Es gibt nichts Gutes, ausser man tut es – Die Rolle freiwillig Engagierter in unserer Gesundheitsversorgung

Quelle: Colourbox

Von Eva Hollenstein

Sie begrüssen uns freundlich am Spitaleingang und weisen uns den Weg zur gesuchten Klinik, sorgen für Abwechslung bei Besuchen im Alters- und Pflegeheim oder halten Wache, wenn Angehörige einer schwer erkrankten Person eine kurze Verschnaufpause benötigen. Freiwillig engagierte Menschen sind ein wichtiger, jedoch bisher wenig erforschter Pfeiler innerhalb unserer Gesundheitsversorgung.

Obwohl Freiwilligeneinsätze häufig eigenverantwortlich und nicht unmittelbar in Anwesenheit von Fachpersonen geleistet werden, sind Freiwillige immer Teil eines interprofessionellen Netzwerks aus verschiedenen Fachpersonen, Patientinnen und Patienten und deren Angehörigen.

Welche Rollen und Aufgaben übernehmen Freiwillige innerhalb dieser verschiedenen interprofessionellen Netzwerke? Wie kann die interprofessionelle Zusammenarbeit (IPZ) sinnvoll gestaltet werden, damit alle Beteiligten davon profitieren und gleichzeitig die Qualität der Versorgung sichergestellt ist?

Diese Fragen standen im Fokus einer kürzlich erschienenen Studie des Center for Philanthropy Studies (CEPS) der Universität Basel und des Winterthurer Instituts für Gesundheitsökonomie (WIG).

Im Rahmen des Forschungsprojekts wurden in einem multi-methodischen Ansatz qualitative und quantitative Elemente verbunden. Dazu zählten beispielsweise die Auswertung öffentlich zugänglicher Daten zu Stellenausschreibungen für Freiwillige, fragebogengestützte Umfragen bei Freiwilligen und Institutionen sowie eine qualitativ-empirische Detailanalyse. Methodische Klammer bildete eine Delphi-ExpertInnengruppe, die zu den jeweiligen Erkenntnisständen wiederholt zur Diskussion eingeladen wurde.

Zeit haben, zuhören und einfach «Da-sein» als wertvolle Ergänzungen

Die Studienergebnisse zeigen deutlich, dass Freiwillige innerhalb der Gesundheitsversorgung insbesondere dann eine wertvolle Ergänzung bieten, wenn Zeit gefragt ist. Zeit für Tätigkeiten, die im oftmals hektischen (pflegerischen) Alltag untergehen. Sie führen Gespräche am Spitalbett, begleiten in ihrer Mobilität eingeschränkte Menschen zum Arzt oder organisieren Freizeitaktivitäten. Durch diese vermeintlich simplen Tätigkeiten bilden Freiwillige oft eine wichtige emotionale Stütze für Patientinnen und Patienten und tragen zur Entlastung des Pflegepersonals bei. Insbesondere in der Palliative Care sind Freiwillige ein fester Bestandteil des Betreuungsnetzwerks. So halten sie häufig nachts Sitzwache, um beispielsweise bei einer Veränderung des Allgemeinzustands zu handeln oder die Angehörigen zu wecken.

Worauf ist bei der Einbindung Freiwilliger zu achten?

Um von den oben genannten positiven Effekten zu profitieren, bedarf es einer gezielten und sorgfältigen Einbindung freiwillig Engagierter. Und das kostet. Freiwilligenarbeit ist nicht gratis, das geht aus der Befragung der Institutionen deutlich hervor. Der Koordinationsaufwand sowie die Rekrutierung der Freiwilligen werden als aufwändig und komplex beschrieben. Zwar verfügen drei Viertel der Institutionen über eine Koordinationsstelle, die vorgesehenen Zeitpensen für diese Stellen bewegen sich im Durchschnitt allerdings auf einem eher tiefen Niveau.

Die Studienergebnisse zeigen unter anderem, dass sich eine mangelhafte Koordination und fehlende Standards in undefinierten Rollenverteilungen und damit verbundenen Unsicherheiten im Aufgaben- und Kompetenzbereich auswirken. Eine klare Rollenverteilung zwischen Fachpersonal und Freiwilligen dient nicht zuletzt dem Schutz der Engagierten: So werden einerseits die Grenzen ihres Engagementsund ihr Kompetenzbereich klar aufgezeigt, andererseits sind sie vor einem möglichen «Ausbrennen» durch einen übermässig intensiven Einsatz geschützt. Gleichzeitig wird vermieden, dass seitens der Patientinnen und Patienten und ihren Angehörigen überhöhte Erwartungen an die Rolle der Freiwilligen entstehen. Aus Sicht der Mitarbeitenden wird sichergestellt, dass Freiwillige nicht als Bedrohung wahrgenommen werden, z.B. indem ihre Arbeit kostengünstig auf Freiwillige übertragen wird. Rollenklarheit kann beispielsweise mittels Arbeitsbeschrieben oder Checklisten erreicht werden. Im Optimalfall werden solche Rollendefinitionen im Beisein von Angehörigen besprochen, um zu gewährleisten, dass alle Beteiligten über dieselben Informationen verfügen.

Freiwilligenarbeit – Quo Vadis?

Das gestiegene Interesse an der Erforschung der Freiwilligenarbeit innerhalb der IPZ seitens der Wissenschaft und Politik weist darauf hin, dass dem freiwilligen Engagement auch in Zukunft eine hohe Relevanz zugesprochen wird. Bereits heute sind bestimmte Betreuungs- und Unterstützungsaktivitäten (wie z.B. in der Palliative Care) ohne ihren Einsatz kaum denkbar. Die demografische Entwicklung führt zu einem immer grösseren Anteil älterer Menschen, die auf Unterstützung im Alltag angewiesen sind. Eine professionell gestaltete Einbindung Freiwilliger in interprofessionelle Netzwerke unterstützt Organisationen dabei, diesen Bedarf zukünftig zu decken und für kommende Aufgaben noch besser gerüstet zu sein.

Das WIG hat durch drei Evaluationsprojekte im Förderprogramm Interprofessionalität des Bundesamts für Gesundheit seinen Forschungsschwerpunkt im Bereich der IPZ vertieft und bietet Forschungsexpertise in unterschiedlichen Themenschwerpunkten (siehe auch Blog-Beiträge vom 11.04.2019 und 21.03.2019). Sie interessierten sich für das Thema und möchten mehr über gelingende erfolgreiche IPZ erfahren? In unserem CAS Koordinierte Versorgung im Gesundheitswesen wird die gelingende IPZ als ein zentrales Thema behandelt.

Eva Hollenstein ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Team Management im Gesundheitswesen am WIG.


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