Was macht Corona mit unseren Gesundheitskosten?

Quelle: Colourbox

Von Michael Stucki

Es scheint paradox: Wir haben eine Gesundheitskrise und die Gesundheitskosten steigen in diesem Jahr trotzdem kaum an. Dem grossen Mehraufwand für die Behandlung von schwererkrankten Covid-19-Patienten in den Spitälern stehen massive Rückgänge bei der Beanspruchung sonstiger medizinischer Behandlungen entgegen. Darauf deuten die Resultate des Covid-19 Social Monitors des WIG sowie die Meldungen über Kurzarbeit in den Spitälern hin. Was ist aber für 2021 zu erwarten? Haben wir steigende Krankenkassenprämien zu befürchten?

Aufgeschoben ist nicht aufgehoben – oder doch?

Angesichts der momentanen Krise stellt sich die Frage, wie sich die Gesundheitskosten in diesem Jahr und darüber hinaus entwickeln werden. Die Behandlung von Covid-19-Patienten und die vielen Tests auf das Corona-Virus bringen hohe Kosten mit sich. Gleichzeitig durften aufgrund des bundesrätlichen Verbots nicht-zwingender Operationen zwischen dem 16. März und dem 27. April viele Eingriffe nicht durchgeführt werden, was die Gesundheitskosten (kurzfristig) weniger stark ansteigen liess als erwartet. Auch bei ambulanten Leistungserbringern wurden viele Behandlungen nicht durchgeführt, entweder weil die Patientin oder der Patient den Termin nicht wahrnehmen wollte oder weil die Ärztin oder der Physiotherapeut ihn verschoben hat. Ob und wann diese Leistungen nachgeholt werden, lässt sich derzeit nicht zuverlässig beurteilen.

Wie die NZZ letzte Woche berichtet hat, sind die Spitäler noch Wochen nach Aufhebung des Operationsverbots nicht gleich ausgelastet wie vor der Krise. Da zumindest ein Teil der Leistungen auch mittelfristig wegfallen dürfte, ist für 2020 kaum mit einem Anstieg der Gesundheitskosten zu rechnen. Längerfristig sind jedoch die Auswirkungen von nicht-bezogenen Leistungen auf die Gesundheit nicht zu unterschätzen. Eine kurzfristige Nicht-Verursachung von Kosten kann möglicherweise langfristige gesundheitliche Konsequenzen haben.

Mehrkosten könnten von Krankenkassen aufgefangen werden

Als Bürger interessiert uns die Entwicklung der Gesundheitskosten vor allem dann, wenn sie zu einem – in den letzten Jahren üblichen – Anstieg der Prämien für die obligatorische Krankenversicherung führt. Um die Auswirkungen der Pandemie auf die Prämien zu beurteilen, muss man sich den Prozess der Prämienfestsetzung genauer anschauen. Die im laufenden Jahr bezahlten Prämien werden für die Deckung der Kosten im laufenden Jahr verwendet. Das heisst, dass unvorhergesehene Mehrkosten durch die Reserven der Krankenkassen gedeckt werden müssten – und diese Töpfe sind gut gefüllt. Selbst wenn die Kosten 2020 über den Erwartungen liegen würden, gäbe es also bei den Prämien im nächsten Jahr keinen «Corona-Aufschlag» rückwirkend für 2020, weil die Prämien für 2021 (die übrigens bereits in den nächsten Wochen festgelegt und vom Bundesamt für Gesundheit bewilligt werden) nur die erwarteten Kosten für 2021 decken sollen. Es ist derzeit nicht klar, ob die Krankenkassen wegen Corona im nächsten Jahr höhere Kosten erwarten und, falls ja, ob dies höhere Prämien mit sich bringen würde. Die Behandlungskosten für Covid-19 fallen überwiegend im stationären Bereich an, wo die Krankenkassen nur 45% der Kosten übernehmen müssen. Es ist also unter dem Strich wohl kaum mit einem Anstieg der Kosten zu Lasten der Versicherer zu rechnen und das Prämienwachstum dürfte sich im üblichen Rahmen bewegen.

Eine weitaus grössere Last müssen voraussichtlich die Kantone tragen. Über gemeinwirtschaftliche Leistungen finanzieren sie die zusätzlichen Schutzmassnahmen für Patienten, Personal und Besucher in den Spitälern und über den Kantonsanteil von 55% einen bedeutenden Teil der stationären Behandlungskosten von Covid-19-Patienten. Die Finanzlage in einigen Spitälern dürfte sehr bedrohlich werden, fallen doch viele Erträge aufgrund nicht durchgeführter Operationen weg und die Deckung der Mehraufwände ist nicht endgültig geklärt. Wer soll für die zu erwartenden Verluste aufkommen? Der Bund als Verantwortlicher des Lockdowns und des Operationsverbots? Die Kantone als Eigentümer von öffentlichen Spitälern? Oder gar die Krankenkassen, die dann doch die überschüssigen Reserven anzapfen müssten?

Indirekte Kosten sind erheblich

Ein Corona-bedingter starker Anstieg der Gesundheitskosten ist also nicht zu erwarten. Stattdessen zeichnen sich weitere Kosten ab, die mehr Beachtung verdienen: Die nebst den direkten medizinischen Kosten zu erwartenden indirekten Kosten aufgrund von Produktionsverlusten wegen Corona werden 2020 in die Höhe schnellen. Durch eine Erkrankung, eine möglicherweise verordnete Quarantäne, die Betreuung von Schulkindern oder durch einen kompletten oder teilweisen Arbeitsausfall wegen der Lockdown-Massnahmen wurden viele Arbeitsstunden nicht geleistet. Dies führt zu enormen gesellschaftlichen Kosten, die die medizinischen um ein Vielfaches überschreiten. Wir werden in einem künftigen Blog-Beitrag darauf eingehen.

Michael Stucki ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Fachstelle Gesundheitsökonomische Forschung am WIG.


1 Kommentar

  • Ich bin da sehr gespannt wie sich alles entwickelt! Bisher wurden sehr viele elektive Eingriffe
    nicht gemacht und des zeichnet sich auch nicht ab, dass diese so schnell nachgeholt werden.
    Die Versicherer haben auf jeden Fall weniger für das 2020 zu zahlen. Ich bin aber auch sehr gespannt wie es sich bei den Kantonen auswirken wird. Auch da entfallen viele Leistungen im Jahr 2020, trotz den Zusatzaufwendungen für Corona.


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