Wie könnten Register für Vergütungsentscheide noch besser genutzt werden?

Von Michael Stucki

Die obligatorische Krankenpflegeversicherung (OKP) und die obligatorische Unfallversicherung (UV) vergüten im Falle von Krankheit und Unfall alle Leistungen, welche die Kriterien der Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit (WZW) erfüllen. Es ist allerdings nicht immer klar, ob eine Leistung diese Kriterien erfüllt. Manchmal werden dann Register ins Leben gerufen, um zusätzliche Daten zu den WZW- und weiteren Kriterien zu sammeln. Nach wenigen Jahren wird entschieden, ob die Leistung unbefristet auf den Leistungskatalog aufgenommen werden kann. Allerdings erfüllten diese Register bislang diese Erwartungen nicht immer. Im Auftrag des Swiss Medical Board (SMB) hat das WIG mit weiteren Forschern der ZHAW deshalb eine Studie durchgeführt, um die Gründe zu analysieren und Lösungswege aufzuzeigen.

In Gesundheitssystemen wie dem schweizerischen mit einer sozialen Kranken- und Unfallversicherung ist es wichtig, dass vergütete Leistungen einige Kriterien erfüllen. Sie sollten

  • wirksam sein (d.h. den Gesundheitszustand verbessern)
  • zweckmässig sein (d.h. für die einzelne Patientin oder den einzelnen Patienten die angemessene Behandlung darstellen)
  • wirtschaftlich sein (d.h. ein gutes Kosten-Nutzen-Verhältnis aufweisen)

Ausserdem sollten sie selbstverständlich sicher sein und keinen Schaden beim Patienten anrichten. Das Kriterium der Wirksamkeit wird meist mit randomisierten kontrollierten Studien (RCT) überprüft. Die weiteren Kriterien sind etwas schwieriger zu prüfen. Wenn eine Anspruchsgruppe im Gesundheitswesen (z.B. Versicherer oder Leistungserbringer) der Meinung ist, dass eine Leistung, z.B. eine bestimmte Operationstechnik, diese Kriterien nicht erfüllt, werden manchmal Register angeordnet. Diese sollen über eine kurze Laufzeit von wenigen Jahren zusätzliche Daten zum Einsatz und zu den Kosten sammeln und so eine definitive Entscheidung über die Vergütung ermöglichen. Ein ähnliches Vorgehen wird auch bei neuen und vielversprechenden Medikamenten angewendet, die trotz fehlender Studien bereits befristet auf den Leistungskatalog (die sogenannte Spezialitätenliste) aufgenommen werden.

Das WIG hat zusammen mit dem Zentrum für Sozialrecht der ZHAW kürzlich einen Bericht verfasst und darin untersucht, warum diese Register nicht immer die Evidenz liefern konnten, die benötigt worden wäre. Ausserdem haben wir uns mit den gesetzlichen Rahmenbedingungen solcher Register auseinandergesetzt. Dazu haben wir 14 semi-strukturierte Interviews geführt und die Literatur sowie die relevanten Gesetzestexte analysiert.

Ein besonderes Augenmerk galt den Leistungen der UV. Registerpflichten werden in diesen Fällen nicht vom Bundesamt für Gesundheit, sondern vom Verein Medizinal-Tarifkommission (MTK) erlassen bzw. empfohlen. Allerdings haben wir im Rahmen der Studie festgehalten, dass – im Gegensatz zur Krankenversicherung – in der UV keine explizite gesetzliche Grundlage besteht, damit die Versicherer oder die MTK einseitig eine selbständig durchsetzbare Registerpflicht gegenüber Leistungserbringern erwirken können. Offen ist, ob die Versicherer gestützt auf das Naturalleistungsprinzip im Einzelfall die Teilnahme an einem Register zu allgemeinen Evaluationszwecken zur Voraussetzung für eine Leistungsvergütung machen könnten.

Die folgende Abbildung gibt einen Überblick über die wichtigsten Herausforderungen, die in den Interviews erwähnt wurden.

Abbildung: Herausforderungen beim Einsatz von Registern für Vergütungsentscheidungen

Grundsätzlich können Register für Vergütungsentscheidungen ein sinnvolles Instrument sein, um bestehende Evidenzlücken zu schliessen und den Patientinnen und Patienten gleichzeitig einen Zugang zu vielversprechenden Leistungen zu ermöglichen. Solche Register sind aber mit einem bedeutenden zeitlichen und finanziellen Aufwand verbunden.

Lösungen für die genannten Herausforderungen könnten beispielsweise bei den folgenden zwei Bereichen ansetzen:

  1. Definition von umsetzbaren und realistischen Zielen und Fragestellungen unter verstärktem Einbezug aller Anspruchsgruppen (Hersteller, Versicherer, Leistungserbringer)
  2. (Tarif-)Vertragliche oder gesetzliche Regelung zu Organisation und Betrieb des Registers (zwecks Verbesserung der Verbindlichkeit der Registerführung)

Diese und weitere Handlungsoptionen wurden nach Abschluss der Studie mit mehreren Vertretern der involvierten Anspruchsgruppen im Rahmen eines Stakeholder-Dialogs diskutiert.

Die detaillierten Ergebnisse sind im online verfügbaren Bericht nachzulesen.

Michael Stucki ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Team Gesundheitsökonomische Forschung am WIG.

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