Wie bleiben Innovationen im Gesundheitswesen bezahlbar?

Quelle: Adobe Stock

Von Cassandra Waech

Die Hoffnung ist gross, mit Innovationen aus der Forschung die Herausforderungen im Gesundheitswesen bewältigen zu können. Beispielsweise können früher unheilbare Krebsarten heute dank medizinisch-technologischem Fortschritt gezielt therapiert werden. Die Entwicklung neuer Medikamente dauert jedoch oft mehrere Jahre und die Behandlungen von Krankheiten werden immer spezifischer, was beispielsweise extrem hohe Medikamentenpreise zur Folge hat. Innovation kann und soll aber nicht nur an finanziellen Faktoren gemessen werden. Eine kürzlich publizierte Studie von Avenir Suisse (2023) «Wann sind neue Medikamente zu teuer?» zeigt vielversprechende Möglichkeiten für einen beschleunigten und finanzierbaren Zugang zu hochpreisigen Medikamenten, welche die Komplexität für alle Beteiligten verringern.

Innovation – Versuch einer Definition

Viele Produkte schaffen den Weg von der Forschung auf den Markt nicht. Warum sind gewisse Innovationen erfolgreich und andere nicht?

Gemäss den Wirtschaftswissenschaftlern Jürgen Hauschildt und Soeren Salomo (2011) können Innovationen mittels eines Bezugssystems von fünf Dimensionen definiert werden:

  • inhaltliche Dimension: was ist neu?
  • subjektive Dimension: für wen ist etwas neu?
  • prozessuale Dimension: wo liegen Beginn und Ende der Neuerung?
  • normative Dimension: ist neu gleich erfolgreich?
  • Intensitätsdimension: wie neu ist das Neue?

Die verschiedenen Dimensionen zeigen, dass nicht allein das objektive Ausmass der Neuerung den Erfolg einer Innovation ausmacht. Vielmehr ist beispielsweise auch die subjektive Dimension zentral und welchen Wert eine Erneuerung und deren Implementierung den verschiedenen Stakeholdern bringt.  Die Studie von Avenir Suisse zeigt sehr schön, wie Werte für Kund:innen bzw. Patient:innen geschaffen (value proposition), und wie die Wertschöpfung im Gesamtsystem (value Network) zwischen Industrie und anderen Stakeholdern verteilt und optimiert wird.

Komplexität verringern

Die Studie liefert innovative Ideen, um im Spannungsfeld der Industrie, Regulierung und Patient:innen mittels neuen Finanzierungsansätzen den Zugang für die Patient:innen zu beschleunigen.

Aktuell verstreicht aufgrund langwieriger Verhandlungsprozesse oft viel wertvolle Zeit bis Patient:innen potentiell hilfreiche Medikamente erhalten. Bei seltenen Krankheiten oder neuen Behandlungsmethoden existieren vielfach keine vergleichbaren Alternativen. Wenn ein Medikament aber für einen anderen Behandlungszweck oder eine andere Krankheit zugelassen ist, kann eine Ausnahmebewilligung (Art. 71, KVV) beantragt werden. In den letzten Jahren haben solche Ausnahmebewilligungen stark zugenommen.

Die Publikation beschreibt ein Drei-Säulen-Modell, welches die Preisfestsetzung bei hochinnovativen Medikamenten neu regeln und damit gleichzeitig eine optimale Versorgung bringen soll:

  1. Klarer und schneller Mechanismus zur Preisfestsetzung: Übernahme eines vorläufigen Preises ab dem ersten Tag der Zulassung durch Swissmedic. Pharmahersteller und Behörden haben danach 365 Tage Zeit, den definitiven Preis auszuhandeln.
  2. Höhe des Preises: der Medikamentenpreis soll einerseits mögliche Einsparungen durch andere ersparte Therapien beinhalten und sich andererseits an einem finanziellen «Wert» von geretteten Lebensjahren bei guter Gesundheit orientieren.
  3. Dynamisches Kostenfolgemodell: eine Preisanpassung soll automatisch in Abhängigkeit des realisierten Umsatzes stattfinden (nach Reifegrad des Medikaments). Ab einem kumulierten Umsatz in der Schweiz zwischen 20 und 25 Millionen Franken würde eine Rückerstattung fällig. Der Preis könnte so schrittweise angepasst werden und Kostenauswirkungen auf das gesamte Gesundheitssystem reduziert werden.

Win-Win für alle?

Konkurrenzfähigkeit und Margen sind für die Pharmahersteller ebenso zentral wie faire Preise für die Krankenkassen und Patient:innen. Während sich die Industrie einen raschen und unkomplizierten Marktzutritt zu profitablen Preisen wünscht, müssen die Versicherer die Kostenfolgen für das Gesamtsystem im Zaun halten, um die Krankenkassenprämien zu schonen.

Am Wichtigsten jedoch ist die Frage: «Welche Bedürfnisse haben die Patient:innen?». Die Antwort ist klar: raschen Zugang zu lebensrettenden oder -verlängernden Medikamenten.

Innovationen sind unter anderem dann erfolgsversprechend, wenn sie dazu beitragen, Komplexität zu verringern und helfen, besser mit Unsicherheiten umzugehen. Die vorgeschlagenen Anpassungen erfüllen aus meiner Sicht diesen Anspruch und scheinen dafür zielführend zu sein.

Cassandra Waech, Studienleitung CAS Gesundheitsökonomische Evaluationen und HTA, Team Weiterbildung WIG.


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