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Wissen, was Kommunikation bewegt

Ein Blog der ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften

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Browsing März, 2015

“Ein grosses Herz, ein dickes Fell, ein schnelles Hirn – und einen Traum.”

Posted on 9. März 2015 by Redaktion

Interview mit Wolfgang Blau, Executive Director of Digital Strategy bei “The Guardian“.

Aufgezeichnet am 5. Februar 2015 von Rebecca Panian, freischaffende Filmemacherin und Filmverantwortliche am IAM.

An der diesjährigen Konferenz Re-Inventing Journalism der ZHAW sprach Wolfgang Blau darüber, was ihn “nachts nicht schlafen lässt”. Im Interview verrät er, warum er Journalist wurde, was er Menschen sagt, die im Online-Journalismus eine Gefahr für die Demokratie sehen und was er sich unter einem guten Journalisten vorstellt.

Warum sind Sie Journalist geworden?
Es gibt im Englischen den Begriff der “post-rationalisation”, also der nachträglichen Sinnstiftung, die auch darin bestehen kann, sich die eigenen Lebensentscheidungen im Rückblick stringenter zu beschreiben als sie es eigentlich waren. Vermutlich weiss ich also nicht wirklich, weshalb ich Journalist geworden bin. Ich erinnere mich aber, dass bei uns zuhause viel Radio gehört wurde, und da muss ich hinzufügen, dass ich das jüngste von fünf Kindern war. Besonders meine Mutter hatte während unserer frühen Kindheit nur selten Möglichkeiten wegzugehen, zu einem Konzert zum Beispiel, oder sehr viel zu lesen. Dennoch ist sie sehr gebildet und war auch damals immer gut über das Weltgeschehen informiert, dies vor allem dank der Nachrichten und Kultursendungen im öffentlich-rechtlichen Radio. Ich habe also schon als Kind davon geträumt, Radio- oder Fernsehjournalist zu sein. Mein Problem: Ich hatte damals einen starken schwäbischen Akzent, weshalb ich zuerst einmal Schauspiel studiert habe und jahrelang Sprecherziehung erhielt. Noch während meines Studiums bewarb ich mich dann beim Saarländischen Rundfunk, der eine Kooperation mit der Schauspielschule meiner Uni hatte und war dann bald der damals jüngste Nachrichtensprecher im ARD-Hörfunk und eine der Station-Voices für das ARD Fernsehen. Es dauert dann aber nicht lange, bis mir die Entscheidungsprozesse innerhalb der öffentlichen-rechtlichen Welt unendlich zäh vorkamen. Das war ja auch die Zeit, in der nicht nur das Privatradio in Deutschland emporkam, sondern auch die ersten graphischen Webbrowser dem World Wide Web zum Durchbruch verhalfen. Als ich dann das erste Mal im Internet surfte, wusste ich – eher intuitiv – dass es die Welt grundlegend verändern würde. Es war so eine Mischung aus Euphorie und Fassungslosigkeit angesichts dessen, was sich da vor mir auftat. Noch beindruckt von der vergleichsweise gigantischen Infrastruktur öffentlich-rechlicher Sender konnten wir nun plötzlich selbst Radio im Internet machen. Ich hatte also das Glück, dass das Internet in meiner Biografie genau zum richtigen Zeitpunkt kam.

Warum sind Sie nicht beim Radio geblieben?
Es war wohl der Diskurs, der mir fehlte. Lineares Broadcasting hatte etwas von “Malen nach Zahlen”, zu viele der Inhalte waren vorhersehbar. Ich wollte auch meine geschriebene Sprache weiter entwickeln.

Was braucht guter Journalismus?
Derzeit vor allem mehr Fachkompetenz. Ich würde zum Beispiel gerne sehr viel mehr Spezialistinnen in den grossen Redaktionen sehen. Besonders NaturwissenschaftlerInnen fehlen in vielen Redaktionen eklatant. Als Geisteshaltung würde ich mir mehr Mut zum Experimentieren wünschen. Das ist natürlich leichter gesagt für jemanden, der schon erfolgreiche Experimente vorweisen kann. Ich habe aber oft den Eindruck, dass gerade die Absolventinnen und Absolventen der Journalistenschulen viel zu risikoscheu sind. Vielleicht wäre es ja hilfreich, einmal pro Semester eine Einheit über “Famous Failures” anzusetzen, also herausragende journalistische Fehleinschätzungen oder auch Strategiefehler bekannter Publikationen oder auch einzelner Journalisten zu analysieren und zu betrachten, wie sich diese Organisationen oder Personen von ihren Fehlern erholt oder sogar daraus gelernt haben.

Birgt das nicht die Gefahr der Effekthascherei?
Nein, Mut zum Experimentieren ist kein Aufruf zur Schlamperei und auch kein Verrat an journalistischen Standards. Niemand, der sich ernsthaft als Journalist bezeichnet, macht freiwillig Fehler. Diejenigen Leser, auf die es ankommt, haben ausserdem ein feines Gespür dafür, ob eine Redaktion wirklich nach Innovation sucht oder sich nur ein digitales Mäntelchen umhängt. Es ist auch immer wieder erstaunlich zu sehen, wie sehr Leser einer Redaktion beistehen, wenn diese für ihre Experimente von Trollen oder auch von ignoranten Medienjournalisten angefeindet oder lächerlich gemacht wird. Mut und ernsthafte Bemühung werden auf lange Sicht eben doch belohnt.

Was bedeutet Offenheit für Sie?
Offenheit sollte man nicht verwechseln mit Laissez-Faire. Mit Offenheit meine ich, mehr Raum für Experimentierfreude einzufordern und auch selbst anzubieten. Nur so entsteht Neues. Einstein sagte einmal, kombinatorisches Spielen erscheine ihm als ein essentieller Bestandteil produktiven Denkens. Nicht von ungefähr entstehen viele der schönsten Ideen in Zigarettenpausen oder jenseits aller Kreativ-Workshops und Brainstorming Sessions, also genau dann, wenn gerade nicht offiziell gearbeitet wird. Womit ich aber nicht zum Rauchen auffordern will.

Rebecca Panian

Filmemacherin Rebecca Panian (JO07)

 

Sie haben zusammen mit der Journalistin Alysa Selene das Buch “German Dream” verfasst. Sind Sie ein Träumer?
Träumen, vor allem das Tagträumen, ist eine menschliche Gabe, die uns erlaubt, unser Wissen, unsere Erfahrung und Intelligenz in anderer Weise einzusetzen, als es uns rein willentlich möglich ist. Und ja, ich gebe das gerne zu: Ich glaube daran, dass wir die Welt verbessern können und ich vertraue darauf, dass Ehrlichkeit am Ende immer gewinnt. Aber natürlich habe ich auch gelernt, strategisch zu sein und mich zu beschützen. Ehrlichkeit und Offenheit sind nicht synonym für Schutzlosigkeit. Um es bildlicher auszudrücken: Ein Pazifist sollte sich im Interesse des eigenen Erfolges darum bemühen, auch das Denken und die Ängste der Militärs zu verstehen.

Was erträumen Sie sich für den Journalismus?
Meine erste Pflicht als Journalist ist, die Welt zu beschreiben wie sie ist, also das Bemühen um Ausgewogenheit, Fairness und Genauigkeit. Die zweite Pflicht ist dann, es nicht nur bei der Nachricht zu belassen, sondern sie auch in ihrem Kontext zu präsentieren, sie zu analysieren und zu kommentieren. Ich glaube jedoch, dass Journalismus nicht nur informieren und interpretieren, sondern auch inspirieren sollte, also nicht nur die Welt zu beschreiben wie sie ist, sondern auch wie sie sein könnte. Das amerikanische Solutions Journalism Network ist in dieser Hinsicht ein wichtiges Experiment. Ich hoffe auch, dass wir ein neues journalistisches Ökosystem entwickeln werden, in dem robuster, unabhängiger Journalismus weiterhin möglich ist, frei von der Einflussname durch Werbekunden, Regierungen, Parteien, Lobbyisten, Kirchen oder Stiftungen.

Und speziell für Newsrooms?
Ich besuche viele Newsrooms auf der ganzen Welt und bin erstaunt, wie ethnisch homogen die meisten Newsrooms bis heute sind und wie wenig sie die Zusammensetzung ihrer jeweiligen Leserschaft repräsentieren. Newsroom-Diversity ist keine moralische Pflichtübung, sondern eine strategische Notwendigkeit.

Vor dem “Ausschuss Kultur und Medien” des Bundestags haben Sie Aufsehen erregt mit Ihrem Kurzvortrag “Die sieben Branchenmythen über den Zustand des Journalismus“. Was sagen Sie jemandem, der zum Beispiel noch immer meint, dass Online-Journalismus eine Gefahr für die Demokratie ist?
Nicht mehr viel. Ich hab mich aber auch frei gemacht von dieser seltsamen Idee, dass alle in der Branche die gleichen Sichtweisen auf den Online-Journalismus vertreten sollten. Ich reagiere eher skeptisch, wenn ich in einem Text über die Zukunft des Journalismus noch die Worte “wir” oder “müssen” lese. Wir “müssen” überhaupt nichts und das appellative “Wir” ist eine Fiktion, die meist in manipulativer oder auch anbiedernder Weise daherkommt.
Ich muss niemanden mehr davon überzeugen, dass der Online-Journalismus den besten Journalismus hervorbringt, weil er auf die meisten Quellen zugreifen kann, weil er im ständigen Austausch mit potentiellen Quellen und Lesern steht, weil er der permanent grössten, da öffentlichen Qualitätskontrolle unterzogen wird oder weil nur der Online-Journalismus simultan verschiedene Zugangsarten und Einstiegstiefen in einen Thema anbieten kann. Das erklärt sich inzwischen von selbst. Diese Zukunft muss ich nicht mehr besingen, sie ist längst da. Was mich derzeit mehr interessiert ist die Frage, wie der Journalismus demokratischer Gesellschaften in der zunehmend globalisierten Medienöffentlichkeit weiterhin weltweit Gehör finden kann.

Was möchten Sie Journalismus-Studenten mit auf den Weg geben?
Ich würde ihnen raten, nicht nur journalistisches Handwerkszeug zu erwerben und eine exzellente Allgemeinbildung und Mehrsprachigkeit anzustreben, sondern auch tiefes Fachwissen. Selbst in den grössten Newsrooms fehlen – um nur wenige Beispiele zu nennen – Naturwissenschaftler, Informatiker oder auch Fachjuristen, ohne die viele Stories nicht adäquat bewertet und bearbeitet werden können. Die weltweite Berichterstattung zur Snowden-Story beispielweise hat sehr eindrücklich illustriert, wie vielen Newsrooms immer noch das Basiswissen über die technische Architektur des Internet fehlt.

Und was braucht ein guter Journalist auf menschlicher Ebene?
Ein grosses Herz, ein dickes Fell, ein schnelles Hirn – und einen Traum.

Mehr zum Executive Director of Digital Strategy
Wolfgang Blau (geb. 1967 in Stuttgart) arbeitete während seines Studums beim Saarländischen Rundfunk und später als News-Anchor und Chef vom Dienst bei BLR-Radiodienst in München. Von 1999 bis 2007 war er als freier Journalist in San Francisco, dem Silicon Valley und Washington D.C. tätig und schrieb vor allem für DIE WELT und das ZDF. Daneben entwickelte er Online-Angebote wie das Online-Audio-Portal für die Tageszeitung DIE Welt. Im Jahr 2007 veröffentlichte er mit der Journalistin Alysa Selene im Verlag dtv das Buch “German Dream”, eine Suche nach einem inspirierenden Zukunftsentwurf für Deutschland. Von 2008 bis 2013 war Blau Chefredakteur von Zeit Online und wurde 2011 als erster Chefredakteur einer digitalen Publikation in Deutschland zum “Chefredakteur des Jahres” gewählt. Im April 2013 wechselte Blau zur britischen Tageszeitung The Guardian, wo er als Executive Director of Digital Strategie fungiert und zum Team des Chefredakteurs Alan Rusbridger gehört. Er ist derzeit einer der vier internen Kandidaten für die Nachfolge Alan Rusbridgers als Chefredakteur des Guardian. Blau ist Vice President des Global Editors Network mit Sitz in Paris.
Twitter: @wblau

Der Satz, für den ich den Job hier mache

Posted on 3. März 2015 by Redaktion
von Thomas Gantenbein, Wissenschaftlicher Mitarbeiter IAM

“Warum ist so ein Lärm, tamisiech?” Nein, das ist nicht der Satz, für den ich den Job hier mache, nämlich vor einigen Studierenden zu stehen und ihnen etwas zu vermitteln, was wir am IAM für wichtig halten. Auch der Antwortsatz ist es nicht: “Wir haben Hunger!” Na und? Stillt Radau vielleicht den Hunger? Eben. Dann also zusammenreissen und Ruhe.

Nein, bestimmt nicht, für so was mache ich den Job nicht. In solchen Momenten finde ich ihn eher – ich formuliere es höflich – begrenzt befriedigend. In anderen Momenten hingegen finde ich ihn toll: Mit Kolleginnen und Kollegen über Kursinhalte diskutieren, die Veranstaltung planen, einprägsame Beispiele suchen, mit Studierenden über Texte streiten. Das alles finde ich toll, aber ich musste vier Jahre warten, bis ein Student endlich mal so nett war, den Satz zu sagen.

Thomas Gantenbein

Thomas Gantenbein hat lange auf diesen Satz gewartet.

Gefallen ist dieser Satz ganz am Ende des letzten Medienforschungsseminars. Die zwölf Studierenden sollten den eigenen Schreibprozess und den der anderen beobachten, sich gegenseitig Fragen zu diesen Prozessen stellen und schliesslich bei Leserinnen und Lesern erfragen, wie die Texte ankommen. Ein Kollege und ich haben ihnen ausserdem Feedback gegeben zum Text und, in Teilen, zum Schreibprozess. Ziel des Ganzen war es, den “Lebenszyklus” eines Textes möglichst ganzheitlich und systematisch zu untersuchen: Wie wird der Text hergestellt? Welche Qualitäten hat er? Was fängt das Publikum mit dem Text an? Und wie hängen die Antworten auf diese Fragen miteinander zusammen?

Viele Fragen … und keine einfachen, finde ich. “Ich bin erstaunt, wie wenig Probleme es gab”, habe ich deshalb den Studierenden am Ende des Seminars gesagt. Gelächter der Studierenden. Schon klar, eigentlich müsste ich überzeugt sein, dass es gut läuft. Bin ich aber nicht. Dafür bin ich zu wenig Hellseher oder Grössenwahnsinniger. Vielleicht lag es an der Gruppenzusammensetzung, dass viele der befürchteten Probleme gar nicht erst aufgetreten sind. Und vielleicht habe ich den Studierenden im ersten Absatz Unrecht getan und ich unterschätze die Wirkung von Hunger – und seines Ausbleibens: Eine Gruppe von sechs Leuten im Seminar hatte nämlich den Deal, dass etwas Süsses mitbringen muss, wer mal in einer Veranstaltung fehlt. Brownies als didaktisches Mittel. Muss ich mir merken.

Meinem Ego zuliebe sage ich mir jetzt aber einfach, dass auch Inhalt und Form etwas dazu beigetragen hatten, dass also am Ende des Seminars ein Student sagte: “Da haben wir im ganzen ersten Jahr von Progressionsanalyse und so gesprochen – und jetzt im dritten Semester habe ich es wirklich verstanden.” Leider hatte ich kein Aufnahmegerät laufen in diesem Moment. Und was bleibt, wenn das Aufnahmegerät einen wichtigen Moment nicht festgehalten hat? Richtig: Ab ins Tagebuch damit. Obwohl: So einen ledergebundenen Wälzer samt Schloss kaufen, für durchschnittlich 0,25 Einträge pro Jahr … nein, vielleicht doch lieber nicht. Aber wie wär’s mit dem elektronischen Tagebuch vom IAM? Gute Idee. Oder?

Mehr zum Thema:
Die Leckerbissen im Medienforschungsseminar von Benjamin Seiler, Student IAM

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