Von Matthias Maurer
Die Entwicklung der Kosten im Gesundheitswesen und damit auch der Anstieg der Prämien in der Obligatorischen Krankenpflegeversicherung werden derzeit von Behörden, Parteien und Medien mit grosser Sorge kommentiert. Es scheint einen Konsens zu geben, dass nun «endlich etwas getan werden müsse» – etwas mit Substanz und nachhaltiger Wirkung und nicht blosse Kosmetik. So hat auch der Bundesrat am 28. März 2018 ein Kostendämpfungsprogramm verabschiedet. Dieses erste Paket enthält konkrete Massnahmen, die möglichst bald umgesetzt werden sollen (www.bag.admin.ch/bag/de/home/aktuell/news/news-28-03-2018.html).
Was ist von diesem Massnahmen-Paket zu halten?
Da es sich um ein ziemlich heterogenes Bündel von Massnahmen handelt, teile ich die Massnahmen in drei Gruppen gemäss der Sinnhaftigkeit in Bezug auf die Beeinflussung der Kostenentwicklung ein.
«Unverdächtige» und selbstverständliche Massnahmen
Die erste Gruppe besteht aus Massnahmen, die zu unterstützen sind, da sie entweder «unverdächtig» sind (da noch mit wenig Inhalt beladen) oder als selbstverständlich betrachtet werden dürfen. In dieser Gruppe sehe beispielsweise den Experimentierartikel, der innovative Projekte ausserhalb des Rechtsrahmens des KVG ermöglichen soll. Oder die Forderung, dass die Patienten nach einer Behandlung eine verständliche Rechnungskopie erhalten. Ferner die Gründung eines nationalen Tarifbüros für die Pflege und Weiterentwicklung der Tarifsysteme für die ambulanten Leistungen (so wie dies SwissDRG im stationären Sektor tut), die Forderungen, die Tarifstrukturen aktuell zu halten, was im Kern der Verpflichtung der Datenlieferung durch die Tarifpartner gleichkommt, oder die Berücksichtigung von Skaleneffekten in der Tarifstruktur. Sinnvoll und meines Erachtens selbstverständlich, aber bereits politisch mehr umstritten, ist die Einführung des Beschwerderechts für die Krankenversicherer betreffend Spitallisten.
Sinnvolle Massnahmen
In die zweite Gruppe ordne ich Massnahmen ein, die ich als sinnvoll erachte. Einige davon sind auch in den Handlungsempfehlungen des WIG zuhanden der Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich enthalten (https://blog.zhaw.ch/gesundheitsoekonomie/2017/12/14/wie-kann-die-kostenentwicklung-gedaempft-werden/). Darunter fallen etwa die Stärkung der Rechnungskontrolle, indem die Krankenversicherer systematischer kontrollieren und fehlbare Leistungserbringer konsequenter zur Rechenschaft ziehen. Oder die Reduktion der Governance-Konflikte der Kantone durch eine unabhängige Tarifgenehmigungsinstanz für kantonale Tarife. Ferner die Förderung von Pauschalen im ambulanten Bereich; hier wären meines Erachtens die Vergütungsformen grundsätzlich zu überprüfen – neben Pauschalen im ambulanten Bereich wären beispielsweise auch Komplexpauschalen zu prüfen. Angesichts der hohen Medikamentenpreise im patentabgelaufenen Bereich erachte ich die Einführung eines Referenzpreissystems ebenfalls als sinnvoll.
«Übergriffige» Massnahmen
Weniger sinnvoll oder noch zu wenig klar umrissen sind die Massnahmen in der dritten Gruppe. In dieser Gruppe sehe ich die Steuerung der Kosten durch die Tarifpartner (in den Tarifverträgen sollen Massnahmen zur Steuerung der Kosten enthalten sein) oder die unabhängige Rechnungskontrollbehörde, die anstelle der Krankenversicherer die Rechnungskontrollen gebündelt durchführen soll – die Einheitskasse lässt grüssen.
Es ist dem Bundesrat bewusst, dass mit diesem ersten Paket die Kostenentwicklung nicht im grossen Stil beeinflusst wird. Daher steht die eigentliche Debatte mit dem zweiten Paket im Jahr 2019 noch aus: die angekündigte Einführung von Zielvorgaben, bei deren Überschreitung (hoheitliche) Sanktionen greifen sollen.
Ebenso wenig konkret aber gleichfalls drohend nimmt sich das von den Delegierten der CVP Schweiz am 21. April 2018 verabschiedete Initiativvorhaben aus, wonach eine «Kostenbremse» das Wachstum der Gesundheitskosten mit jenem der Löhne verknüpfen will. Diese Initiative soll im Herbst 2018 lanciert werden. Geniessen wir also noch die aktuelle Ruhe vor dem Wahljahr 2019!
Matthias Maurer ist stellvertretender Institutsleiter am WIG.