Communities werden für Unternehmen weltweit immer wichtiger. Doch wie schaffe ich es, eine Community aufzubauen, welche der Firma auch den erhofften Nutzen bringt? Der letzte Event von Columni, der Ehemaligenorganisation des IAM, gab Antworten.
von Andreas Engel, Redaktor Alumni ZHAW
Das Internet als Informations- und Dialogquelle ist aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Ob Google als Suchmaschine, YouTube als Unterhaltungsmedium oder Facebook zum Austausch mit Freunden und Bekanntschaften – die Online-Welt auf Smartphone, Tablet oder Notebook ist allgegenwärtig. Alleine 86 Prozent der Schweizer verkehren auf der Social Media Plattform Facebook, zwei Drittel davon agieren wöchentlich.
Zwei Arten von Social Media
Einer, der sich insbesondere im Bereich Community-Plattformen bestens auskennt, ist Dominik Wurzer. Seit rund drei Jahren arbeitet der gebürtige Österreicher bei Lithium, einem Social Software Anbieter, der unter anderem für Kunden wie Helsana, Migros oder Swisscom unternehmenseigene Community-Plattformen betreibt. Am Columni-Event “Community: bilden, steuern, moderieren” gewährt Wurzer exklusive Einblicke in seine Arbeit und erklärt den Teilnehmern die Besonderheiten von Communities.
“Grundsätzlich unterscheidet man bei Social Media zwischen sozialen Netzwerken wie Facebook und Online-Communities. Seit Anfang der 2000er Jahre werden soziale Netzwerke immer populärer, davon wollen natürlich auch Unternehmen profitieren”, sagt Wurzer. Dass sich News im Web so schnell verbreiten, ist dem sogenannten “Kleine-Welt-Phänomen” geschuldet. Im echten Leben kennt jeder jeden im sechsten Grad. Oder anders gesagt: über sechs Ecken. Bei Facebook sinkt die Zahl auf 4,74, bei Twitter gar auf 3,43. Mit der schnellen Verbreitung erhöht sich auch die Reichweite der News. Das wiederum hat eine sinkende Relevanz zur Folge.
Ein Unternehmen will beides: Reichweite und Relevanz
Dominik Wurzer erklärt dies am Beispiel der Migros. “Auf Facebook hat Migros 230 000 Likes. Wenn etwas postet wird, werden aber nur 5980 Personen oder 2,6 Prozent dieser Leute erreicht.” Deshalb nutzt Migros für tieferen Inhalt die unternehmenseigene Community-Plattform. “Migipedia zählt zwar “nur” 75 000 Mitglieder, der Inhalt erreicht dennoch rund dreimal mehr Leute als die Facebook-Posts.”
Dass Community-Plattformen für Unternehmen immer wichtiger werden, liegt auch am veränderten Entscheidungsverhalten der Kunden. Heute wollen wir schon vor dem Kauf eines Produktes wissen, welche Erfahrungen andere Kunden gemacht haben und ob sie das Produkt weiterempfehlen können. “Während sich die Wenigsten blind auf die Werbung verlassen, ist das Vertrauen in die Erfahrungen anderer Kunden deutlich höher. Deshalb kann man Vertrauen auch als eine Art neue Währung im Online-Bereich bezeichnen.” Und dieses Vertrauen soll auf Community-Plattformen zementiert werden. Mitglieder können Produkte mitentwickeln, sie bewerten und anderen Usern Fragen zu den Produkten beantworten. Aus einer One-Way- ist eine Two-Way-Kommunikation geworden.
“Die Community ist wie ein Café”
Doch wie schaffe ich es als Unternehmen, eine Community erfolgreich aufzubauen? “Es ist wie bei einem Café”, erklärt Wurzer. “Wir gehen dorthin, wo viele Leute sind.” Dazu lädt man zuerst diejenigen ein, die man kennt und die sich möglichst positiv über das Unternehmen äussern. Über Werbung wie beispielsweise spezielle Events sollen danach weitere Mitglieder gefunden werden und die Community wächst.
Ein authentischer Austausch der Mitglieder ist wichtig. Doch was tun, wenn Leute schlecht über das Unternehmen oder dessen Produkte diskutieren? “Faire und transparente Regeln sind in jeder Community wichtig. Dass sie eingehalten werden, dafür sorgt ein Moderator, der zwar nicht aktiv mitdiskutiert, aber im Notfall Verwarnungen aussprechen oder Kommentare entfernen kann.” Wichtig sei, dass Moderatoren oder auch Mitarbeiter stets als solche deklariert sind.
Schlüssel zum Erfolg: Die Superuser
Eine Besonderheit an Communities ist die 90-9-1-Regel. Diese besagt, dass 90 Prozent der Mitglieder die Diskussionen lediglich beobachten. 9 Prozent verteilen Likes und nur 1 Prozent der User kreieren die Inhalte – die sogenannten Superuser. So werden auf der Plattform der Swisscom zwar täglich tausende Posts geteilt, 40 Prozent davon aber von lediglich 25 Personen! Umso wichtiger ist deshalb die gezielte Förderung dieser Superuser, sagt Dominik Wurzer. “Man muss als Unternehmen versuchen, den Rahmen, in welchem eine Diskussion geführt werden soll, vorab festzulegen. Dabei hilft es, für qualitative Inhalte Punkte an die Nutzer zu vergeben und ihr Verhalten mit speziellen Aktionen zu belohnen und somit zu beeinflussen.” Denn auch in einer Community gilt: Vertrauen ist gut, Kontrolle, wenn auch nur zu einem gewissen Teil, ist besser.
Das IAM bietet seit 2015 einen neuen Zertifikatslehrgang an, den CAS Community Communication. Der Lehrgang richtet sich primär an Kommunikationsverantwortliche von Organisationen, die sich jenseits von Massenmedien und scheinbar kontrollierbaren Kommunikationsprozessen zunehmend mit "geschwätzigen" Gemeinschaften konfrontiert sehen. Gerade dort wo sich Organisationen entweder selbst als Kommunikationsgemeinschaften verstehen oder aber deren Fans, KundInnen, BürgerInnen, Gläubige, Mitarbeitende oder Mitglieder als Community kommunikativ steuern wollen, sollen soziale Netzwerke gestaltet und strategisch in die Gesamtkommunikation eingebunden werden – sowohl online wie auch offline. Der nächste Lehrgang startet im Januar 2016. |
---|
Weiterführende Links: Von der Sehnsucht nach Gemeinschaft |