zurück. Schliesslich wäre da noch die Gruppe der Skeptiker zu nennen. Sie sind zwar gut informiert über das Corporate-Newsroom-Konzept, sehen darin aber nicht wirklich einen Fortschritt. Das Konzept löse einzelne Probleme, schaffe aber dafür neue, sind sie überzeugt. Sie warten mal ab, welche Erfahrungen die Pioniere machen, und behalten sich den Systemwechsel für später vor – wenn, dann inklusive den Erfahrungen der anderen.

Welche Erfahrungen einer der Pioniere in der Schweiz – nämlich die Unternehmenskommunikation der AXA Winterthur – nach einem halben Jahr Corporate Newsroom gemacht hat, wird anlässlich des IAM live vom 25. Mai von den Verantwortlichen präsentiert und in einer Podiumsrunde vertieft. Eingeladen an den Anlass sind alle: die übrigen Pioniere, natürlich alle Interessierten, unbedingt die Ahnungslosen, und ja, auch die Skeptiker.

Hier geht’s zur Anmeldung.

Mehr zum Thema
Arbeiten im Newsroom
Die nächste Gretchenfrage in der Unternehmenskommunikation, erschienen im persönlich 04 April 2016

Managen, Führen, Beraten – und Feiern

Posted on 7. Juli 2014 by harz

10 Jahre MAS in Communication Management and Leadership – das haben wir am diesjährigen IAM live 2014 mit dem Motto „Die Zukunft der Kommunikationsleitung“ gefeiert.

Bei herrlichem Sommerwetter konnten sich die über 200 Gäste aus der Schweizer Kommunikationsbranche, darunter viele Absolventinnen und Absolventen des MAS-Programms, bei kulinarischen Köstlichkeiten und Attraktionen vergnügen und austauschen. Für die musikalischen Rahmen sorgten die Band Baba Shrimps und DJ Madame Léa.









Die Präsentationen des IAM live 2014 können hier nachgelesen und heruntergeladen werden. Und wer sich für unsere Weiterbildungsangebote, inklusive dem neuen CAS Community Communication interessiert, kann sich in unserer neuen Onlinebroschüre informieren.


Mehr zu diesem Thema:
Ahoi!  MAS auf Kurs

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