Value-based Pricing am Beispiel eines Covid-19-Medikaments

Quelle: Colourbox

Von Renato Mattli

In einem offenen Brief hat der CEO von Gilead Sciences Ende Juni den Preis des Covid-19-Medikaments Remdesivir bekannt gegeben: US$ 390 pro Infusion. Was kann zu diesem Preis aus gesundheitsökonomischer Sicht gesagt werden?

Welche Faktoren bestimmen den Preis eines Medikaments?

In vielen Branchen bestimmen die Kosten weitgehend den Preis. Bei den patentgeschützten Medikamenten spielt dieser Aspekt jedoch eine untergeordnete Rolle. Der Preis von solchen Medikamenten wird in vielen Ländern hauptsächlich durch das Kosten-Nutzen-Verhältnis im Vergleich zur aktuellen Standardbehandlung sowie den Budget Impact (Gesamtkostenrechnung unter Berücksichtigung der Patientenpopulation) bestimmt. Dabei kann der Nutzen beispielsweise die Verlängerung der Lebenszeit oder die Erhöhung der Lebensqualität sein. Aus gesellschaftlicher Perspektive ist ein möglicher Nutzen auch, dass die Leute wieder schneller zurück zur Arbeit können und somit Produktionsverluste verhindert werden. In der Schweiz wird der Medikamentenpreis primär durch den Auslandpreisvergleich festgelegt und das Kosten-Nutzen-Verhältnis spielt nur eine indirekte Rolle.

Was heisst das nun übertragen auf den Preis von Remdesivir?

Im offenen Brief schreibt der CEO von Gilead Sciences, dass durch das Medikament Remdesivir die Patienten vier Tage weniger lang im Spital bleiben. In den USA entspricht diese verkürzte Aufenthaltsdauer von vier Tagen Kosteneinsparungen von etwa US$ 12’000. Bei der Behandlung mit Remdesivir werden pro Patient sechs Infusionen benötigt. Bei einem Preis von US$ 390 pro Infusion entspricht dies insgesamt Kosten von US$ 2’340. Verrechnet man diese Medikamentenkosten mit den Kosteneinsparungen aufgrund des kürzeren Spitalaufenthalts, resultieren immer noch Einsparungen von knapp US$ 10’000.

Somit ist die Behandlung mit Remdesivir zum festgesetzten Preis kostensparend. Zudem sind bei dieser Überlegung weitere Aspekte des Nutzens für die Patienten und die gesamte Gesellschaft noch nicht berücksichtigt. Folglich ist dieser Preis von Remdesivir aus gesundheitsökonomischer Sicht eher tief. So lässt sich vermuten, dass beim Pricing von Medikamenten weitere Überlegungen als rein gesundheitsökonomische eine Rolle spielen, politische Aspekte zum Beispiel. In der aktuellen Pandemie wollte Gilead Sciences sehr wahrscheinlich verhindern, negativ in der Öffentlichkeit wahrgenommen zu werden. Denn in Vergangenheit wurden der Firma zu hohe Preise vorgeworfen, so zum Beispiel beim Hepatitis C-Medikament Sofosbuvir. Das Image, welches eine Firma ausstrahlen möchte, kann also ebenfalls die Pricing-Strategie beeinflussen.

Was bedeutet der Preis für zukünftige Medikamente?

Der kostensparende Preis von Remdesivir könnte den Druck auf zukünftige Covid-19-Medikamentenpreise durchaus noch weiter erhöhen. Auch wenn die Gesundheitskosten ein zentrales Thema in der Schweiz sind, darf man nicht an jede Innovation den Anspruch stellen, dass sie kostensenkend ist. Denn es darf davon ausgegangen werden, dass die Schweizer Bevölkerung bereit ist etwas für gewonnene Lebensjahre und Lebensqualität zu zahlen.

Disclaimer: Das WIG hat im Auftrag von Gilead Sciences die Kosten-Wirksamkeit von Remdesivir für die Schweiz untersucht.

Renato Mattli ist Leiter HTA und Gesundheitsökonomische Evaluationen am WIG.


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