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Von Tim Brand und Renato Farcher

Lassen Sie uns ein Spiel spielen! Wenn Sie beim nächsten Mal in eine Apotheke gehen, versuchen Sie herauszufinden, wie sich diese Apotheke von anderen unterscheidet. Doch was für Sie eine kleine Gedankenübung ist, kann für die Apotheke darüber entscheiden, ob sie sich im Markt behaupten kann oder nicht.

Ende 2017 wurden in der Schweiz etwa 1’800 Apotheken gezählt. Trotz Bevölkerungswachstum nimmt die Anzahl der Apotheken pro 100’000 Einwohner kontinuierlich ab. Gab es im Jahr 2007 noch 22.4 Apotheken pro 100’000 Einwohner, so waren es 2017 noch 21.2 Apotheken. Wie im Gesundheitsmarkt üblich, ist auch der Apothekenmarkt durch Regulierung und Wettbewerb gekennzeichnet und der unternehmerische Freiraum begrenzt. So obliegen zum Beispiel die Abgabepreise von kassenpflichtigen Medikamenten nicht der freien Preisgestaltung, sondern werden vom Bund festgelegt. Während die Betriebskosten und Löhne steigen, schmälern Preissenkungen des Bundes den Erlös, welcher zur Deckung der Betriebskosten aber auch für Re-Investition in Infrastruktur, Software oder Fortbildung notwendig ist. Vom Bundesrat geplante Eingriffe in die zusätzliche Vergütung, welche die Deckung von u.a. Logistik, Zinsen und Personalkosten der Apotheke sicherstellen soll, stellen eine weitere Herausforderung dar. Darüber hinaus setzen branchenfremde Akteure, wachsendes E-Commerce und selbstdispensierende Ärzte die Apotheken zusätzlich unter Druck. Dieser intensive Wettbewerb fordert strukturelle Veränderung und verdrängt nach der darwinistischen Doktrin «Survival of the fittest» anpassungsschwache Apotheken vom Markt. Gemäss pharmaSuisse sind bereits heute ein Fünftel der Apotheken aufgrund ihres geringen Gewinns in einer wirtschaftlich schwierigen Lage.

Drei generische Strategien ermöglichen einen Wettbewerbsvorteil

Michael E. Porter beschreibt in diesem Zusammenhang drei generische Strategien, die in Frage kommen, um sich als Unternehmen im Markt einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen: Die Kostenführerschaft, die Qualitätsführerschaft und die Fokussierung. Diese unterscheiden sich nach der Art des Wettbewerbsvorteils und der Breite des Kundensegments (siehe Abbildung 1).


Abbildung 1: Generische Strategien nach Michael E. Porter.

Die Kostenführerschaft beschreibt den Wettbewerbsvorteil, im Vergleich zu der Konkurrenz besonders niedrige Kosten zu haben. Dies kann die Voraussetzung für besonders niedrige Preise für den Endkunden sein. Im Apothekenmarkt ist die Strategie der Kostenführerschaft jedoch nur bedingt möglich, da der Markt stark reguliert ist und Apotheken meist fertige Produkte der selben Hersteller oder Grosshändler beziehen. Zwar können besonders Apothekenketten bei Grosshändlern Rabatte erzielen, jedoch können Apotheken die Preise ihrer Medikamente nur selbst festlegen, wenn diese nicht kassenpflichtig sind. So ist die Weitergabe von Kosteneinsparungen an den Kunden nur bedingt möglich.

Mehr Spielraum bieten dagegen die beiden anderen Strategien. Schaut man sich verschiedene Apotheken an, so wird deutlich, wie diese versuchen, sich von Ihren Mitbewerbern durch Qualität oder ein spezielles Produktangebot abzugrenzen.

Die Qualitätsführerschaft beschreibt beispielsweise die Abgrenzung von der Konkurrenz durch besondere Produkt- oder Dienstleistungsqualitäten oder aber ein besonderes Ladenkonzept. Im Bereich der Apotheken lassen sich viele Ausprägungen dieser Strategie finden. Beispielsweise haben sich Apotheken an zentralen Punkten wie Bahnhöfen durch einen besonders guten Zugang oder effiziente Services mit Terminals und Abholschaltern von den übrigen Anbietern abgegrenzt. Dabei geht es vor allem darum, die überwiegende Laufkundschaft schnell und oft auch zu Randzeiten zu bedienen. Eine weitere Möglichkeit ist die Ausrichtung auf Touristen mit fremdsprachigem Personal und Informationsmaterialien.

Im Gegensatz dazu können sich Apotheken stärker auf ihre Stammkundschaft ausrichten. Dies ist besonders dann sinnvoll, wenn der Standort dezentral, z.B. in einem Wohnviertel ist. Ein besonderes Augenmerk auf die Kundenberatung und den zwischenmenschlichen Kontakt dient dann der Kundenbindung. Auch die Gestaltung des Ladenlokals kann diese Strategien unterstützen. Zum Beispiel durch den gezielten Verzicht auf Regalbeschilderungen, der das Bedürfnis des Kunden einer persönlichen Beratung erhöht.

Die Strategie der Fokussierung bezieht sich in erster Linie auf das Angebot von spezifischen Produkten und Dienstleistungen für ein kleineres Kundensegment. Auch diese Strategie lässt sich in vielen Apotheken in verschiedenen Ausprägungen beobachten. Dabei werden teilweise eigene Produkte wie Kosmetika angeboten, die der Kunde so oft nur hier erwerben kann. Auch die Spezialisierung auf Komplementärmedizin wie traditionelle chinesische Medizin, Tees oder Blutegel stellen Ausprägungen dieser Strategie dar. Zudem dürfen Apotheken mit der Revision des Heilmittelgesetzes seit einiger Zeit auch Impfungen anbieten, welche damit nicht mehr nur durch Ärzte durchgeführt werden dürfen. Eine andere Ausrichtung besteht im Angebot von Dienstleistungen durch Kosmetiker, Therapeuten oder Optiker, die in das Apothekengeschäft eingebunden werden. Auch Infoveranstaltungen können dazu dienen, sich von anderen Anbietern abzugrenzen und neue Kunden zu gewinnen. 

Häufig werden die genannten Strategien durch ein Marketing-Konzept unterstützt, welches das individuelle Angebot breit in der Region kommuniziert. Vor allem durch Qualitätsführerschaft und Fokussierung gelingt es Apotheken also, auch in einem Markt mit hohem Konkurrenzdruck zu bestehen. Achten Sie doch beim nächsten Apothekenbesuch mal darauf, welche Strategien sie in dieser Apotheke wiedererkennen.

Tim Brand ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Fachstelle Management im Gesundheitswesen am WIG.

Renato Farcher ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Fachstelle HTA und Gesundheitsökonomische Evaluationen am WIG.

Schlagwörter: Renato Farcher, Tim Brand

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