Nach dem Spital ins Pflegeheim: Muss nicht sein!

Von Flurina Meier

Nach einem Aufenthalt im Spital treten viele SeniorInnen dauerhaft in ein Alters- und Pflegeheim ein. Wir haben ein Versorgungsmodell untersucht, welches dies vermeiden soll – zumindest bei Personen, die noch ein ausreichendes Rehabilitationspotential haben. Unser Vorher-Nachher-Vergleich aller Patienten, die nach einem Spitalaufenthalt in ein Pflegeheim eintraten und davor zu Hause lebten, hat gezeigt: Ein Drittel der Patienten im neuen Modell konnte – trotz höherer Pflegebedürftigkeit beim Eintritt – wieder nach Hause zurückkehren und das sogar bei gleichen Kosten. Das sind doppelt so viele Personen wie im herkömmlichen Versorgungsmodell. Damit wurden rund 14% der langfristigen Eintritte ins Pflegeheim vermieden. Wie war dies möglich?

Das Modell

Das untersuchte Modell sah wie folgt aus: Unmittelbar nach dem Spitalaustritt erfolgte eine Standortbestimmung. Falls ein Rehabilitationspotential bestand, wurden die Patienten einer spezialisierten Medizin-Reha-Abteilung (mit Casemanagement, Geriatrieärztin, Ergotherapie, Logopädie und aktivierende Pflege) in einem Pflegeheim der Thurvita AG in Wil St.Gallen für maximal 12 Wochen versorgt.

Das neue Modell «Thurvita Care» wurde 2015 eingeführt. Wir untersuchten alle über 65-jährigen Patienten, die innerhalb von zwei Beobachtungsjahren nach einem Spitaleintritt bei Thurvita eintraten (allgemeine Abteilung oder «Thurvita Care») und davor zu Hause lebten. So verglichen wir 192 Personen aus den Jahren 2016/2017 mit 77 Patienten aus der herkömmlichen Versorgung in den Jahren 2013/2014.

Mehr Leute nach Hause bei gleichen Kosten

Die Evaluation zeigte, dass mit der neuen Versorgung ein Drittel der Patienten wieder nach Hause zurückkehren konnte. In der herkömmlichen Versorgung waren dies 17%. Ein Drittel an Heimkehrern mag gering erscheinen, aber stellen Sie sich vor, Sie wären unmittelbar betroffen. Für die Patienten, die nach dem Spitalaufenthalt wieder nach Hause zurückkehren können, ist dies eine erfreuliche Nachricht.

Auch für die Gesellschaft als Ganzes bringt die Studie ein positives Ergebnis. Denn die neue Versorgung kommt, statistisch gesehen, keinen der Finanzierer teurer zu stehen. Wir haben die Pflegekosten, die Betreuungskosten und die Lebenshaltungskosten verglichen. Diese unterscheiden sich statistisch nicht zwischen dem neuen Modell (CHF 27’308) und der herkömmlichen Versorgung (CHF 27’456). Diese Aussage ändert sich auch nicht, wenn man Umverteilungsmechanismen – in unserem Fall Ergänzungsleistungen und Hilflosenentschädigung – berücksichtigt.

Die stationären Gesamtkosten pro Tag waren im neuen Modell höher (CHF 327 vs. CHF 252). Dies lag an der höheren Pflegebedürftigkeit der Patienten im neuen Modell und an einer spezifischen «Thurvita-Care»-Pauschale. Die höheren stationären Kosten pro Tag konnten jedoch durch eine kürzere stationäre Aufenthaltszeit kompensiert werden. Nicht berücksichtigt haben wir die indirekten und intangiblen Kosten. Das heisst, wir haben nicht untersucht, ob im neuen Modell Angehörige durch die Rückkehr der Patienten stärker mit Pflegeaufgaben belastet wurden und sie daher ihre Arbeit reduzieren oder sie eine Verschlechterung der Lebensqualität in Kauf nehmen mussten.

Vermeidung von langfristigen Pflegeheim-Eintritten

Bei über 90% der Patienten im neuen Modell war die Rückkehr nach Hause nachhaltig. Nur sechs Personen mussten innerhalb der zweijährigen Beobachtungszeit wieder ins Pflegeheim eintreten. Somit konnten rund 14% an langfristigen Pflegeheim-Eintritten vermieden werden. Auch dies mag gering erscheinen. Berücksichtigt man den erwarteten langfristig ansteigenden Bedarf in der stationären Langzeitversorgung, ist dies jedoch ein begrüssenswertes Ergebnis.

Weitere Informationen – Links

Falls Sie das Thema interessiert, finden Sie hier weitere Informationen zur dieser Studie. Weitere Informationen zu einem zweiten Angebot von Thurvita – «Älter werden im Quartier»- , welches bereits 2017 evaluiert wurde, finden Sie ebenfalls unter dem Link oben oder hier.

Flurina Meier ist wissenschaftliche Mitarbeiterin der Fachstelle Versorgungsforschung am WIG.

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