Patientenerfahrung im Fokus: Die PaRIS-Befragung zur ambulanten Grundversorgung

Von Prof. Dr. Marc Höglinger und Joel Lehmann

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat eine Initiative zur Qualitätsförderung in der Grundversorgung ins Leben gerufen, den Patient Reported Indicator Survey, kurz PaRIS. Ziel ist die systematische Erfassung von Indikatoren zu Erfahrungen und zum Gesundheitszustand von Patient:innen mit chronischen Erkrankungen. Die Schweiz beteiligt sich an dieser internationalen Initiative und hat damit die Chance, Qualitätsbemühungen in der hausärztlichen Grundversorgung zusätzliche Impulse zu verleihen.

Was untersucht die PaRIS-Befragung?

Die PaRIS-Befragung möchte einen Beitrag leisten, die Qualität der Grundversorgung besser zu verstehen und Handlungspotential aufzuzeigen. Im Kern geht es darum, Ergebnisse und Erfahrungen mit der Versorgung aus der Patientenperspektive zu erheben. Anfang 2024 werden rund 7’500 Patient:innen aus 100 zufällig ausgewählten schweizerischen Arztpraxen an einer Befragung teilnehmen. Sie werden zu Aspekten wie Zugang zu Gesundheitsversorgung, Wartezeiten, Lebensqualität, Schmerzen, körperliche Funktionsfähigkeit und psychisches Wohlbefinden befragt.

Zentrale Fragen zu Lebensqualität und Versorgung von chronisch kranken Menschen

PaRIS beantwortet zentrale Fragen zu Lebensqualität und Versorgung von chronisch kranken Menschen: Wie fühlen sich Menschen mit chronischen Erkrankungen hinsichtlich ihrer eigenen Gesundheit? Fühlen sich Patient:innen bei Entscheidungen über ihre Versorgung einbezogen? Inwieweit schränken chronische Erkrankungen die Teilnahme an sozialen Aktivitäten ein? Wie variieren die Erfahrungen und Gesundheits-Outcomes von Menschen mit unterschiedlichem sozio-ökonomischem Hintergrund?

PREMs und PROMs

Patient-Reported Experience Measures (PREMs) und Patient-Reported Outcome Measures (PROMs) sind zwei essenzielle Säulen der PaRIS-Befragung. PREMs erheben die Erfahrung der Patient:innen mit der Behandlung, etwa die Interaktion zwischen Patient:innen und Gesundheitsfachpersonen. Beispielsweise könnte eine Patientin mit Diabetes ihre Erfahrung über die Aufklärung und die Einbeziehung in den Behandlungsplan bewerten. Patient-Reported Outcome Measures (PROMs) erfassen subjektive Behandlungsergebnisse bzw. den selbst erlebten Gesundheitszustand zu verschiedenen Zeitpunkten. Nehmen wir den Fall eines Patienten mit chronischen Rückenschmerzen: erlebt dieser nach einer Serie von Physiotherapiesitzungen eine signifikante Verbesserung seiner Mobilität und eine Reduktion der Schmerzen, dann spiegeln diese Ergebnisse die Effektivität der Behandlung wider. PROMs haben in den letzten Jahren verstärkt an Bedeutung gewonnen, da sie wichtige Einblicke in die Effektivität und Qualität der Behandlung bieten. Sie gehen über traditionelle klinische Indikatoren hinaus und ermöglichen so eine ganzheitliche Qualitätsbewertung.

Relevanz für Arztpraxen, Patient:innen und Gesundheitspolitik

Für Arztpraxen bietet die Befragung Einblicke in Patientenerfahrungen und -bedürfnisse und liefert wertvolle Anhaltspunkte für mögliche Qualitätsverbesserungen. Praxen können Indikatoren über verschiedene Patient:innengruppen hinweg vergleichen und ihre Resultate dem nationalen und internationalen Benchmark gegenüberstellen. Patient:innen profitieren, indem die Patientenzentrierung der Versorgung gestärkt wird. Insbesondere für Menschen mit chronischen Erkrankungen bietet sie die Möglichkeit, ihre spezifischen Bedürfnisse und Herausforderungen sichtbar zu machen. Die Ergebnisse können zudem zur Schärfung der nationalen Gesundheitsziele und der Ressourcenallokation dienen. Über die wichtige Rolle der hausärztlichen Grundversorgung herrscht Konsens – mit PaRIS können nun auch Aussagen zur Qualitätsförderung und zu ihrem Beitrag zur Erhaltung der Lebensqualität der Patient:innen gemacht werden.

Professionelle Durchführung, breite Unterstützung

PaRIS wird in der Schweiz im Auftrag der Eidgenössischen Qualitätskommission (EQK) von einem Konsortium durchgeführt: Der unisanté in Lausanne, der EQUAM Stiftung, dem Winterthurer Institut für Gesundheitsökonomie der ZHAW und dem Befragungsinstitut M.I.S. Trend. Die PaRIS-Befragung wird breit unterstützt, unter anderem von der Schweizerischen Patientenorganisation SPO, dem Dachverband der Schweizerischen Patientenstellen und dem Verband der Schweizer Haus- und Kinderärzte (mfe).

Ein Schritt hin zur datenbasierten, patientenzentrierten Gesundheitsversorgung

Die PaRIS-Befragung stellt eine einmalige Gelegenheit dar, die Grundversorgung in der Schweiz aus der Perspektive derjenigen zu analysieren, die sie am meisten betrifft: die Patient:innen. Die PaRIS-Befragung ist mehr als nur eine Umfrage; sie ist ein wichtiger Schritt in Richtung einer datenbasierten, patientenzentrierten Gesundheitsversorgung. Durch die Einbindung von PROMs und PREMs wird sie der Komplexität moderner Gesundheitssysteme gerecht und liefert eine solide Grundlage für evidenzbasierte Entscheidungen. Darüber hinaus bietet der internationale Vergleich die Möglichkeit, Stärken und Schwächen des schweizerischen Gesundheitssystems besser zu verstehen.

Mehr Informationen zu PaRIS finden sich hier: https://www.paris-sur.ch/

Marc Höglinger ist Leiter Versorgungsforschung am WIG und beschäftigt sich intensiv mit PROMs, Versorgungsqualität und Fragen des Zugangs zu adäquater Gesundheitsversorgung.

Joel Lehmann ist Geschäftsführer der EQUAM Stiftung wo er nebst der Qualität der ambulanten Gesundheitsversorgung auch die Durchführung und kontinuierliche Verbesserung von Patientenbefragungen in Arztpraxen unterstützt.


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