Ambulant vor stationär: Was bringt das Versorgungssystem aus dem Gleichgewicht?

Von Flurina Meier

Viele pflegebedürftige SeniorInnen werden zu Hause versorgt: durch Angehörige, durch die Spitex, durch Freiwillige. In einer vom WIG durchgeführten Studie wird unter anderem untersucht, welche Faktoren ein solches ambulantes Versorgungssystem aus dem Gleichgewicht bringen und zu einem Eintritt in ein Alters- und Pflegeheim führen.

Dazu haben wir 15 qualitative Interviews mit SeniorInnen, Angehörigen und Mitarbeitenden eines Spitex-Anbieters und Betreibers von Alters- und Pflegeheimen durchgeführt. Die Auswertungen zeigen, dass das Hauptproblem nicht die gesundheitliche Versorgung ist, welche meist mit Spitex-Einsätzen abgedeckt werden kann. Viel schwieriger ist die Abdeckung der oft nötigen (24-Stunden-) Betreuung und Versorgung im Alltag. Dabei müssen zwei Fälle unterschieden werden: Personen, die mit und Personen, die ohne Angehörige leben.

Falls pflegebedürftige SeniorInnen mit Angehörigen zusammenleben, ist der Grund für den Heimeintritt oft die Erschöpfung, Überforderung und zum Teil die daraus folgende Erkrankung der pflegenden Angehörigen. Ein Beispiel aus unserer Untersuchung ist ein pflegender Angehöriger einer schwer pflegebedürftigen Person in einer Wohnung mit 24h-Notruf. Die pflegebedürftige Person erwachte regelmässig mehrmals in der Nacht, benötigte Hilfe, konnte jedoch nicht selbst den Pflege-Notruf alarmieren und musste deshalb den Angehörigen wecken. Auf Grund von mehrmonatigen chronischen Schlafmangels erkrankte der pflegende Angehörige selbst. Ein Eintritt in ein Alters- und Pflegeheim konnte in der Folge nicht mehr vermieden werden. Weiter können auch Umgebungsfaktoren zu einem Heimeintritt führen, etwa wenn keine Einkaufsmöglichkeiten in der Nähe zu finden sind und der pflegende Angehörige mit Heimlieferservices nicht zurechtkommt.

Fehlen pflegende Angehörige, regen oft Spitex-Mitarbeitende den Eintrittsprozess an. Selbst- oder Fremdgefährdungen, beispielsweise auf Grund einer fortgeschrittenen Demenz, sind relativ eindeutige Eintrittsgründe. Allerdings führen bisweilen bereits einfache Alltagsprobleme zu Heimeintritten, etwa, wenn für nächtliche WC-Gänge die Spitex trotz 24h-Notruf erst nach 20 Minuten vor Ort sein kann. Lebt die betreuungsbedürftige Person alleine, können auch Vereinsamung oder Depressionen einen Heimeintritt nach sich ziehen.

Eine schriftliche Befragung von rund 220 SeniorInnen und Angehörigen wird weitere Erkenntnisse liefern. Wir werden weiter über die Ergebnisse der Studie informieren.

Flurina Meier ist wissenschaftliche Mitarbeiterin sowie stellvertretende Leiterin der Fachstelle Versorgungsforschung am WIG.

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