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Wissen, was Kommunikation bewegt

Ein Blog der ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften

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Browsing März, 2017

Virtual Reality – Teure Spielerei oder Storytelling mit Zukunft?

Posted on 22. März 2017 by harz
von Deborah Harzenmoser, Onlinekommunikation IAM und Studentin im Master Media Studies in New York

In der Kommunikations-Branche dreht sich momentan alles um einen grossen Trend: Visual Storytelling. Technisch geht es dabei nicht nur um das herkömmliche 2D-Video, das wir auf mobilen Endgeräten schnell und bequem herstellen und publizieren können. Spätestens seit HTC, Sony und Facebook letztes Jahr bekannt gaben, dass sie ihre eigenen Headset-Devices auf den Markt bringen wollen, sind auch Virtual Reality-Filme (VR) in aller Munde. Hier in New York, wo ich gerade einen Master in Media Studies absolviere, finden derzeit an jeder Ecke Symposien, Creative Labs und Panels statt, an denen sich ExpertInnen über Sinn, Chancen und Zukunftsfähigkeit dieser Bewegtbild-Formate austauschen. Einige davon habe ich besucht.


Virtuelle Realität, kurz VR, bezeichnet die Darstellung sowie die gleichzeitig stattfindende Wahrnehmung der Wirklichkeit in einer in Echtzeit computergenerierten, interaktiven virtuellen Umgebung.
(Quelle: Wirtschaftslexikon, onpulson)

Was ist an diesem Trend dran?
Einig sind sich alle in diesem Punkt: Das Feld ist jung, viel sagen kann man über die Zukunftsfähigkeit dieser Technologie noch nicht. Wer sich seit zwei Jahren mit Virtual Reality beschäftigt, gilt in der Szene bereits als Experte. Und: Es brauche mehr Kreativ-Köpfe, um die Formate voranzutreiben. Der Aufruf, Teil der Community zu werden und gemeinsam „auszuprobieren und die Formate weiterzuentwickeln“ wird zum Beispiel am Immersive Storytelling Symposium an der The New School mehrfach wiederholt. Nicht, dass ein falscher Eindruck entsteht: An Ideen und Visionen mangelt es nicht. Es hapert, wie so oft, an der Umsetzung. In diesem Fall an der Technik. Und zwar in zweierlei Hinsicht.

Einerseits ist der Aufwand für die Erstellung von VR-Filmen nach wie vor sehr hoch, die Produktion ist kompliziert und teuer. Andererseits, und das ist fast noch wichtiger, steckt die Technik auch auf Nutzerseite noch in den Kinderschuhen. Während herkömmliche Videos leicht zugänglich sind und auf Laptops und Smartphones jederzeit angeschaut werden können, braucht es für VR-Filme technische Hilfsmittel, wie sperrige Headsets oder gar Ganzkörperanzüge mit entsprechender Sensorik. Beides ist nicht einfach so mal zur Hand. Hindernisse also, die nicht zu unterschätzen sind, weder auf Produktions- noch auf Nutzerseite. Solange die Produktion von VR-Filmen so aufwändig und teuer bleibt, und der Konsum von VR-Filmen mit kostspieligen Investitionen in klobige technische Hilfsmittel einhergeht, wird sich der Trend kaum durchsetzen. Darin ist sich die Expertenrunde des Immsersive Storytelling-Symposiums trotz aller Euphorie einig. Erst wenn das Zusammenspiel von Produktion, Angebot und Rezeption ausbalanciert ist, hat Virtual Reality eine ernsthafte Chance auf dem Markt.

Fragen sich, was die Zukunft mit VR wohl bringen mag: Expertenrunde am Immersive Storytelling Symposium im Februar 2017 (Foto: Deborah Harzenmoser)

Zukunft ja, aber
Die Technik wird sich jedoch rasend schnell entwickeln. Bereits in fünf Jahren soll sie leichter zugänglich und einfacher zu bedienen sein. Was dann? Was kann VR für die Organisationskommunikation tun?

In einer kürzlich publizierten Studie von Forrester Research gaben nur 8% der US-amerikanischen Unternehmen an, VR im Marketing einsetzen zu wollen. Das liegt hauptsächlich an der ungenügenden Zugänglichkeit für Konsumenten. Die MarketingexpertInnen gehen nicht davon aus, dass sie ihre Zielgruppen mit VR wirklich erreichen: “A lot of brands have tried VR in the last year, and in many cases, it left marketers and consumers rather underwhelmed,” lässt sich Samantha Merlivat, Analystin bei Forrester Research, zitieren. Das liege einerseits an der ungenügenden Zugänglichkeit von VR-Filmen, vor allem aber auch deren mässigen Qualität. Die oft verpixelten Filme erinnern zu sehr an Game-Welten aus den 90-ern und erlauben daher bei Weitem nicht das virtuelle Realitäts-Erlebnis, das es für einen Werbeeffekt bräuchte.

Momentan scheint sich eine Investition in VR-Produktionen also nur für Unternehmen zu lohnen, zu deren Zielgruppen „Early Adopters“ zählen, die  VR regelmässig konsumieren. Oder für Organisationen, deren Kommunikationsinhalte sich besonders für VR-Videos eignen, zum Beispiel in Bereichen wie Tourismus oder Extrem-Sport. Prädestiniert sind auch die Unterhaltungs- und die Automobilindustrie, oder der Immobilienmarkt. Wenn sie initiativ vorgehen, haben diese Branchen jetzt die Chance, Massstäbe für die VR-Zukunft zu setzen.

VR im Journalismus
Im News-Bereich hat Times Inc. mit Life VR ein Pilot-Projekt für den Einsatz von VR im Journalismus lanciert. Die Plattform zeigt interaktive VR-Filme verschiedener journalistischer Titel des eigenen Hauses – unter anderem TIME, Sports Illustrated und InStyle. Um das virtuelle Erlebnis aufs Smartphone zu holen, braucht es jedoch die entsprechende App, ein Headset, sowie genügend Speichervolumen auf dem eigenen Gerät. Wenn das alles vorhanden ist, kann man zum Beispiel UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon auf seiner Reise durch über zehn Länder begleiten, die er im Rahmen einer Aufklärungskampagne für Schutz vor Naturkatastrophen und Waffengewalt besucht hat.

Weitere VR-Praxis-Beispiele gibt es in meinem Blog New York Insights by Debbie 


IAM live «Visual Storytelling» am 3. Mai 2017

Das Storytelling von heute ist technologiegetrieben und datenbasiert. Aus Daten werden Informationen, aus Informationen Geschichten, die immer öfter visuell erzählt werden: in Bewegtbildern, Virtual-Reality-Videos oder Infografiken. Die digitalen Formate der Bildkommunikation definieren Geschichtenerzählen neu. Das eröffnet Chancen für die Kommunikation und stellt zugleich Medienunternehmen und Organisationen vor Herausforderungen.

Am diesjährigen IAM live diskutieren wir Trends, Herausforderungen und Chancen des visuellen Storytellings. Infos und Anmeldung


Mehr Beiträge zum Thema Storytelling

  • Vom Sichtbarmachen und Zeigen. Storytelling heute.
  • Storytelling – der Schlüssel zu mehr Vertrauen in Versicherungen?
  • Wie Neues entsteht – über Entrepreneurial Storytelling
  • Aus guten Grund: Public Storytelling und Argumentation
  • Daten statt Worte – Journalismusausbildung im Zeitalter von Big Data

 

 

Online-Beratung, geht das?

Posted on 10. März 2017 by harz
von Sandro Küng, Co-Gründer von Kobenet* und Gastdozent im CAS Kommunikationsberatung

Zu den ersten Branchen, welche die Digitalisierungswelle erfasst hat, gehören Medien und Kommunikation. Der Beratungsmarkt scheint hingegen noch weitgehend analog zu funktionieren. Für den Berufsverband für Coaching, Supervision und Organisationsberatung BSO war ich in einer Projektgruppe damit beschäftigt, mir ein Bild über Beratungsplattformen im Markt zu machen. Zum Auftrag gehörte, deren Entwicklung abzuschätzen und Standardkriterien für qualitativ gute Online-Beratung zu definieren. Meine Aufgabe in der Gruppe war es zu prüfen, ob es möglich ist, dass der BSO selbst eine Plattform für Online-Beratung anbietet.

Nach ein paar Stunden Desktop-Recherchen über das vorhandene Angebot rieb ich mir die Augen. Erstens gibt es erstaunlich wenige Plattformen und zweitens lassen diese in puncto Benutzerfreundlichkeit und Anwendungsmöglichkeiten viele Wünsche offen. Die Schweizer Plattform ConsX bietet vorwiegend textbasierte Beratung an. Das deutsche Angebot CAI schien am weitesten entwickelt, mit einem Whiteboard, strukturierten lösungsorientierten Fragen im Chat mit Coachees, zudem bietet CAI Videotelefonie. Allerdings hatten wir in der Gruppe wiederholt technische Schwierigkeiten beim Testen der Plattform. Das knappe Angebot hat mich erstaunt, zumal Beratungskunden schon heute online nach Beratungsangeboten suchen. Doch woran können sie sich orientieren? Nicht alle wissen, dass der BSO ein Qualitätslabel entwickelt hat und auf seiner Website ein Mitglieder-Verzeichnis führt mit Profilen der Beratenden, welche alle die relativ hohen Qualitätsstandards erfüllen.

50’000 Coaches in DACH-Ländern
Viele Suchende landen schliesslich bei der deutschen Business-Plattform Xing, die als digitaler Megahub in Googles Suchtreffern weit oben rangiert. Diese startete 2015 die Beta-Version von XING Coaches mit 50.000 Coaches, die nach eigenen Angaben «grösste Coaching-Plattform im deutschsprachigen Raum». Xing hat dazu alle Profile, die beratungsrelevante Stichworte enthielten, auf Xing Coaches gelistet. Ausbildungen und Erfahrungen der “Coaches” spielten dabei keine Rolle.

Viele Beratende nutzen Online-Basismedien wie E-Mail, SMS, Skype, Facebook, Whatsapp, Google Hangout oder Slack. Das grösste Problem dabei ist, dass der Datenschutz meist komplett fehlt und die Beratung über verschiedene Kanäle unübersichtlich wird. Zudem ist damit zu rechnen, dass viele digitale Beratungs-Tools entwickelt werden, welche die Arbeit der Beratenden erleichtern und die Verschmelzung von Präsenz- und Online-Beratung vorantreiben werden. Professionalität und Prozessorientierung könnten in der Online-Beratung jedoch auf der Strecke bleiben, wenn das Silicon Valley die Regie übernimmt. Oder anders formuliert: Online-Beratung wird bereits jetzt vorwiegend von branchenfremden Akteuren gestaltet. Wohin das führt, zeigt uns das Beispiel Xing.

Suche nach geeigneter Plattform
Die zunehmende Mobilität und das Selbstverständnis der nachrückenden Generation, Dienstleistungen überall und jederzeit nutzen zu können, dürfte das Bedürfnis nach einer intuitiv zu bedienenden, sicheren Plattform bei Beratungsanbietern stark ansteigen lassen. Wenn eine Plattform in der Präsenz-Beratung eingeführt wird, ist der Schritt, eine Online-Plattform auch in der Distanzberatung einzusetzen, nur noch klein. Zu diesem Schluss kam zumindest die Projektgruppe des BSO. Aufgrund dieser Ergebnisse haben Webentwickler von Liip zusammen mit dem BSO einen Prototypen für eine intuitiv zu bedienende Beratungsplattform entwickelt. Nun prüft der BSO Wege, zusammen mit Partnern eine eigene Plattform zu entwickeln.

In wenigen Jahren könnte die Automation im Dienstleistungsbereich schon so weit fortgeschritten sein, dass strukturierte Prozesse automatisiert sein werden, auch solche von komplexeren Beratungsprojekten. Derzeit liefern sich die Grosskonzerne Apple, Google, Amazon, Microsoft, Samsung und Facebook ein Wettrüsten im Bereich künstlicher Intelligenz. Vor kurzem hat Googles DeepMind-Team zusammen mit der Oxford-Universität ein System erschaffen, das einem Menschen Worte und ganze Sätze von den Lippen ablesen kann – und zwar um 34,4% besser als ein menschlicher Profi. Google Executive Coach David Peterson prognostizierte am Coaching-Kongress in Olten 2016, dass die meisten Coaches in zehn Jahren durch künstliche Intelligenz abgelöst sein würden. Weitere Entwicklungen wie Gamification, virtuelle/erweiterte Realitäten (VR/AR), sowie Zero Interface sorgen für eine schrankenlose Zusammenarbeit mit digitalen Geräten. Dies mit dem Ziel, dass wir mit Geräten so kommunizieren können wie mit Menschen.

Der Markt an E-Coaching-Plattformen und -Werkzeugen wird sich rasant entwickeln. Das Angebot ist bereits heute vielfältig und kaum überblickbar. Im Rahmen der BSO-Projektgruppe haben wir alle uns bekannten Beratungsplattformen zu einer Umfrage eingeladen, um etwas Orientierung zu gewinnen (zum Ergebnis). Prof. Harald Geissler von der Helmut Schmidt Universität Hamburg gibt zudem in seinem Artikel auf der BSO-Website einen Überblick. Orientierung bietet auch das Praxispapier “Virtuelles Coaching” der Deutschen Gesellschaft für Personalführung DGPF.


*Sandro Küng ist Kommunikationsberater und hat den MAS Coaching und Organisationsentwicklung am Institut für Angewandte Psychologie der ZHAW abgeschlossen und ist BSO-Mitglied. Zusammen mit Peter Stücheli hat er 2015 das Kommunikationsberatungs-Netzwerk (Kobenet) gegründet.


Einblick in den CAS Kommunikationsberatung mit Absolventin Martina Bürge:

Zur Onlinebroschüre: www.zhaw.ch/cas-kommunikationsberatung

«Fake News sind nichts Neues»

Posted on 6. März 2017 by harz
von Valérie Jost, Studentin im Bachelor Kommunikation (JO16) und Impact-Redaktorin

Hinweis: Fake News sind mit einem Stern * gekennzeichnet. Auflösung unten am Beitrag.

Das Lügen scheint in unserer Gesellschaft salonfähig geworden zu sein. Als «Wachhund der Demokratie» muss der Journalismus dieser Entwicklung entgegensteuern – aber wie? Diese Frage diskutierten Christof Moser (Project R) und Gieri Cavelty (SonntagsBlick) am vergangenen Donnerstag mit den Columni ZHAW im Zürcher Lokal Karl der Grosse.

Moser vs. Cavelty
Bereits beim Lesen des Programms versprach man sich einen spannenden Abend: mit dem neuen SonntagsBlick-Chefredakteur Gieri Cavelty und Project R-Mitgründer Christof Moser würden zwei bekannte, aber auch ziemlich unterschiedliche Mediengrössen aufeinandertreffen. Während Cavelty nach seinem Posten als Kommunikationschef beim Bund erst seit Kurzem wieder im Journalismus tätig ist, wandte sich Moser Ende 2016 von der Verlagsbranche ab und arbeitet nun mit Mitgründer Constantin Seibt und weiteren sechs Teammitgliedern an ihrem Medienstartup.

Einigkeit gab es…
Die Erwartungen sollten nicht enttäuscht werden. Nach der Begrüssung durch Columni-Präsidentin Claudia Sedioli Maritz war die Podiumsdiskussion eröffnet. Viviane Bischoff (20 Minuten) verfolgte sie als die Fakten-Checkerin des Abends vom Recherchepult hinter den Diskussionsteilnehmern aus – damit Fake News immerhin an diesem Abend keine Chance hatten. Columni-Vorstandsmitglied Florian Imbach (SRF) fragte die beiden Journalisten als erstes, ob sie heutzutage häufiger angelogen würden. Mosers Antwort läutete bereits den Tenor des Abends ein: «Ich weiss nicht, ob das Lügen zugenommen hat. Heute kann aber offen gelogen werden, ohne dass es Konsequenzen hat.» Dem schloss sich Cavelty kurz darauf an: «Es wurde schon immer gelogen, aber heute in einer neuen Dimension. […] Auch beim Phänomen Trump: Ich glaube, viele wollen seine Wahl nicht wahrhaben und schreiben es den Lügenmedien zu, aber schlussendlich wurde er von den Leuten gewählt.» Auf Imbachs Frage, ob ihn Trumps Lügen nicht stören würden, antwortete er: «Doch, aber ich gehe von der Vernunft der Leute aus. Man muss damit umgehen können. Aber vielleicht bin ich auch naiv.»

…nur teilweise
Derart einstimmig wie zur momentanen Lage klang es aber nicht den ganzen Abend. Moser schien zum Beispiel nicht mehr so stark an diese Vernunft der Leserschaft zu glauben wie Cavelty. Er war der Meinung, der Journalismus trage selbst zur Verwirrung bei, indem redaktionelle Inhalte mit Native Advertising vermischt würden: «Die Leute können nicht mehr zwischen seriösem Journalismus und Fake News unterscheiden.» Cavelty dagegen reagierte auf Mosers Einwand zu einem wochenlang topplatzierten PR-Artikel* auf der Blick-Homepage mit: «Die Leute merken das.»

Ein weiterer Unterschied zeigte sich in der Haltung zu Objektivität im Journalismus. Und zwar anhand einer Frage aus dem Publikum zur Definition der Wahrheit: «Wir sprechen ständig über diese Wahrheit – aber was ist sie genau?», fragte eine Zuhörerin.

Moser vertrat die Ansicht, es gäbe irgendwo eine Wahrheit, jedoch ausserhalb unserer Reichweite, und sagte: «Wichtig ist, nach Wahrhaftigkeit zu streben.» Cavelty dagegen war klar der Meinung, es gäbe eine objektive Berichterstattung: «Es gibt Wahrheiten. Wir haben Werte. Es ist gefährlich, zu sagen, alles sei relativ.»

Die Vertrauensfrage
Ein wichtiger Punkt des Abends war auch das Vertrauen der Gesellschaft in die Medien. Imbach nannte Zahlen aus dem Reuters Institute News Report, gemäss denen 50% der Leute den Medien vertrauen, 39% den Verlagen und 35% den Journalisten**. Er kommentierte: «Das Vertrauen ist also im Keller. Wie bringen wir es wieder hoch?» Mosers Antwort lautete: «Wir müssen über Dinge schreiben, die den Leuten etwas bringen. Manchmal produziert der Journalismus nur Bürokratie statt Lösungen und Aufklärung.» Damit meinte er den Fall des Jugendstraftäters Carlos, als über dessen Rindsfiletkonsum im Gefängnis berichtet wurde: Die Leser waren empört und die Ämter verängstigt, ihnen könnte auch etwas um die Ohren fliegen, sodass sie all ihre Akten prüften. Moser fasste zusammen: «Klickgenerierende Filetgeschichten haben nichts mit vertrauenswürdigem Journalismus zu tun.»

Die Lösung?
Doch die Frage, um die es wirklich ging – nämlich wie der Journalismus dieses Vertrauen wiedergewinnen kann – kam in der Diskussion ein wenig zu kurz. Mosers Antwort lautete: «Fake News sind nichts Neues. Wir müssen wieder dorthin, wo die Leute sind. Uns in den Dreck werfen, statt im bequemen Newsroom zu sitzen, […] präsent und fassbar sein, unsere Komfortzone verlassen.» Und Caveltys Antwort auf die Frage des Abends lautete: «Wir müssen selbstbewusst guten Journalismus machen. Das ist es, was wir beitragen können.»

Die Faktencheckerin des Abends, Viviane Bischoff (20 Minuten), hat zum Ende der Diskussion einige Fehler aufgezeigt:
* Der PR-Artikel auf blick.ch war gross als solcher angeschrieben.
** Das Vertrauen in den Journalismus ist stabil, war aber schon immer ziemlich tief.


Weitere Beiträge von Columni-Events:

  • Seitenwechsel mit Folgen – vom Journalismus in die Organisationskommunikation
  • Vertrauen ist die neue Währung
  • Krisenkommunikation – Wenn’s blitzt und donnert

„Africa is everywhere“ oder: Über die Höhen der interkulturellen Zusammenarbeit

Posted on 1. März 2017 by harz
von Christoph Spurk, Projektleiter Forschungsprojekte Medien und Journalismus in Entwicklungsländern und Dozent am IAM

Seit vielen Jahren sind IAM Medienforscher und -forscherinnen in Afrika tätig. Das derzeit grösste Projekt läuft unter dem vom Schweizer Nationalfonds (SNF) und der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) gemeinsam finanzierten Programm „Research for Development“ (R4D). Darin untersucht das IAM seit zwei Jahren in einem interdisziplinären Projekt (Agronomie, Soziologie und eben Medien/Kommunikation), warum afrikanische Bauern die vielen Techniken, die zur Verfügung stehen, um die sinkende Bodenfruchtbarkeit in Afrika wieder zu stärken, nicht oder nicht richtig, auf jeden Fall in zu geringem Ausmass anwenden. Ausser dem Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) in Frick und uns sind an dem Projekt insgesamt zwölf afrikanische Universitäten und Forschungseinrichtungen in insgesamt vier Ländern (Sambia, Mali, Ghana und Kenia) beteiligt.

Wie läuft nun diese Zusammenarbeit nicht nur über disziplinäre Grenzen, vor allem auch über kulturelle Barrieren hinweg?

Wahrscheinlich hat sich jede(r), der/die in Afrika unterwegs ist oder mit Afrika zu tun hatte, schon mal bei dem Gedanken erwischt, warum sich afrikanische Kollegen (Dozierende, Forschende, Studierende)  bisweilen so verhalten, als wollten sie die gängigen Vorurteile zu Afrika  in vollem Umfang  bestätigen. Auf konkrete Fragen per Email kommt als Antwort ein dürres „Noted. Regards…“ und dann wochenlang nichts. Aus unserer Sicht fest vereinbarte Termine zum Start konkreter Untersuchungen verzögern sich langfristig, und Begründungen gibt es erst auf mehrmaliges Nachfragen hin. Die eigens eingerichtete Web-Plattform ist bisweilen monatelang im Winterschlaf versunken… Uff. Schwierig. Wie erwähnt, bestens geeignet, gängige Vorurteile zu bestärken.

Nun, Sozialwissenschaftlern geht es natürlich gegen die Berufsehre, sich auf den eigenen Vorurteilen auszuruhen, und der Anspruch gewinnt die Überhand, Verhalten zumindest nachvollziehen zu können. Dabei helfen aus meiner Sicht unterschiedliche Ansätze. Erstens gibt es ja ganz generell viele denkbare Gründe für Verhalten, auch wenn es uns erstmal unverständlich erscheint. Auf jeden Fall ist es der Mühe wert, Erklärungen für ein bestimmtes Verhalten zu suchen. Wenn diese Perspektive eingeschaltet ist, sind fruchtbare Erklärungen nicht weit, wie z.B. in unserem Fall:

Möglicherweise ist das sehr stark von Schweizern initiierte Projekt noch längst nicht das der afrikanischen Kollegen: Sie machen mit, weil ihre PhD-Studenten in Afrika finanziert werden können (die sonst gar keine Finanzierung erhalten würden), und weil die Kollegen selbst auch eine finanzielle Entschädigung erhalten. Aber es ist nicht ihr Projekt, in dem sie mit Herzblut dabei wären. Sie würden möglicherweise etwas ganz anderes erforschen wollen, aber für das laufende Projekt gibt es halt Geld, und aus Sicht der Afrikaner weiss das Schweizer Forschungsteam wahrscheinlich am besten, wofür in der Schweiz Forschungsgelder aufzutreiben sind. Auf Entwicklungs-Chinesisch heisst das, dass das „ownership“ für das Projekt fehlt.

Eine andere Variante zur Erklärung ist die: Es gibt, was die konkreten Methoden der empirischen Sozialforschung angeht, bei einigen Kollegen in Afrika ein gewisses Defizit an praktischer Erfahrung. Theoretisch sind sie auf gleichem Stand, schliesslich haben wir die gleichen amerikanischen Lehrbücher gelesen. Praktisch jedoch eher nicht. Aber eine gewisse Schwäche einzugestehen, ist für einen Kollegen im afrikanischen Kontext schwierig, zumal, wenn rangniedrigere Assistentinnen oder Studenten anwesend oder im cc sind. „Face-saving“ ist ein absolutes Muss. Auch nur partielle Unkenntnis einzugestehen, würde die Reputation drastisch gefährden. Also, wird eben wenig nachgefragt, oder auf kritische Emails nicht inhaltlich reagiert.

Perspektivenwechsel kann nützlich sein: Fast jeder interkulturelle Stolperstein lässt einen nach einiger Zeit auch darüber nachdenken, wie es denn bei „uns“ ist. Ist das inkriminierte Verhalten tatsächlich so ungewöhnlich? Ist die Kluft zwischen uns und den afrikanischen Kollegen tatsächlich so gross? Wie viele kritische Nachfragen per Email pflege ich selbst gerne zu übersehen?  Wie oft pflegen wir in Sitzungen zu sagen, dass wir etwas nicht verstanden haben, was wir „eigentlich“ verstehen sollten, müssten, könnten. Der Bedarf nach „face-saving“ ist uns jedenfalls nicht fremd, auch wir haben an einer Kultur der Offenheit sicher noch viel zu arbeiten. Das ist dann das Schöne an der interkulturellen Zusammenarbeit, dass es das eigene Verhalten stärker reflektieren lässt.

Und was machen wir nun in unserem Projekt konkret, um Abhilfe zu schaffen, schlaue Erklärungen hin oder her?  Was hilft: das direkte Gespräch. Es ist immer wieder erstaunlich, was sich erreichen lässt, wenn wir mit afrikanischen Kollegen direkt vor Ort sprechen und agieren. Was über Monate unklar blieb, im Emailverkehr oder per Skype vergeblich auszuhandeln versucht wurde, das lässt sich in drei Tagen „face-to-face“ verbindlich klären und regeln. Zum Beispiel, wie die Feldversuche in der Agronomie im Detail auszusehen haben, und wie die erste Umfrage unter Bauern tatsächlich durchzuführen ist. Und dann passiert etwas, was wir in der Schweiz nicht gewohnt sind: Es geht rasend schnell. Mittwochs wird der Fragebogen für die Baseline-Umfrage verabschiedet, am Donnerstag fahren wir zum Üben ins „Feld“ ( in dem Falle Busch, 200 km weg von der Stadt ), proben den Random Walk (eine bestimmte Art, die Teilnehmer für eine Umfrage zufällig auszuwählen) und am Freitagmorgen sind zehn Studenten unterwegs, und haben am Abend die ersten 50 Interviews im Sack. Voilà, Chapeau.

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