Von Dr. Christophe Vetterli und Melanie Rotschi
Im Rahmen einer Blogreihe zum Thema Kapazitätsmanagement befasste sich der erste Artikel mit dem Thema Spital als komplexe Organisation. Es wurde unter anderem auf die Kritizität, also dass Organisationen auf kleine Veränderungen mit einer grossen Sensibilität reagieren, eingegangen.
In diesem zweiten Beitrag werden nun die häufigsten systemischen Fehler in der Planung der Kapazitäten des Spitals näher beleuchtet.
Integrale Sicht auf die Kapazitäten
Im Spitalumfeld werden die personellen Kapazitäten nach wie vor nicht entlang der Patientenpfade geplant. Dies äussert sich darin, dass die Auslastung in den Operationssälen nicht den Auslastungen auf den Abteilungen entsprechen. In den letzten Jahren wurde in die Auslastung und Optimierung von Plattformen wie z.B. den OP investiert. Durch das fehlende Bewusstsein für die Abhängigkeiten über die Bereiche hinweg wurden die Kapazitäten dieser jedoch nicht einbezogen und angepasst. Diese Missstände sind zudem auf die starre Zuteilung der Kapazitäten zu einzelnen Kliniken zurückzuführen. Damit ist gemeint, dass einer Klinik z.B. eine feste Anzahl OP-Slots zugeteilt ist, die Auslastung dieser wird jedoch nicht in die Planung einbezogen.
Mangelnde Transparenz über alle Kapazitäten
Das Spital ist stark fragmentiert und die Planung findet an unterschiedlichen Stellen (z.B. OP-Saal Planung, Bettenmanagement und Abteilungen), statt. Dies führt dazu, dass die Planung und Steuerung kleinteilig und nur zum Teil abgestimmt erfolgt. Es wird auf den einzelnen Planungsbereich fokussiert, ohne allenfalls Auswirkungen in den gesamtheitlichen Strukturen im Blick zu haben. So entstehen viele versteckte Kapazitäten, welche in der Kleinteiligkeit verborgen bleiben. Durch die Intransparenz über die verfügbaren Kapazitäten wird eine proaktive Steuerung unmöglich. So bleibt die Steuerung meist reaktiv. Damit ist bspw. gemeint, dass die inkonsequente Austrittsplanung zu einer Intransparenz der Kapazitäten auf den Bettenstationen führt. Die fehlenden oder nicht zuverlässig geführten Austrittsdaten führen dazu, dass die Planung nicht proaktiv durchgeführt werden kann. Dies führt zu einer Schwankung in der Bettenauslastung. Zudem kann es bei einer akuten Bettenknappheit zu kurzfristigen Austritten oder zur Absage von Operationen kommen.
Mangelnde strategische Prioritäten
Es gibt kein übergreifendes, integrales Verständnis für das System «Spital» und keinen strukturierten Prozess zur Kapazitätszuordnung oder diese werden nicht eingehalten. Es werden strategische Ziele für die Bereiche und Abteilungen definieret eine Abstimmungen mit den notwendigen Kapazitäten für die Zielerreichung wird jedoch häufig vernachlässig. Dies kann man sich wie folgt vorstellen. Für eine Klink wir ein Zielwert für Fallzahlen definiert. Um diese Fallzahl zu erreichen werden Kapazitäten wie z.B. Betten, Personal und OP-Slots benötigt. Da die Zuteilung dieser Kapazitäten jedoch meist starr ist entsteht ein Zielkonflikt. Durch die unklaren Prioritäten und die fehlenden Abstimmungen der Kapazitäten entstehen im Alltag Unklarheiten, welche wiederum zu Verschwendungen führen. Erschwert werden diese Umstände zudem durch fehlende oder unklare Entscheidungskompetenzen bei den betroffenen Rollen.
Fehlende Verbindlichkeit Entscheidungen betreffender der Planung welche in einem Steuerungsgremium getroffen werden, werden teilweise in bilateralen Gesprächen erneut diskutiert und revidiert. Dies führt wiederum dazu, dass eine Informationsasymmetrie entsteht. Die Informationen gelangen nur an ausgewählte Personen und eine Abstimmung der Prozesse wird abermals aussenvor gelassen. Um dies zu veranschaulichen kann hier die Anpassung des OP-Programms eingebracht werden. Die verantwortlichen Personen für die OP-Planung passen diese an die Umstände im OP an. Dies kann z.B. auf einzelnen Personen basieren. Dabei werden jedoch die Abhängigkeiten zu den anderen Abteilungen nicht in Betracht gezogen. In der Folge können kurzfristige Absagen von Operationen entstehen. Dies ist besonders für Patient:innen welche bereits Nüchtern sind ärgerlich.
Die Variabilität ist zu hoch
Die Variabilität in der Planung der Tage ist sehr hoch. Das heisst, dass eine Planung sehr schwer umsetzbar ist. Die hohe Variabilität in der Auslastung macht zudem eine konstant hohe Auslastung unmöglich. Was zudem überraschend ist, ist dass die Variabilität bei den elektiven Fällen von erwachsenen Personen höher ist, als die Variabilität von Notfällen. Diese Umstände erschweren die Planung der Betten und der weiteren Kapazitäten wiederum.
Disposition ist nicht Kapazitätsplanung
Die Fähigkeit der Kapazitätsplanung ist nicht gleichzusetzen mit der Fähigkeit zu disponieren. Die Zuordnung von Patient:innen zu Betten oder OP-Slots ist die Aufgabe der Disposition. Das Sicherstellen der richtigen Kapazitäten zum richtigen Zeitpunkt, die Reduktion von Variabilität und die Sicherstellung einer hohen Auslastung von Kapazitäten ist wiederum die Aufgabe der Kapazitätsplanung. Dies benötigt Steuerungsvorgaben, ganzheitliche Transparenz, Verbindlichkeiten in Planungsentscheiden und ein integrales Verständnis von Kapazitätsplanung.
Um diese systemischen Fehler anzugehen, lohnt es sich den Ansatz des integralen Kapazitätsmanagements (IKM) genauer zu beleuchten. Auf die Aspekte des IKM und die Integration im Spital wird in einem nächsten Blog eingegangen. Schauen Sie gerne wieder in unseren Blog rein!
Im Rahmen eines assoziierten Projektes des Innosuisse Flagship Projektes «SHIFT» befasst sich die ZHAW gemeinsam mit Vetterli Roth & Partners mit dem integralen Kapazitätsmanagement. In einem gemeinsamen Forschungsprojekt wird ein Assessment-Tool zur Erhebung des Reifegrades einer Klinik im Bereich des Kapazitätsmanagements entwickelt.
Dr. Christophe Vetterli ist Co-Founder & Managing Partner bei Vetterli Roth & Partners.
Melanie Rotschi ist wissenschaftliche Mitarbeiterin der Fachstelle Management im Gesundheitswesen