von Prof. Dr. Peter Stücheli-Herlach, Professor für Organisationskommunikation und Öffentlichkeit am IAM
Die Wissenschaft in ihrem Verhältnis zur Praxis: Das war zwar nicht das erklärte Hauptthema der Tagung von Anfang November zum 25-jährigen Jubiläum der Fachgruppe PR/Organisationskommunikation der Deutschen Gesellschaft für Publizistik und Kommunikationswissenschaft (DGPuK) in Hannover. Der Titel lautete vielmehr “Zwischen Herkunft und Zukunft”. Doch das Thema gab Anlass für verschiedene Reflexionen und Diskussionen über das Verhältnis von PR-Theorie und PR-Praxis. Ich selber war mit einem Referat über “Die Zukunft der PR nach dem ‘practice turn'” (s. Programm) nach Hannover gefahren – und es zeigte sich, dass ich damit gut an einen Diskussionsstrang anknüpfen konnte, der die ganze Tagung durchzog.
So zeigte der ehemalige IAM-Professor (2004-2009) und Mitgründer der Fachgruppe, Peter Szyszka, wie Erforschung und Professionalisierung der PR in der Nachkriegszeit massgeblich durch Carl Hundhausen, den Öffentlichkeitsarbeiter des Krupp-Konzerns, vorangetrieben wurden. Olaf Hoffjann von der Ostfalia Hochschule wies scharfsinnig darauf hin, dass es eine grosse Herausforderung sei, den Praxisbezug der PR-Wissenschaft weiter zu entwickeln: Sowohl die Distanz als auch die Nähe zur Praxis bergen je besondere Risiken für die wissenschaftliche Forschung, was beispielsweise die Qualität, die Reputation oder auch die Vernetzung anbelangt. Der inzwischen auch in Salzburg tätige Schweizer Kollege Mark Eisenegger präsentierte zusammen mit Peter Winkler, Swaran Sandhu und Kerstin Thummes interessante Überlegungen zu “blinden Flecken” eines Vierteljahrhunderts der PR-Forschung. Dazu zählt er die öffentliche, gesellschaftliche Kommunikation “über” Organisationen (neben der Kommunikation “von” und “in” ihnen). Durch die Moralisierung der Social Media, aber auch durch Schlüsselereignisse wie die Finanz- und Migrationskrise hätten sich die Voraussetzungen für professionelle Öffentlichkeitsarbeit in den letzten Jahren gravierend verändert.
Ich selber argumentierte in meinem Referat, dass der notwendige Praxisbezug von PR-Forschung nicht durch Anbiederung an die Praxis, sondern durch eine reflektierte Theorie gerahmt werden müsse – genau das nämlich ist mit dem “practice turn” gemeint. Wir sollten also nicht nur über die professionelle Praxis reden, sondern scharf und kritisch über sie nachdenken. Die Fallstudie zum Message Design der EU-Botschaften in der Schweiz, die ich im Referat in ersten Auszügen präsentierte, ist eine Studie nicht nur über die Praxis. Wir forschen auch direkt mit einem Praktiker zusammen, nämlich mit Stephan Libiszewski, dem Politischen Berater der offiziellen EU-Delegation in Bern. Das ist nicht gerade ein methodologischer Mainstream … Aber etliche Kolleginnen und Kollegen zeigten sich sehr interessiert, besonders auch an unserem Fokus auf die sprachliche Praxis des PR-Berufs. Hierzu haben wir gerade kürzlich selber eine Tagung ausgeschrieben, für die wir auf zahlreiche interessante Eingaben hoffen.
Interessant war die Sofarunde in Hannover zusammen mit den Gründern der DGPuK-Fachgruppe. Dort sassen neben Peter Szyszka auch Michael Kunczik (“Geschichte der Öffentlichkeitsarbeit in Deutschland”), Barbara Baerns (“Öffentlichkeitsarbeit oder Journalismus?”) und Günter Bentele (Mitherausgeber des “Handbuchs der PR”). Alle gaben sie Einblick in ihren Werdegang, der bei allen ebenfalls durch praktische Tätigkeiten der Öffentlichkeitsarbeit geprägt war. Für mich eindrücklich war, wie Barbara Baerns schilderte, wie es zu den legendären Studien über die Wirkungen von PR auf den Journalismus kam: Sie habe einfach das beforscht, was sie aus ihrer Kommunikationspraxis an Fragen mitgenommen habe. Sich für die Praxis zu engagieren, ist offenbar kein schlechter Anfang von PR-Forschung. Aber auch kein leichter – vielmehr der Beginn eines anspruchsvollen, aber lohnenden Wegs.
Bildlegende: Sofarunde zur Erinnerung an die Gründung der Fachgruppe PR/OK vor 25 Jahren: Günter Bentele, Peter Szyszka, Michael Kunczik und Barbara Baerns (von links).
Danke, lieber Peter, für deinen Auftritt IN und den Bericht VON Hannover.
ÜBER das Verhältnis zwischen PR-Praxis und -Theorie würde ich gerne auch in hierzulande erscheinenden Fachmedien lesen. Dazu hätten wir IAM-seitig doch einiges beizutragen – gerade was die sprachliche Manifestation von PR-Strategien und -Massnahmen anbelangt.
Ein Thema für den nächsten institutsinternen OK-Austausch…?
lieber Kaspar, danke für Deinen Kommentar. Ja aber klar, das kann man ja kaum genug besprechen ..! stü.
“Fachmedien hierzulande”: Ich auch, lieber Herr Silberschmidt. Aber welche denn, wenn Sie, wie ich annehme, die 4 bis 5 Titel der PR- und Kommunikationsfachpresse meinen, die wir hierzulande haben? Da wird primär über Instrumentelles und einzelne Kampagnen informiert, aber kaum je über grundsätzliche Fragen der PR (Praxis und Theorie) diskutiert.
Da spielt wohl auch die in der Schweiz eindeutig überfragmentierte Kommunikationsberatungsbranche mit – und der vorab bei jungen Agenturen zuweilen überbordende Drang zur Selbstdarstellung. Zudem gilt für Fachmedien erst recht: Vielfalt ist der Qualität nur begrenzt zuträglich.