Ist die Implantation einer Schulterprothese in der Schweiz kostenwirksam?

Quelle: Colourbox.de

Von Cécile Grobet

Dass die grosse Mehrheit der Patientinnen und Patienten nach einer Schulterprothesenimplantation einen grossen Gewinn an Lebensqualität haben, ist seit längerem bekannt. Wie das Kosten-Nutzen-Verhältnis aus Sicht der Kostenträger des Gesundheitswesens und der Gesellschaft aussieht, hat in der Schweiz bisher noch niemand untersucht. Diese Fragestellung wurde nun erstmals anhand «echter» Daten (keine Modellierung) im Rahmen dieser preisgekrönten Studie beantwortet.

Interdisziplinäres Forschungsteam

Aufgrund steigender Gesundheitskosten und Krankenkassenprämien ist eine nachgewiesene Kostenwirksamkeit in letzter Zeit immer wichtiger geworden. Ein Forschungs- und Ärzteteam der Schulthess Klinik ist deshalb zusammen mit dem Winterthurer Institut für Gesundheitsökonomie sowie 16 grossen Krankenversicherern der Schweiz der Frage nachgegangen, ob die Implantation einer Schulterprothese in der Schweiz kostenwirksam ist, das heisst, ob die Kosten für die Operation in einem angemessenen Verhältnis zum Nutzen für die Patientinnen und Patienten stehen.

Von 2013 bis 2016 wurden 150 Patientinnen und Patienten mit Schulterarthrose und/oder Rotatorenmanschetten-Arthropathie, die an der Schulthess Klinik eine Schulterprothese erhielten, in die Studie eingeschlossen. Die Studienpatienten und -patientinnen wurden zweimal vor der Operation und bis zwei Jahre nach der Operation zu ihrer Lebensqualität und Schulterfunktion befragt. Gleichzeitig stellten uns die beteiligten Krankenversicherer die Kostendaten für den Studienzeitraum zur Verfügung.

Die vor der Operation erhobenen Daten dienten uns als Quelle für die nicht-operative Kontrollgruppe. Wir nahmen an, dass die Lebensqualität und die Kosten für nicht operierte Patienten über die Zeit gleichbleiben würden. Das ist ein eher optimistisches Szenario, vor allem weil Arthrose irreversible Zerstörungen der Gelenksflächen mit sich bringt. Konservative Behandlungen können diesen Prozess hinauszögern, nicht aber verhindern. Trotzdem könnten einige Patienten von der nicht-operativen Behandlung wie Physiotherapie, Spritzen ins Gelenk oder Schmerzmitteleinnahme profitieren. Andere wiederum akzeptieren ihre Schulterbeschwerden und passen sich an, um eine Operation zu vermeiden. Deshalb denken wir, dass eine im Durchschnitt konstant bleibende Lebensqualität und konstant bleibende Kosten angebrachte Annahmen für die nicht-operative Behandlung sind.

Beachtlicher Gewinn an Lebensqualität und gutes Kosten-Nutzen-Verhältnis

Die Ergebnisse zeigten, dass die Lebensqualität der Patientinnen und Patienten bereits drei Monate nach der Operation von 0.67 auf 0.85 stark anstieg und von da an bis zwei Jahre nach der Operation stabil auf einem hohen Niveau von 0.88 blieb (Abbildung 1).

Abbildung 1: Verlauf der durchschnittlichen Lebensqualität (Skala von 0 bis 1, 1 = beste Lebensqualität). Die gestrichelte Linie zeigt unsere Annahme für die nicht-operative Behandlung, nämlich dass die Lebensqualität ohne Operation über die Zeit konstant so bleibt, wie wir sie vor der Operation gemessen haben.

Die direkten medizinischen Kosten stiegen im ersten Jahr nach der Operation um 22’400 CHF und sanken im zweiten Jahr nach der Operation wieder auf das präoperative Niveau. Teilt man die durch die Operation angefallenen Zusatzkosten durch die zusätzlich gewonnene Lebensqualität, erhält man das Kosten-Nutzen-Verhältnis. Das Kosten-Nutzen-Verhältnis zwei Jahre nach Schulterprothesenimplantation im Vergleich zur nicht-operativen Behandlung lag bei 63’299 CHF/QALY (QALY = qualitätsbereinigtes Lebensjahr). Dieses Kosten-Nutzen-Verhältnis liegt deutlich unter der in der Literatur oft genannten Schwelle für Kosten-Wirksamkeit von 100’000 CHF/QALY.

Einbezug der Produktivitätsverluste

Von den 150 Patientinnen und Patienten (Durchschnittsalter 71 Jahre, 43-88 Jahre) waren 31 arbeitstätig. Zwölf von ihnen mussten ihre Arbeit aufgrund der Schulterbeschwerden vor der Operation reduzieren und davon waren sechs 100% krankgeschrieben. 28 Patienten kehrten an ihren Arbeitsplatz zurück, wobei die Hälfte der Patienten schon während der ersten drei Monate zur Arbeit zurückkehren konnte. Rechnet man diese Produktivitätsverluste in die Gesamtkosten mit ein, ergibt dies ein noch günstigeres Kosten-Nutzen-Verhältnis von 35’549 CHF/QALY. Betrachtet man nur die arbeitstätigen Patienten, so wirkt sich die Operation im Vergleich zur nicht-operativen Behandlung sogar kostensparend aus.

Preisgekrönte Studie

Im Bereich der Orthopädie gibt es in der Schweiz bisher nur sehr wenige Untersuchungen, die mit realen Daten das Kosten-Nutzen-Verhältnis berechnet haben. Das Interesse an den Ergebnissen dieser Studie war daher gross. Am Jahreskongress der Schweizerischen Gesellschaft der Orthopädie und Traumatologie (SGOT) 2019 wurde die Studie mit dem Maurice E. Müller Preis für das beste klinische Paper ausgezeichnet und von der Deutschen Gesellschaft für Schulter und Ellenbogenchirurgie (DVSE) erhielt sie an der Jahrestagung 2019 den «best paper»-Preis.

Dank an die Versicherer und Unterstützer

Wir danken der Mäxi-Stiftung, der Spendenstiftung Bank Vontobel und dem Netzwerk Gesundheitsökonomie Winterthur für die finanzielle Unterstützung und den beteiligten Versicherern für die Bereitstellung der Kostendaten: Aquilana, Assura, Atupri, AXA Winterthur, Baloise, Concordia, CSS, Groupe Mutuel, Helsana, KPT, ÖKK, Sanitas, SUVA, SWICA, Visana und Zürich Versicherung.

Die vollständigen und umfassenden Ergebnisse und Erkenntnisse der Studie wurden in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift «Journal of Elbow and Shoulder Surgery» veröffentlicht. Hier geht es direkt zur Publikation.

Cécile Grobet ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin der Fachstelle HTA und gesundheitsökonomische Evaluationen am WIG.


1 Kommentar

  • Ich habe die Schulter noch bei Dr. Simmen operiert und bin heute noch sehr zufrieden das war eine super Qualität vom Arzt ist mittlerweile ca.10 Jahre her auch die Nachbehandlung war auf höchstem Niveau.


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